Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der durch die Unterstellung der Tat nur unter § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG zum Ausdruck gekommenen Ablehnung ihrer Beurteilung auch als Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die bolivianische Staatsangehörige Adela Z***-Y*** des teils (und zwar in bezug auf die Einfuhr des tatgegenständlichen Suchtgifts) vollendeten und teils (nämlich in Ansehung von dessen Wiederausfuhr) versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG sowie § 15 StGB schuldig erkannt.
Nach den Urteilsfeststellungen (US 5 f) brachte die Angeklagte am 14. und 15.Oktober 1986 als Kurier einer Suchtgiftschmuggelorganisation ungefähr 3 kg - nach der Aktenlage (S 19, 117): 3.150 Gramm - Cocain "außerordentlicher Qualität", nämlich mit einem Cocainbase-Gehalt von 87 %, entsprechend 97,6 % Cocainhydrochlorid, aus Bolivien auf dem Luftweg nach Wien-Schwechat; von Wien aus wollte sie mit dem Suchtgift per Bahn nach Mailand weiterreisen; sie wurde jedoch am Wiener Südbahnhof vor der Abfahrt des Zuges verhaftet.
Rechtliche Beurteilung
Ungeachtet der (über Antrag der Staatsanwaltschaft vom Untersuchungsrichter verfügten) Zustellung einer Ausfertigung der Anklageschrift (ON 6) an das Zollamt Wien und des (zwar nicht darin, aber anläßlich ihrer Überreichung gestellten weiteren) Antrages der Anklagebehörde auf Ladung eines informierten Vertreters dieses Zollamtes zur Hauptverhandlung (S 3 a) unterließ es der Schöffengerichtsvorsitzende, das Zollamt davon zu verständigen. Im Urteil beschäftigte sich das Schöffengericht mit der Möglichkeit einer mit dem Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz idealkonkurrierenden Verwirklichung des Finanzvergehens des Schmuggels (§ 35 Abs. 1 FinStrG) durch die Angeklagte überhaupt nicht. Auch eine kurz nach der Hauptverhandlung eingelangte Mitteilung des Zollamtes Wien über die Berechnung der auf den gegenständlichen Transport entfallenden Eingangsabgaben (ON 24), wurde nicht zum Anlaß einer weiteren Verfügung genommen. Ebenso erliegt ein am 11.Februar 1987 eingelangter Antrag des Zollamtes Wien vom 6.Februar 1987 auf Zustellung einer Urteilsausfertigung unjournalisiert im Akt, ohne daß diesem eine darauf bezogene richterliche Anordnung zu entnehmen wäre.
Erst am 16.Oktober 1987 wurde dem Zollamt Wien nach dessen unbedenklichem Vorbringen eine Ausfertigung des erstgerichtlichen Urteils zugestellt, der Zustellvorgang ist im Gerichtsakt allerdings abermals nicht beurkundet. Noch am gleichen Tag meldete das Zollamt die Nichtigkeitsbeschwerde an (S 189), die es in einem am 29. Oktober 1987 bei Gericht eingelangten Schriftsatz (S 191) fristgerecht ausführte.
Der auf § 281 Abs. 1 Z 11 StPO, inhaltlich jedoch auf Z 10 dieser Gesetzesstelle gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der das Unterbleiben einer Prüfung des Urteilssachverhaltes unter dem Gesichtspunkt eines der Angeklagten allenfalls in Tateinheit mit dem Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz zusätzlich zur Last fallenden Finanzvergehens des Schmuggels (§ 35 Abs. 1 FinStrG) gerügt wird, kommt Berechtigung zu.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nämlich geradezu zwangsläufig der dringende Verdacht, daß die nach den Verfahrensergebnissen mit einem gefälschten Paß (S 85 ff) und einem für heimlichen Suchtgifttransport speziell präparierten Koffer (S 19) ausgestattete Angeklagte das mitgeführte Cocain anläßlich der Einreise nach Österreich vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzog. Dabei indiziert bereits die große Menge des Cocains eine allfällige, auf § 53 Abs. 2 lit. a FinStrG beruhende gerichtliche Zuständigkeit zur Aburteilung dieses Finanzvergehens wegen eines 500.000 S übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrages (vgl. hiezu 13 Os 41/85). Der auf das geschmuggelte Suchtgift entfallende Abgabenbetrag setzt sich nämlich aus dem Gewichtszoll (Anm. 12 b zu Kap. 29 des zur Tatzeit in Geltung gestandenen Österreichischen Gebrauchs-Zolltarifs 1980 - vgl. auch Nationale Anm. 1 b zu Kap. 29 des Österreichischen Gebrauchs-Zolltarifs 1988), der Einfuhrumsatzsteuer und dem Außenhandelsförderungsbeitrag zusammen, wobei mit Rücksicht auf den in Betracht kommenden Gewichtszollbetrag von 315.000 S (100.000 S pro Kilogramm) nach Hinzurechnung der weiteren genannten Einfuhrabgaben - hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer (in der Höhe von 20 %) vom Entgelt für das Cocain bzw. von seinem Zollwert (§ 5 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 sowie § 10 Abs. 1 UStG 1972) und hinsichtlich des Außenhandelsförderungsbeitrages vom Wert der Ware - die Überschreitung des maßgeblichen strafbestimmenden Wertbetrages von 500.000 S äußerst wahrscheinlich ist (zur Abgabenberechnung siehe EvBl. 1982/122).
Das Schöffengericht traf keine die dargelegten Umstände erfassenden Feststellungen, obwohl es den angeklagten Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und demgemäß auch die zusätzliche Subsumierbarkeit der Cocaineinfuhr als gerichtlich strafbaren Schmuggel entsprechend wahrzunehmen gehabt hätte (§§ 262, 267 StPO). Diese eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes auf das (allfällige) Vorliegen eines gerichtlich strafbaren Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG hindernden Feststellungsmängel werden vom Zollamt Wien im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, weshalb in Ansehung der (durch die Verurteilung der Angeklagten bloß wegen des Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz zum Ausdruck gekommenen) Ablehnung einer (auch) dahingehenden Beurteilung der Tat mit einer Aufhebung des bekämpften Urteils und der Anordnung der Verfahrenserneuerung im davon betroffenen Umfang vorzugehen war. Hiebei ist anzumerken, daß der Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz im vorliegenden Fall schon deshalb aufrecht zu bleiben hatte, weil im Falle einer Verurteilung auch wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG hiefür eine gesonderte Strafe zu verhängen ist (§ 22 Abs. 1 FinStrG), bei deren Bemessung allfällige Interdependenzen zur bereits nach dem Suchtgiftgesetz verhängten Freiheitsstrafe Berücksichtigung finden können.
Der Umstand, daß das Erstgericht ungeachtet der dargelegten, schon im Verfahren erster Instanz bestandenen Verdachtslage in Richtung eines gerichtlich strafbaren Schmuggels die Finanzstrafbehörde nicht im Sinn des § 200 FinStrG dem Verfahren beizog, sondern sich auf Übermittlung einer Ausfertigung der Anklageschrift beschränkte, vermochte - wie weiters anzumerken bleibt - die Rechtsmittellegitimation des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht zu beeinträchtigen (SSt. 52/57 = EvBl. 1981/195 = JBl. 1981,661; EvBl. 1982/122; JBl. 1982,671; 13 Os 41/85).
Klarstellend sei letztlich beigefügt, daß bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden das Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz und das Finanzvergehen des Schmuggels idealkonkurrierend verwirklicht werden. Der Umstand, daß die Einfuhr des Suchtgifts im Sinn des § 12 Abs. 1 SGG bereits mit dem Überschreiten der Staatsgrenze vollendet ist, für den Schmuggel hingegen erforderlich ist, daß die eingangspflichtige Ware unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen wird und damit - ausgenommen den Fall der Stellungspflicht bei vorgeschobenen Grenzzollämtern - zumeist erst nach Überqueren der Staatsgrenze vollendet wird, betrifft allein eine mögliche Differenz in der rechtlichen Beurteilung der jeweiligen Entwicklungsstufe (als Versuch oder Vollendung) der idealkonkurrierenden - hier in seinem historischen Sachverhalt insgesamt unter Anklage gestellten (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG, E 8 zu § 22) - Tat.
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