Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 6.3.1912 geborene Klägerin ist unter Berücksichtigung von gesundheitsbedingten Einschränkungen in der Lage, sich allein an- und auszuziehen, sich zu waschen, den Wohnraum oberflächlich instandzuhalten und einfache Speisen zuzubereiten. Sie kann einen Kohleofen warten, jedoch herausfallende Glut nur verlangsamt bergen, da beim Bücken nach Kohlestücken ein vermehrtes Schwindelgefühl entstehen kann. Die Gefahr einer Ohnmacht besteht nicht. Das Hantieren mit offenem Feuer ist der Klägerin zumutbar. Zu sämtlichen schwierigeren Tätigkeiten, wie Einkaufen, Heranbringung von Heizmaterial, Besorgung von Großwäsche, Großreinemachen und Fensterputzen sowie zur Benutzung eines Bades bedarf die Klägerin fremder Hilfe. Dieser Zustand besteht seit Anfang Feber 1987. In der Zeit vom 17.7.1986 bis 1.2.1987 war der Klägerin die Körperpflege nur erschwert möglich. Sie konnte in dieser Zeit auch nicht die Wohnung in Ordnung halten, das Ofenfeuer unterhalten und sich auch die Mahlzeiten nicht zubereiten.
Am 17.11.1986 stellte die Klägerin den Antrag auf Gewährung des Hilflosenzuschusses; dieser Antrag wurde von der beklagten Partei abgewiesen.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung des Hilflosenzuschusses gerichtete Begehren der Klägerin ab. Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Leistung sei, daß sowohl ein ständiges Bedürfnis nach Wartung, sohin nach Hilfeleistung im persönlichen Lebensbereich wie auch nach Hilfe und damit Unterstützung durch dritte Personen im sachlichen Lebensbereich vorliege. Ein Wartungsbedürfnis bestehe jedoch nicht, da die Klägerin sämtliche unmittelbar ihre Person betreffenden Verrichtungen allein und ohne fremde Hilfe zu besorgen imstande sei. Die Voraussetzungen des § 105 a ASVG seien daher nicht erfüllt. Dem Umstand, daß die Klägerin in der Zeit vom 17.7.1986 bis 1.2.1987 vermehrt der Hilfe bedurft habe, sei von der beklagten Partei durch Leistung eines einmaligen Betrages in der Höhe des Hilflosenzuschusses für sechs Monate Rechnung getragen worden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge; es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat das Begehren auf Gewährung des Hilflosenzuschusses insgesamt und damit auch für den Zeitraum bis 1.2.1987 mit der Begründung abgewiesen, daß die beklagte Partei die Klägerin durch Leistung des Hilflosenzuschusses für diese Zeit klaglos gestellt habe. Diese Entscheidung blieb im Rechtsmittelverfahren unbekämpft. Gegenstand der Anfechtung in der Berufung wie auch der Revision ist, wie sich aus den Rechtsmittelausführungen ergibt, lediglich das Begehren auf Gewährung des Hilflosenzuschusses für die Zeit ab 1.2.1987. In der Revision vertritt die Klägerin den Standpunkt, daß - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses auch für diese Zeit erfüllt seien. Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden.
Zweck des Hilflosenzuschusses ist es, dem Rentner oder Pensionisten, der infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht in der Lage ist, die lebensnotwendigen Verrichtungen selbst zu besorgen, den durch die Inanspruchnahme anderer Personen entstehenden Mehraufwand wenigstens teilweise zu ersetzen. Aus den beiden Wörtern "derart hilflos" in § 105 a ASVG ergibt sich, daß nicht jede Hilflosigkeit sondern nur ein besonderes Maß des Sich-nicht-helfen-könnens, das mit dem Bedarf nach ständiger Wartung und Hilfe umschrieben wird, Anspruch auf Hilflosenzuschuß gibt. Ein Hilflosenzuschuß gebührt daher nur dann, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage ist, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Dabei kommen jeweils nur jene Verrichtungen in Frage, die nicht allgemein von dritten Personen besorgt werden, sondern die auch nicht eingeschränkte Personen gewöhnlich selbst erledigen. Aus der Höhe und dem erwähnten Zweck des Hilflosenzuschusses folgt allerdings, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden kann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis einzelne sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind, wie der begehrte Hilflosenzuschuß. Denn es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß er einem Rentner oder Pensionsbezieher durch die Gewährung des Hilflosenzuschusses mehr geben will, als für diese notwendigen Dienstleistungen erforderlich ist. Der Hilflosenzuschuß soll nicht zu einer Erhöhung der Rente oder Pension führen sondern nur den erwähnten Mehraufwand wenigstens teilweise abdecken (JBl 1988,64).
Daß die in großstädtischen Verhältnissen lebende Klägerin für das, bei der allgemein üblichen Benützung eines Kühlschrankes nicht täglich erforderliche Einkaufen und die ebenfalls nicht täglich notwendige Bereitstellung des Brennmaterials, die nur in größeren Abständen anfallenden schwereren Hausarbeiten sowie für die Hilfeleistung bei Benützung eines Bades im Monatsdurchschnitt auch nur annähernd rund 2.840,-- S aufwenden müßte - so hoch war der monatliche Durchschnitt des Mindesthilflosenzuschusses 1987 - ist auszuschließen, weshalb das Klagebegehren von den Vorinstanzen mit Recht abgewiesen wurde.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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