OGH 5Ob576/87

OGH5Ob576/879.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H***, Fleischhauer, Bichstraße 14, 6370 Kitzbühel, vertreten durch Dr.Marco Formetini, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei C.T.A. C***-T*** UND A*** Gesellschaft mbH, Triesterstraße 2 a, 1100 Wien, vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, Streitwert S 85.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.April 1987, GZ 3 a R 193/87-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 29.Dezember 1986, GZ 2 C 1083/86-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 4.243,80 (einschließlich S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 18.Jänner 1976 die im Hause des Klägers in der Hahnenkamm-Straße Nr. 8 in Kitzbühel gelegene, aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, Kochnische, Bad und WC bestehende Wohnung Nr. I/2 zu einem monatlich zu entrichtenden Mietzins von S 6.500,-- (einschließlich Umsatzsteuer); die anteiligen Betriebskosten und die Kosten für Telefon, Stom und Gas etc. sollten von der Mieterin zusätzlich getragen werden. Das Mietverhältnis begann am 15.Jänner 1978 und sollte zunächst 3 Jahre dauern, wurde aber vereinbarungsgemäß auf unbestimmte Zeit verlängert.

Am 10.September 1985 brachte der hier klagende Vermieter gegen die beklagte Mieterin zur AZ 2 C 1449/85 des Bezirksgerichtes Kitzbühel eine Klage auf Zahlung rückständigen Mietzinses in Höhe von S 8.507,50 ein. Das Verfahren wurde am 3.Februar 1986 durch Vergleich beendet: unter Zugrundelegung der für Dezember 1985 veröffentlichten Indexzahl für den Verbraucherindex 1976 wurde der Hauptmietzins wertgesichert. Die beklagte Mieterin hat jedoch die vereinbarte Wertsicherung zunächst bei der Zahlung des Mietzinses für die Monate Jänner und Februar 1986 nicht berücksichtigt und den entsprechenden Aufwertungsbetrag in Höhe von S 1.300,-- erst nach Einbringung der hier vorliegenden Räumungsklage gezahlt. Der klagende Vermieter begehrt nun, die beklagte Mieterin zur Räumung dieser Wohnung zu verurteilen. Er behauptet, den Mietvertrag mit Schreiben vom 26.November 1985 zum 1.März 1986 aufgekündigt zu haben; die Wohnung sei als Ferienwohnung vermietet worden, so daß das Vertragsverhältnis nicht den Bestimmungen des MRG unterliege. An der verspäteten Zahlung der Aufwertungsbeträge treffe die beklagte Mieterin ein grobes Verschulden.

Die beklagte Mieterin beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, daß sie die Räumlichkeiten zu Geschäftszwecken ihrer Zweigniederlassung gemietet habe; das Mietrechtsverhältnis unterliege den Bestimmungen des MRG. An der verspäteten Zahlung der Aufwertungsbeträge treffe sie kein Verschulden, weil die Ausfertigung des gerichtlichen Vergleiches vom 3.Februar 1986 erst am 14.Februar 1986 ihrem Rechtsvertreter zugestellt worden sei. Im übrigen sei die Kündigung anläßlich des Vergleichsabschlusses zurückgenommen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den oben dargestellten Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Beziehung im wesentlichen an:

Ob es sich hier um eine Wohnung handelt, die von der Mieterin als Zweitwohnung zu Erholungszwecken gemietet wurde, sei unerheblich. Da der Mietvertrag vor Inkrafttreten des MRG geschlossen worden sei und nach der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 1 MRG die §§ 19 bis 23 MG bis 31.Dezember 1988 weiter anzuwenden seien, wenn vor Inkrafttreten des MRG die Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG anzuwenden waren, könne der klagende Vermieter den Mietvertrag jedenfalls nur aus wichtigem Grunde kündigen, gleichgültig, ob eine Wohnungs- oder eine Geschäftsraummiete vorliege. Im übrigen sei gemäß § 33 Abs 2 MRG die Kündigung aufzuheben, da der gekündigten Mieterin kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand anzulasten sei und sie den Rückstand vor Schluß der Verhandlung bezahlt habe.

Das vom klagenden Vermieter angerufene Gericht zweiter Instanz hob das erstinstanzliche Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige. Es erachtete die von ihm beantwortete Rechtsfrage, ob § 49 Abs 2 MRG auf die von Abs 1 zweiter Satz derselben Gesetzesstelle erfaßten Mietgegenstände von vornherein nicht anwendbar ist, als eine von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO. Zur Entscheidungsbegründung führte es im wesentlichen an:

Es könne nicht gesagt werden, daß der Mietgegenstand vom klagenden Vermieter im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungsunternehmens vermietet wurde und demnach gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG nicht in den Anwendungsbereich des MRG falle. Vor allem spreche die gesonderte Tragung der Wohnungsnebenkosten (Betriebskosten, öffentliche Abgaben, Steuern, Telefonkosten, Gas- und Stromkosten etc.) und die vereinbarte Art der Dauer und Verlängerung der Dauer des Mietverhältnisses gegen die Annahme eines derartigen Mietvertrages.

In den Anwendungsbereich des MRG seien Wohnungen oder Wohnräume nicht einbezogen, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung gemietet wurden (§ 1 Abs 2 Z 4 MRG). Dadurch sei gegenüber der Rechtslage nach dem MG eine Verschlechterung der Position der Mieter eingetreten, denn das MG habe diesbezüglich keine Ausnahme vom Kündigungsschutz gemacht. Ausgenommen seien aber u.a. Räume, die erst nach dem Wirksamkeitsbeginn des MG durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubauten neu geschaffen wurden (§ 1 Abs 2 Z 1 MG). Es galten aber die Kündigungsbeschränkungen (§§ 19 bis 23 MG) auch für Räume der bezeichneten Art, es sei denn, daß diese Räume erst nach dem 31. Dezember 1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffen wurden (§ 1 Abs 3 Z 1 MG). Insoweit allerdings für Mietverträge, die dem Geltungsbereich des MRG (§ 1) nicht unterliegen, vor Inkrafttreten des MRG die Kündigungsbeschränkungen nach § 19 MG anzuwenden gewesen seien, gelten nach der kündigungsrechtlichen Übergangsbestimmung des § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG die §§ 19 bis 23 des MG bis zum 31. Dezember 1988 weiter. Sei in einem vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossenen Mietvertrag über einen nach dem 31.Dezember 1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffenen Bestandgegenstand weder die Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG noch eine Bestanddauer vereinbart worden, die über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG hinaus wirksam ist, so gelten für diesen Mietvertrag die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG, soferne es der Vermieter bis 30. Juni 1982 unterlasse, dem Hauptmieter einen befristeten Mietvertrag nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG anzubieten, der zumindest bis 31.Dezember 1984 wirksam ist. Dies sei allerdings hier nicht der Fall gewesen. Die Entscheidung könne hier aber noch nicht gefällt werden, weil im erstinstanzlichen Verfahren die Frage ungeklärt geblieben sei, ob eine Geschäftsraummiete oder die Miete einer Ferienwohnung vorliege. Im ersteren Fall seien die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG anzuwenden, im zweiten Fall aber unterliege das Mietverhältnis überhaupt nicht dem MRG (§ 1 Abs 2 Z 4 MRG), allerdings könnte es auf Grund der kündigungsrechtlichen Übergangsbestimmungen des § 49 MRG dennoch den Kündigungsbeschränkungen des MG unterliegen, weil das Bestandverhältnis vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen worden sei. Ob § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG hier anwendbar sei, könne auf der vorhandenen Tatsachengrundlage noch nicht abschließend beurteilt werden. Zu den Objekten, die dem Kündigungsschutz des MG unterlagen, vom Kündigungsschutz des MRG aber nicht mehr erfaßt seien, gehörten u. a. Ferienwohnungen. Ob hier die Übergangsregelung des § 49 Abs 1 zweiter Satz MG anzuwenden sei, somit die §§ 19 bis 23 MRG weitergelten, hänge davon ab, ob vor dem Inkrafttreten des MRG die Kündigungsbeschränkungen des MG galten. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn der Bestandgegenstand nach dem 31.Dezember 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet wurde. Sollte das Haus, in dem sich der Bestandgegenstand befindet, bereits vor dem 31. Dezember 1967 oder nachher unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden sein, so sei es dem Kündigungsschutz des § 19 MG unterlegen gewesen. Gemäß § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG seien in diesem Falle bis 31.Dezember 1988 die §§ 19 bis 23 MG weiterhin in Geltung, so daß der Mietvertrag nur nach Maßgabe dieser Kündigungsbeschränkungen aus einem wichtigen Grunde gekündigt werden könne. Andernfalls, wenn der Bestandgegenstand ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sein sollte und die Kündigungsbeschränkungen des MG nicht galten, seien auch die kündigungsrechtlichen Übergangsbestimmungen des § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG nicht anwendbar. In diesem Fall müßte weiter geprüft werden, ob eine Geltung der Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG im Wege der Übergangsregelung des § 49 Abs 2 MRG bestehe, da ein befristeter Mietvertrag der Beklagten nicht angeboten worden sei. Dies sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes zu verneinen. Die Übergangsregelung des § 49 Abs 2 MRG habe die Aufgabe, für bestehende Mietverträge über Objekte, die gemäß § 1 Abs 2 Z 1 bzw. 2 iVm Abs 3 Z 1 MG nicht einmal dem Kündigungsschutz des MG unterworfen waren, wohl aber von dem des MRG erfaßt werden (vgl. § 1 Abs 4 Z 1 MRG), die Unbilligkeit zu beseitigen, daß die vollen Auswirkungen der Unterstellung unter den Kündigungsschutz nur Verträge auf unbestimmte Zeit treffen, während befristete Verträge nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG - wirtschaftlich gesehen den Kündigungsschutz zu durchbrechen scheinen. Keinesfalls werden aber durch die den Vermieter privilegierende Bestimmung des § 49 Abs 2 MRG über den § 1 MRG hinaus Mietgegenstände dem § 30 MRG unterworfen, weshalb § 49 Abs 2 MRG auf die von § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG erfaßten Gegenstände von vornherein nicht anwendbar sei. In einem solchen Falle bestehe auch keine Anbotspflicht (Würth-Zingher, MRG2, Anm 5 zu 3 49). Es könne nicht der Zweck der Übergangsregelung sein, Mietgegenstände, die nach dem MG keinen Kündigungsbeschränkungen unterlagen und auch nach dem MRG nicht in seinen Anwendungsbereich fallen, lediglich auf Grund einer kündigungsrechtlichen Übergangsregelung den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG zu unterstellen.

Diese Entscheidung bekämpft die beklagte Mieterin mit Rekurs. Sie begehrt die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der klagende Mieter begehrt in seiner Rechtsmittelgegenschrift, diesem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die von der beklagten Mieterin unter Berufung auf Call/Tschütscher (Mietrechtsgesetz - 100 Fälle mit Lösungsvorschlägen Fall 2) vorgebrachten Bedenken gegen die Richtigkeit der auf die Ansichten Würths (MRG2 Anm 5 zu § 49) beruhenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes kann der Oberste Gerichtshof nicht teilen, denn sie laufen der Grundrichtung des MRG zuwider, über den § 1 MRG hinaus keine weiteren Bestandrechtsverhältnisse dem Kündigungsschutz des § 30 MRG zu unterstellen. Daran ist auch die Auslegung der Übergangsbestimmungen zu orientieren. Die Darlegungen des Gerichtes zweiter Instanz werden deshalb vom Obersten Gerichtshof voll gebilligt.

Der Rekurs der beklagten Mieterin mußte erfolglos bleiben. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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