OGH 11Os151/87

OGH11Os151/879.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführer in der Strafsache gegen Marc S*** und Franz J*** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Franz J*** und der Staatsanwaltschaft bezüglich beider Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten (Republik Österreich) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Februar 1987, GZ 6 b Vr 8.413/86-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, des Angeklagten Franz J*** und seines Verteidigers Dr. Philipp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Marc S*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz J*** wird verworfen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Franz J*** und Marc S*** sind schuldig, und zwar

1./ Franz J*** im Sommer 1979 in Drasenhofen und Klingenbach als den örtlichen Grenzzollämtern zugeteilter Zollwachebeamter mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihren Rechten, insbesondere im Anspruch auf Entrichtung der Umsatzsteuer, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er 15 Blankoformulare einer Ausfuhrbescheinigung für Umsatzsteuerzwecke (Lager U 34), welche er im für die Austrittsbestätigung des Grenzzollamtes vorgesehenen Feld mit dem Stempel jeweils eines der erwähnten Grenzzollämter versehen und datiert hatte, dem Marc S*** zum Zweck der Deckung beabsichtigter Abgabenhinterziehungen ausfolgte,

2./ Marc S*** im Sommer 1979 in Wien Franz J*** durch die Aufforderung, ihm gegen ein Entgelt von 50.000 S solche mit den Stempeln von Grenzzollämtern versehene Blankoformulare U 34 zu verschaffen, zur Ausführung der unter Punkt 1./ bezeichneten Tat bestimmt zu haben.

Franz J*** und Marc S*** haben hiedurch das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB, und zwar Marc S*** als Beteiligter nach dem § 12, zweiter Fall, StGB, begangen. Sie werden hiefür nach dem § 302 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen in der Dauer von je 9 (neun) Monaten verurteilt.

Gemäß dem § 43 Abs 1 StGB werden die Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Kostenausspruch und die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft sowie über die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg werden aus dem Ersturteil übernommen. Die Privatbeteiligte wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Dezember 1947 geborene Kaufmann Marc S*** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach dem § 224 (§ 223 Abs 2) StGB schuldig erkannt (Punkt I des Urteilsspruches); dem am 26.Jänner 1935 geborenen Zollwachebeamten Franz J*** wurde Beteiligung nach dem § 12, dritter Fall, StGB am nämlichen Vergehen (Punkt II/1 des Urteilsspruches) und überdies (zu II/2 des Urteilstenors), das Vergehen der Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen nach dem § 227 Abs 1 StGB angelastet. Nach dem Inhalt des Schuldspruches gebrauchte Marc S*** in der Zeit zwischen August 1979 und August 1980 in Wien in fünf Fällen vorsätzlich falsche öffentliche Urkunden, nämlich zollamtliche Ausfuhrbescheinigungen, die er selbst durch Ausfüllen der von Franz J*** mit Zollamtsstempeln versehenen Formulare (Lager U 34) der Finanzlandesdirektion Wien hergestellt hatte, durch Aufnahme in Geschäftsaufzeichnungen als Grundlage für die abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen im Rechtsverkehr zum Beweis der Ausfuhr der in den Urkunden angeführten Waren und der darauf gegründeten Berechtigung ihrer Behandlung als umsatzsteuerfreie Ausfuhrerlöse. Franz J*** drückte im Sommer 1979 in Drasenhofen und Klingenbach fünfzehn (im übrigen unausgefüllten) Ausfuhrbescheinigungen (U 34) den Stempel des örtlichen Zollamtes auf und übergab die solcherart produzierten Blankette an Marc S***, wodurch er - jeweils unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit bei diesen Grenzzollämtern gebotenen Gelegenheit - hinsichtlich fünf dieser Formulare zur Straftat des Marc S*** beitrug und bezüglich der weiteren zehn Formulare mit dem Vorsatz, andere Urkundenfälschungen in Beziehung auf inländische öffentliche Urkunden, nämlich zollamtliche Ausfuhrbescheinigungen, zu ermöglichen, ein Mittel, das nach seiner besonderen Beschaffenheit ersichtlich zu einem solchen Zweck bestimmt war, anfertigte und einem anderen überließ.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil erhoben die Staatsanwaltschaft (bezüglich beider Angeklagten) eine ausdrücklich auf die Z 5 und 10 sowie der Angeklagte Franz J*** eine auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies liegt eine Berufung der Republik Österreich als Privatbeteiligte gegen ihre Verweisung auf den Zivilrechtsweg vor.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J***:

Eine Erörterung der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) des Angeklagten J***, das Tatbildmerkmal des Gebrauchs der Urkunden im Rechtsverkehr sei nicht verwirklicht, erübrigt sich zwar im Hinblick auf die Stichhaltigkeit der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Rechtsrüge. Da jedoch auch bei Vorliegen eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nur dann ergehen kann, wenn ihr mängelfrei getroffene Feststellungen des Erstgerichtes zugrundegelegt werden können (Mayerhofer-Rieder2, § 288 StPO, EGr. 36 bis 39), ist auf die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) des Angeklagten zumindest insoweit einzugehen:

Vorauszuschicken ist allerdings, daß der Angeklagte J*** in den Urteilsgründen zu Unrecht eine Feststellung vermißt, welche den gegen ihn im Urteilsspruch erhobenen Vorwurf decken könnte, wonach er selbst die gegenständlichen Formulare vor deren Weitergabe an den Mitangeklagten S*** abstempelte: Im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung brachte nämlich der Schöffensenat eindeutig seine Überzeugung zum Ausdruck, der Angeklagte J*** habe sich im Jahre 1979 bei den Zollämtern Klingenbach und Drasenhofen im Zuge "fliegender Kontrollen" in den Besitz der Zollamtsstempel gesetzt und die Formulare abgestempelt (US 9, zweiter Absatz). Gerade diese Annahme bekämpft der Beschwerdeführer selbst in seinem weiteren Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO (Punkt b) als mangelhaft begründet, weil der Hinweis des Erstgerichtes (US 9 Mitte) darauf, daß die Zugriffsmöglichkeit des Angeklagten J*** auf die Zollamtsstempel (ua) aus der Aussage des Zeugen Günther K*** hervorgehe, der Aktenlage nicht entspreche. Diesem Einwand ist zu erwidern, daß die Angaben dieses Zeugen vom Erstgericht zwar nicht wortgetreu zitiert wurden (weil K*** dem Hauptverhandlungsprotokoll zufolge die ihm unterstellte Aussage des Wortlautes "die Verwahrung kam auf den Beamten an", nicht gemacht hat), in ihrer Gesamtheit jedoch eine Würdigung (im Sinne der Urteilsbegründung) dahin zulassen, daß der Zeuge die Möglichkeit des Zugriffs der Beamten der "fliegenden Kontrollen" auf die Zollamtsstempel nicht auszuschließen vermochte (vgl. die Andeutung des Zeugen, wonach das Einsperren der Stempel auch im Falle einer Abwesenheit von nur fünf Minuten "Sache des Beamten" sei, und die Erwiderung des Zeugen auf den Vorhalt des Staatsanwaltes, wonach insofern die ursprüngliche - jeglichen Zugang zu den Stempeln ausschließende - Aussage nicht richtig sei: "Das haben wir jetzt richtiggestellt"; AS 67). Soweit der Beschwerdeführer in Vernachlässigung dieses Teiles der Zeugenaussage abschließend behauptet, ihr könne in ihrer Gesamtheit "eigentlich nur" entnommen werden, daß die Zollamtsstempel ständig sicher verwahrt waren und niemand anderer als der kompetente Beamte Zugriff auf sie hatte, versucht er lediglich, die Aussage in einem anderen - für ihn günstigeren - Sinn zu würdigen als dies das Erstgericht in logisch vertretbarer Weise tat. Damit führt der Angeklagte J*** jedoch der Sache nach eine gegen Urteile von Kollegialgerichten unzulässige Schuldberufung aus.

Nicht gesetzmäßig ist auch der Einwand dieses Beschwerdeführers, die Urteilsfeststellung hinsichtlich der Verwendung der Ausfuhrbescheinigung im Reise- und für den Warenverkehr (US 7, zweiter Absatz) sei unvollständig begründet, weil sich das Erstgericht über wesentliche Verfahrensergebnisse stillschweigend hinweggesetzt habe. Der Beschwerdeführer unterläßt nämlich jegliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Erstgerichtes, welches zutreffend (gleichfalls auf US 7) auf den keineswegs nur auf die Ausfuhr im Reiseverkehr abgestellten Inhalt des Formulars (vgl. AS 49 und verso in Band I des Aktes 6 b E Vr 4.576/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) sowie (in US 10 unten, 11) auf die Aussage des Zeugen Peter W***-L*** (AS 73) hinwies (siehe im übrigen auch die Aussage des Zeugen Johann A***, AS 71 sowie S 51 ff in Band III des Aktes 6 b E Vr 4.576/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).

Dem abschließenden Einwand der Mängelrüge zuwider wurde die Aussage des Zeugen K*** (AS 65 oben), wonach für "fliegende Kontrollen" eine Mithilfe bei Ausfertigung der Formulare U 34 nicht vorgesehen war, vom Erstgericht keineswegs übergangen, sondern einer entsprechenden Feststellung zugrundegelegt (US 10 Mitte).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Dem zum Teil auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, der Sache nach jedoch ausschließlich auf jenen der Z 10 leg. cit., gestützten Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft ist darin beizupflichten, daß das Erstgericht rechtsirrtümlich annahm, dem Angeklagten J*** sei eine Befugnis im Sinn des § 302 Abs 1 StGB im Zusammenhang mit der Abstempelung der Ausfuhrbescheinigungsformulare überhaupt nicht zugestanden. Auszugehen ist von der Urteilsfeststellung (US 6 unten), wonach der Angeklagte J***, ein Zollfahnder des Zollamtes Wien, Abteilung Strafsachen, im Rahmen sogenannter "fliegender Kontrollen" als Beamter des jeweiligen Grenzzollamtes tätig wurde. Die Einschränkung, daß sich diese Kontrollen nur auf den Einreiseverkehr bezogen, wurde nicht getroffen; hiefür bietet der Akteninhalt (vgl. den dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 27.Februar 1987 als Beilage angeschlossenen Dienstauftrag Nr. 318 vom 26.Juli 1979, der sich ausdrücklich auf die Kontrolle von Fahrzeugen in der Ein- und Ausreise bezieht) auch keinen Anhaltspunkt.

Bei dieser Sachlage kommt der zusätzlichen Urteilsannahme, wonach der Angeklagte Franz J*** auf Grund seines Dienstauftrages an der Erstellung von Ausfuhrbescheinigungen nicht mitwirkte und mit den betreffenden Formularen (U 34) im Rahmen des Dienstbereiches bei fliegenden Kontrollen "nichts zu tun" hatte (US 6 unten, US 10 Mitte), nicht jene entscheidende Bedeutung zu, welche ihr vom Erstgericht beigemessen wurde. Das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB begeht ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes (oder anderer, hier nicht in Betracht kommender Personen des öffentlichen Rechtes) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht. Zur Vollziehung der Gesetze (Hoheitsverwaltung) gehört insbesondere die Überwachung des grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehrs. In den abstrakten Aufgabenbereich der Beamten von Zollämtern erster Klasse - zu welchen Behörden laut Anlage 2 AVOG (BGBl. 1975/18) die Zollämter Klingenbach und Drasenhofen zählen - gehört gemäß dem § 22 Abs 1 ZollG die Abfertigung aller Waren im Rahmen des in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Zollverfahrens, somit auch gemäß dem § 64 Abs 3 und 4 ZollG die Beschau von austrittsnachweispflichtigen Waren sowie die Überwachung und Bestätigung ihres Austrittes über die Zollgrenze. Die Überprüfung der Übereinstimmung der Angaben des Exporteurs in der Ausfuhrbescheinigung (Formular U 34) mit den tatsächlichen Ausfuhren fiel somit in den abstrakten Aufgabenbereich des anläßlich der "fliegenden Kontrollen" als Beamter des jeweiligen Grenzzollamtes tätigen Angeklagten J***. Nur auf eine solche Befugnis des Beamten kommt es an, nicht jedoch darauf, ob er seinem Dienstauftrag zufolge auch konkret mit der Abfertigung von Reisenden oder Auslandstransporten befaßt war (und demgemäß Stempel des jeweiligen Grenzzollamtes zu verwenden hatte). Funktionelle oder örtliche Unzuständigkeit schließt nämlich den Mißbrauch einer grundsätzlich zustehenden Befugnis keineswegs aus; dieser Mißbrauch kann vielmehr gerade in der Verletzung solcher Zuständigkeitsvorschriften liegen (RZ 1984/96). Daß im Versehen der Ausfuhrbescheinigung mit dem Zollamtsstempel (und Datum) ein Amtsgeschäft - (wenigstens) im Sinn einer Verrichtung tatsächlicher Art, die eine wesentliche Phase der Amtshandlung bildet - zu erblicken ist (vgl. erneut die oben erwähnte Entscheidung und die darin zitierte Literatur und Judikatur; ablehnend allerdings Bertel im WK, § 302 StGB, Rz. 10 und 70) erhellt vor allem auch aus dem Inhalt des Formulars U 34 (vgl. AS 49 und verso in Band I des Aktes 6 b E Vr 4.576/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), demzufolge die Austrittsbestätigung durch das Grenzzollamt (nach Prüfung der Übereinstimmung der Bescheinigung mit der Sendung) in Form der Ausfertigung des Vordruckes rechts oben auf dem Formular (Angabe des Datums und Aufdruck des Amtsstempels) vorgenommen wird, sich also gerade in der vom Angeklagten J*** pflichtwidrig vorgenommenen Tätigkeit erschöpft und dieselben rechtlichen Wirkungen wie ein korrekt durchgeführtes Amtsgeschäft auszulösen imstande ist.

Den insoweit gleichfalls unbedenklichen Urteilsfeststellungen zufolge sind auch die subjektiven Tatbildmerkmale des Mißbrauches der Amtsgewalt durch den Angeklagten J*** und der Beteiligung hieran als Bestimmungstäter nach dem § 12, zweiter Fall, StGB durch den Angeklagten Marc S*** verwirklicht:

Im vorliegenden Urteil brachte nämlich das Schöffengericht - über die Feststellung vorsätzlichen Handelns beider Angeklagten (US 8 unten) hinausgehend - eindeutig zum Ausdruck, daß beide Angeklagten im Wissen um den Befugnismißbrauch tätig wurden. Der Urteilsbegründung zufolge war nämlich dem Zweitangeklagten J*** schon auf Grund seiner beruflichen Stellung bewußt, die Erschleichung von Umsatzsteuervergütungen (und die Verschleierung von getätigten Schwarzumsätzen) durch die Ausfolgung noch nicht vom Exporteur ausgefüllter, dennoch aber bereits zollamtlich abgestempelter Formulare U 34 zu fördern (US 12 unten); damit wurde ihm nicht nur Schädigungsvorsatz, sondern auch Wissen um die Amtspflichtverletzung unterstellt, die bei Vereitelung der Überprüfung des tatsächlichen Grenzübertritts austrittsnachweispflichtiger Waren durch das Organ eines Grenzzollamtes auf der Hand liegt. Nichts anderes gilt für den Mitangeklagten Marc S***, dessen Behauptung, dem Angeklagten J*** den erwähnten Verwendungszweck der abgestempelten Ausfuhrbescheinigungsformulare U 34 mitgeteilt zu haben, vom Schöffengericht als überzeugend angesehen wurde (US 13, Ende des 2. Absatzes). Darauf, daß das Schöffengericht nicht als erwiesen annahm, Marc S*** habe gewußt, in welcher Funktion Franz J*** als Zollbeamter tätig war, kommt es - der Ansicht des Erstgerichtes (US 13, Ende des vorletzten Absatzes) zuwider - nicht an. Auf Seite des extranen Beteiligten genügt nämlich grundsätzliches laienhaftes Wissen um den Befugnismißbrauch seitens des Qualifizierten; Detailwissen über den Umfang seiner Befugnis ist nicht erforderlich (vgl. insbesondere EvBl 1987/37 = RZ 1987/4). Die unterschiedlich gelöste Frage, ob der nicht qualifizierte Beteiligte nur wenigstens bedingt vorsätzlichen Mißbrauch oder aber wissentlichen Mißbrauch der Befugnis durch den Qualifizierten für gewiß halten muß (vgl. die in der Glosse Kienapfels zur letzterwähnten Entscheidungsveröffentlichung angeführte Judikatur) kann vorliegend auf sich beruhen, weil das Erstgericht seinen Ausführungen (US 13, Ende des 2. Absatzes) zufolge von einem gemeinsamen Wissen beider Angeklagten um die Mißbräuchlichkeit der Vorgangsweise des Zollbeamten J*** ausging. Der in den (insoweit inkonsequenten) Beschwerdeausführungen der Staatsanwaltschaft in Zweifel gezogene

Schädigungsvorsatz ist gleichfalls gegeben: An einem konkreten Recht ist der Staat schon durch Vereitlung einer bestimmten konkreten

Maßnahme - hier: der Überprüfung der tatsächlichen Ausfuhr von Waren, hinsichtlich welcher die Umsatzsteuerfreiheit in Anspruch genommen werden soll (§§ 6 Z 1, 7 Abs 3 UmsatzsteuerG 1972) - gegeben, wenn damit auch der Zweck der zugrundeliegenden Vorschrift - vorliegend: die Beschränkung der Umsatzsteuervergütung auf tatsächlich nachgewiesene Ausfuhren - vereitelt werden soll (vgl. Mayerhofer-Rieder2, § 302 StGB, EGr. 44, 46 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz J*** war somit zu verwerfen, der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, daß Franz J*** und Marc S*** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB, und zwar Marc S*** als Beteiligter nach dem § 12, zweiter Fall, StGB, schuldig sind.

Bei der hiedurch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafen wertete der Oberste Gerichtshof bei beiden Angeklagten keinen Umstand als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den bisher jeweils untadelhaften Wandel als mildernd. Franz J*** wurde überdies die Verleitung durch den Zweitangeklagten, Marc S*** auch sein Geständnis als mildernd zugutegehalten.

Bei sorgfältiger Abwägung dieser Strafzumessungsgründe werden Freiheitsstrafen von je neun Monaten dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Tathandlung und der ungefähr gleichen Schwere der Schuld gerecht.

Der Heranziehung des § 43 Abs 1 StGB standen nach Lage des Falles weder Erwägungen der Spezial- noch der Generalprävention entgegen.

Die Entscheidungen über die Verfahrenskosten erster Instanz und die Vorhaftanrechnung wurden aus dem angefochtenen Urteil übernommen. Dem Schöffengericht ist darin beizupflichten, daß es für die von der Privatbeteiligten begehrte zivilrechtliche Entscheidung an hinreichenden Grundlagen mangelt. Diese waren auch mit den relativ einfachen Mitteln des Adhäsionsverfahrens (§ 366 Abs 2 StPO) nicht zu gewinnen, zumal Franz J*** die Forderung nicht anerkannt hat (vgl. S 55) und der geltend gemachte Anspruch seiner Höhe nach im Laufe des Verfahrens divergierend beziffert wurde (vgl. ua S 48 und die Ablichtung des - ersichtlich im Sinn des § 7 OrganhaftpflichtG ergangenen - Aufforderungsschreibens vom 14.März 1985, Beilage I zum Hauptverhandlungsprotokoll, sowie die AS 172 im Band I und 274, 384, 385 im Band III des Aktes 6 b E Vr 4.576/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).

Die schon in erster Instanz ausgesprochene Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg war daher aufrecht zu erhalten und die Republik Österreich demgemäß mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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