OGH 13Os163/87

OGH13Os163/8721.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Jänner 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Rudolf C*** wegen des Verbrechens nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, 85 Z. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 24.September 1987, GZ. 19 a Vr 7/87-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Bruckschwaiger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate erhöht.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 16.Februar 1960 geborene Kraftfahrzeugspengler Rudolf C*** ist des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, 85 Z. 1 StGB (1) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt worden. Darnach hat er andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar am 29.April 1984 in Bregenz den Johann K*** durch einen heftigen Schlag mit einem Weinglas gegen dessen rechte Gesichtshälfte (tiefgreifende Fleischwunde im Gesicht, Knochenbrüche des Gesichtsschädels sowie eine perforierende Augenverletzung rechts mit nachfolgender, lange Zeit dauernder, schwerer Schädigung des Sehvermögens; 1) und am 12.August 1984 in Hörbranz den Johann P*** durch Niederschlagen (Gehirnerschütterung, Prellungen am Oberkörper und in der linken Gesichtshälfte sowie eine Schnittwunde an der Oberlippe; 2).

Den Schuldspruch wegen des Verbrechens (1) bekämpft der Angeklagte in der Qualifikation nach § 85 Z. 1 StGB mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde will zunächst in Bestreitung schwerer Dauerfolgen (§ 85 Z. 1 StGB) die Tat auch hinsichtlich der Augenverletzung bloß als schwere Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB beurteilt wissen. Indes bewirkte, den Gutachten zweier gerichtsärztlicher Sachverständiger zufolge, die Verletzung des rechten Auges des Johann K*** eine dauernde Minderung des Sehvermögens dieses Auges um 55 bis 60 Prozent (Urteilsfeststellungen S. 169 und 172). Gegen die Unterstellung dieser Verletzung unter die Erfolgsqualifikation des § 85 Z. 1 StGB (schwere Schädigung des Sehvermögens für immer oder lange Zeit) beruft sich der Angeklagte zum einen auf die durch den Sachverständigen Dr.Roderich F*** angenommene Minderung der Gebrauchsfähigkeit des verletzten Auges um nur 12 bis 15 % und die Reduzierung der Erwerbsfähigkeit K*** um 8 bis 10 Prozent; zum anderen darauf, daß die festgestellte Schädigung der Sehkraft nicht den Grad der im § 85 Z. 2 und 3 StGB angeführten Verletzungsfolgen erreicht habe.

Eine im Gesetz dem Verlust gleichgestellte schwere Schädigung des Sehvermögens, die naturgemäß nicht an anderen (vom § 85 StGB erfaßten) Verletzungsfolgen gemessen werden kann, liegt bereits in einer den Gebrauch dieses Sinnes erheblich beeinträchtigenden (bleibenden oder lange Zeit andauernden) Schwächung eines Auges (LSK. 1979/155; 13 Os 184/78; 13 Os 151/79). Eine solche Schwächung der Sehkraft ist festgestellt. Da somit Umfang und Dauer der konstatierten Sehkraftminderung (55 bis 60 %) ungeachtet der nicht im gleichen Ausmaß beeinträchtigten (sonstigen) Gebrauchsfähigkeit des betroffenen Auges und der nur um 8 bis 10 Prozent geminderten Erwerbsfähigkeit des Opfers als schwere Schädigung des Sehvermögens zu werten sind, hat das Erstgericht die Qualifikation des § 85 Z. 1 StGB zutreffend angenommen.

Soweit der Beschwerdeführer Urteilsfeststellungen "zur Frage, ob der schwere Erfolg von der Fahrlässigkeit des Angeklagten umfaßt war" vermißt, schlägt die Rechtsrüge ebensowenig durch. Gemäß § 7 Abs 2 StGB trifft eine schwerere Strafe, die an eine besondere Folge der Tat geknüpft ist, den Täter nur, wenn er diese Folge wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat. Das Verschulden an der schweren Augenverletzung ist sonach am § 6 StGB zu messen. Dieser verpönt die Vernachlässigung einer Sorgfalt, zu welcher der Täter nach den Umständen verpflichtet ist (objektive Sorgfaltswidrigkeit), zu deren Beachtung er geistig und körperlich befähigt (subjektive Sorgfaltswidrigkeit) und die ihm zuzumuten ist. Ist diese Sorgfaltsverletzung schon in der Annahme des Tatbestands (§ 83 Abs 1 StGB) verkörpert, dann bedarf es keiner gesonderten Feststellung einer speziellen Fahrlässigkeit in bezug auf die Qualifikation (§ 85 Z. 1 StGB). Das ist hier der Fall. Der Schlag mit dem Weinglas in das Gesicht (§ 83 Abs 1 StGB), dessen Wucht sogar Brüche des Schädelknochens (!) verursacht hat (S. 55 in Verbindung mit S. 163), war von einer derartigen Gefährlichkeit gekennzeichnet, daß über das vom Täter eingegangene Erfolgsrisiko kein Wort zu verlieren ist. Damit ist auch der die fahrlässige Herbeiführung des Verletzungserfolgs bestreitende Teil der Rechtsrüge erledigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Rudolf C*** nach §§ 28, 85 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Vorstrafen, mildernd hingegen, daß die Taten schon mehr als drei Jahre zurückliegen und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat sowie eine gewisse Provokation zum Verbrechen (1). Gemäß § 369 StPO wurde der Angeklagte ferner zur Zahlung von 15.000 S an Johannes K*** verpflichtet.

Der Angeklagte hat sogleich nach der Verkündung des Urteils Bedenkzeit erbeten (S. 164) und innerhalb der (gemäß § 6 Abs 2 StPO verlängerten) Frist der §§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO (neben der Nichtigkeitsbeschwerde) die "Berufung wegen Schuld und Zuspruch(s) an den Privatbeteiligten", nicht aber wegen Strafe angemeldet (S. 177, 178). Insoweit der Angeklagte in der Folge eine Berufung wegen Strafe ausgeführt hat (S. 185 bis 187), fehlt daher die korrespondierende Anmeldung eines solchen Rechtsmittels. Die Berufung des Angeklagten wegen Strafe war daher zurückzuweisen (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 3 StPO).

Mit der Berufung wegen Schuld war gleichermaßen zu verfahren, weil schon deren Anmeldung verfehlt war: sieht doch die Prozeßordnung ein solches Rechtsmittel gegen Entscheidungen von Kollegialgerichten nicht vor. Dieses Schicksal teilt aber auch gemäß §§ 296 Abs 2, 294 Abs 2 und 4 StPO die Berufung des Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis: Hat doch der Berufungswerber weder bei der Anmeldung dieses Rechtsmittels noch in einer Ausführung desselben "ausdrücklich" (§ 294 Abs 2 StPO) bzw. "deutlich und bestimmt" (§ 294 Abs 4 StPO) erklärt, in welcher Richtung (ob durch den Zuspruch dem Grund oder der Höhe nach) er sich beschwert findet (siehe 9 Os 104/86, 13 Os 110/87).

Hingegen erweist sich die Berufung der Anklagebehörde, die eine Erhöhung des Strafmaßes begehrt, als stichhältig. Zu Recht verweist die Staatsanwaltschaft auf den hohen Unrechtsgehalt der an Johannes K*** verübten Tat und das (darauf bezogen) gravierende Verschulden des Angeklagten: Wurde der Schlag vom Angeklagten doch mit solcher Wucht geführt, daß neben der traumatischen Schädigung des Auges auch zwei Knochen des Gesichtsschädels gebrochen sind (S. 55). Nicht genug daran, hat der Angeklagte noch während des wegen der Verletzung des K*** anhängigen Verfahrens am 12. August 1984 eine weitere Gewalttat, und zwar gegen den wegen seiner Alkoholisierung völlig passiven Johann P*** (2), verübt, welche nicht nur erneut die besondere Brutalität des Angeklagten erkennen ließ, sondern auch in ihren Auswirkungen im Rahmen ihrer Beurteilung als leichte Verletzung beträchtlich war (S. 13, 17 in ON. 5; S. 69 ff., in Verbindung mit S. 162 f.). Dazu kommt noch das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten, der das Verbrechen (1) beging, noch bevor ihm der Rest einer dreijährigen Freiheitsstrafe wegen eines der schwersten Gewaltverbrechen (§§ 142 Abs 1, 143 StGB) endgültig erlassen worden war.

Die Strafe war daher entsprechend anzuheben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte