OGH 7Ob61/87

OGH7Ob61/8721.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L'U*** DES A*** DE P*** (UAP), Direktion für Österreich, Wien 1., Schreyvogel 10, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Hanns Beinhofer, em. Rechtsanwalt, Wien 12., Jägerhausgasse 12/4, wegen S 1,482.381 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23. September 1987, GZ 11 R 196, 198/87-9, womit Punkt 2. des Beschlusses des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Juli 1987, GZ 28 Cg 110/87-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte hat am 30. April 1986 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und ist seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in die Rechtsanwaltsliste eingetragen. Die klagende Partei behauptet, auf Grund einer Vertrauensschadenversicherung an Klienten des Beklagten Versicherungsleistungen in Höhe von S 1,482.381 erbracht zu haben. Gestützt auf § 67 VersVG und auf ein Anerkenntnis des Beklagten begehrt sie mit der am 24. April 1987 eingebrachten Klage den Ersatz dieses Betrages samt Anhang. Die Klagebeantwortung des Beklagten weist nicht die Unterschrift eines in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsanwaltes auf, sondern nur die Unterschrift des Beklagten.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 20. Juli 1987 (ON 5) den Antrag des Beklagten auf Erstreckung der Tagsatzung vom 3. September 1987 ab, erklärte mit Beschluß vom 15. Juli 1987 (ON 6) die Rechtssache zur Ferialsache (Punkt 1. des Beschlusses) und erteilte dem Beklagten den Auftrag zur Verbesserung der Klagebeantwortung durch Beibringung der Unterschrift eines Rechtsanwaltes binnen 3 Wochen (Punkt 2. des Beschlusses). Gegen den Beschluß vom 20. Juli 1987 und gegen Punkt 2. des Beschlusses vom 15. Juli 1987 erhob der Beklagte Rekurs. Das Rekursgericht wies den Rekurs im Umfang der Anfechtung des Beschlusses vom 20. Juli 1987 mangels Beschwer des Rechtsmittelwerbers zurück, weil die Tagsatzung, deren Erstreckung vom Beklagten erfolglos beantragt worden war, inzwischen von amtswegen abberaumt wurde. Den Beschluß vom 15. Juli 1987 änderte das Rekursgericht im Umfang der Anfechtung dahin ab, daß es den Verbesserungsauftrag behob.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes gilt die Befreiung von Anwaltszwang nach § 28 ZP0 seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch für Rechtsanwälte im (nicht disziplinär verfügten) Ruhestand.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den abändernden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Nach den §§ 84 Abs.1 und 85 Abs.3 ZPO ist gegen Beschlüsse, mit denen eine Verbesserung eines Schriftsatzes unter Setzung einer Frist aufgetragen wurde, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (so auch Fasching LB Rz 515 und 517; Neumann, Kommentar4 I 634; Arb. 8.485; 3 Ob 110/86; aM Fasching II 561 unter Berufung auf die nicht ganz zutreffende Entscheidung RSp 1936, 262; EvBl. 1971/296). Bei einem aufgeschobenen Rekurs können die Parteien aber ihre Beschwerden gegen den anzufechtenden Beschluß mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen (§ 515 ZPO). Im vorliegenden Fall war die nächstfolgende selbständig anfechtbare Entscheidung der Beschluß des Erstgerichtes, mit dem der Antrag des Beklagten auf Erstreckung der Tagsatzung vom 3. September 1987 abgewiesen wurde. Daß der Rekurs des Beklagten gegen diese Entscheidung letztlich wegen nachträglichen Wegfalls der Beschwer als unzulässig zurückgewiesen wurde, ändert daran nichts. Sinn des aufgeschobenen Rekurses ist es, nicht durch ein selbständiges Rechtsmittelverfahren den Prozeß zu verzögern. Für die Zulässigkeit der Verbindung des aufgeschobenen Rekurses kann es demnach nicht darauf ankommen, daß die im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels gegebene Beschwer betreffend jenes Rechtsmittels, mit dem der aufgeschobene Rekurs verbunden wurde, nachträglich weggefallen ist. Es entspräche nicht dem dem § 515 ZPO zugrunde liegenden Gedanken der Prozeßökonomie, eine Partei zu unnützen Rechtsmitteln zu veranlassen. Zu Recht hat daher das Rekursgericht den Rekurs des Beklagten gegen den Verbesserungsauftrag sachlich behandelt. Der Auffassung des Rekursgerichtes kann jedoch nicht gefolgt werden.

Nach § 28 Abs.1 ZPO aF bedurften Rechtsanwälte, Notare sowie die zur Ausübung des Richteramtes befähigten und bei Gericht angestellten Personen, wenn sie in einem Rechtsstreite als Partei einschritten, weder in der ersten noch in einer höheren Instanz der Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Für den dritten Personenkreis mußten beide der im Gesetz genannten Voraussetzungen (Befähigung zum Richteramt und Anstellung bei Gericht) zutreffen. Es waren daher weder Konzeptbeamte des Bundesminsteriums für Justiz noch im Ruhestand befindliche Richter vom Anwaltszwang ausgenommen. Für Rechtsanwälte galt nach einhelliger Ansicht diese Begünstigung nur, solange sie in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen waren. Sie durften also weder freiwillig auf ihr Amt verzichtet haben noch kraft Gesetzes die Befähigung zur Rechtsanwaltschaft verloren haben noch durch Disziplinarerkenntnis von der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden sein (Fasching II 256; Neumann aaO 492; Petschek, Der österreichische Zivilprozeß 161; EvBl. 1983/33).

Durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 wurden im Abs.1 des § 28 ZPO die Worte "und bei Gericht angestellten" gestrichen. Durch diese Streichung sollte nicht nur - wie bisher - aktiven Richtern und Staatsanwälten, sondern auch im Ruhestand befindlichen Richtern und Staatsanwälten und etwa Konzeptsbeamten des Bundesministerium für Justiz oder der Finanzprokuratur, die ja die Richteramts- oder Rechtsanwaltsprüfung abgelegt haben, ermöglicht werden, auch im Anwaltsprozeß ihre Rechtsstreite selbst zu führen. Diese Regelung entspreche dem § 24 Abs.2 VwGG 1965 (669 BlgNR 15. GP 46). Erklärtes Ziel der Neuregelung war es somit, wie sich aus dem ausdrücklichen Hinweis auf § 24 Abs.2 VwGG ergibt, die Begünstigung des § 28 ZPO vornehmlich auf Kozeptsbeamte des Bundesministeriums für Justiz und der Finanzprokuratur, aber auch auf im Ruhestand befindliche Richter und Staatsanwälte zu erstrecken. Der Gesetzgeber hat es jedoch unterlassen, für im Ruhestand befindliche Rechtsanwälte (und Notare) eine ähnliche Regelung zu treffen. Es kann nicht unterstellt werden, daß dem Gesetzgeber unbekannt war, daß Rechtsanwälte im Ruhestand die Begünstigung nicht genießen. Hat er es aber dennoch unterlassen, die Rechtsfolge der Gesetzesnovellierung auch auf diese Personen zu erstrecken, ist der Schluß gerechtfertigt, daß diesen Personen die Begünstigung nach der Absicht des Gesetzgebers auch weiterhin nicht zukommen soll. Auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 ist daher daran festzuhalten, daß Rechtsanwälte, die auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet haben oder von der Rechtsanwaltsliste gestrichen wurden, für ein erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitetes Verfahren nicht mehr die Begünstigung des § 28 Abs.1 ZPO in Anspruch nehmen können (vgl. Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht Rdz 190). Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.2 ZPO.

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