OGH 12Os156/88

OGH12Os156/8819.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Jänner 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zeh als Schriftführer, in der Strafsache gegen Emanuela K***-P*** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 26. Februar 1988, GZ 15 Vr 75/88-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und der Angeklagten jedoch in Abwesenheit eines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,

1. im Ausspruch, daß Emanuela K***-P*** bei den Tathandlungen laut I 1 und 2 des Urteilssatzes das Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider außer den Fällen der §§ 12 und 14 a Suchtgiftgesetz anderen teils überlassen, teils dies versucht hat, demnach in der rechtlichen Beurteilung dieser Taten als Vergehen nach § 16 Abs. 1, sechster Fall, SuchtgiftG sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung), ferner in dem auf § 16 Abs. 3 SuchtgiftG gestützten Ausspruch über die Einziehung der Suchtgiftteilmenge von 100 Gramm Cannabisharz (I 2) und

2. im Freispruch

aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emanuela K***-P*** - entgegen dem (auch und vor allem) wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, § 15 StGB erhobenen Anklagevorwurf (lediglich) - (zu I 1 bis 3) des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB gebliebenen Vergehens nach § 16 Abs. 1, vierter bis sechster Fall, SuchtgiftG, und (zu II) - insoweit unangefochten - des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Von der weiteren Anklage, eine geringe Menge Heroin erworben und besessen und (auch) hiedurch das Vergehen nach § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG begangen zu haben, wurde sie gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dieses Urteil wird von der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Schuldspruchfakten I 1 und 2 sowie des Freispruchs mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 , 9 lit. a und 10 (der Sache nach indes nur Z 5) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist begründet.

Zur Anfechtung des Schuldspruchs:

Nach den Urteilsfeststellungen hat die Angeklagte am 26. September 1987 von ihrem geschiedenen Ehemann in Klagenfurt zumindest 270 Gramm Cannabisharz erworben, wovon sie noch am selben Tag 100 Gramm an Helmut R*** und 30 Gramm an Herbert T*** verkaufte (I 1), sowie weitere 100 Gramm den Genannten am 30. September bzw. 3.Oktober (im Urteilsspruch unrichtig: Juli) 1987 zu verkaufen versuchte (I 2). Letztere Menge (100 Gramm) und weitere 35,84 Gramm Cannabisharz, welche die Angeklagte für den eigenen Verbrauch bestimmt hatte (I 3), wurden am 4.Oktober 1987 sichergestellt. Als Wirkstoffgehalt des beschlagnahmten Suchtgiftes nahm das Erstgericht auf Grund eines Untersuchungsberichtes der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Klagenfurt und der Aussagen des Zeugen Hans V***, der diesen Bericht verfaßt hatte (S 61 f, 149), eine Konzentration von ca. 2,5 % als erwiesen an, woraus sich für die untersuchte Quantität (135,84 Gramm) ein Wirkstoffgehalt von 3,39 Gramm Reinsubstanz (THC) errechnet. Hinsichtlich des nicht sichergestellten Restes - hauptsächlich also der bereits in Verkehr gesetzten Menge von 130 Gramm (I 1) - erachtete das Gericht eine Feststellung des Wirkstoffgehaltes für unmöglich (S 154).

Mit Recht bemängelt (Z 5) die Staatsanwaltschaft, daß das Gericht bei Feststellung eines Wirkstoffgehaltes von 2,5 % THC den (von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt im Nachhang zu ihrer Anzeige übermittelten und in der Hauptverhandlung als deren Bestandteil ersichtlich verlesenen - S 149) Untersuchungsbefund der Kriminaltechnischen Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres vom 7.Jänner 1988 (S 125 ff = S 135 ff) völlig übergangen hat, wonach das von dieser Stelle untersuchte - allem Anschein nach identische (S 165) - Cannabisharz eine THC-Konzentration von 12,5 %, dementsprechend die dort untersuchte Menge von 133,7 Gramm Cannabisharz also eine Reinsubstanz von 16,7 Gramm THC aufwies. Unter Berücksichtigung dieser Konzentration würde sich bei gleicher Qualität des gesamten von der Angeklagten teils in Verkehr gesetzten, teils in Verkehr zu setzen versuchten Suchtgifts von 230 Gramm (I 1 und 2) eine Reinsubstanz von weit mehr als 20 Gramm (rechnerisch genau: 28,75 Gramm) ergeben, die als große Menge im Sinn des Tatbildes des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG anzusehen wäre. Auch in bezug auf die im gegebenen Zusammenhang entscheidungswesentliche Frage der einheitlichen Qualität des sichergestellten und des in Verkehr gesetzten Suchtgifts (I 1) liegen Beweisergebnisse vor, die das Gericht bei seiner ohne Begründung gebliebenen Annahme, hinsichtlich dieser Qualität könne keine Feststellung getroffen werden (S 154), außer acht gelassen hat. Nach der in der Hauptverhandlung aufrechterhaltenen Verantwortung der Angeklagten im Vorverfahren stammte nämlich das in Verkehr gesetzte Suchtgift aus einer Haschischplatte von 250 Gramm, die sie zu diesem Zweck in kleinere Stücke zerschnitt (S 105 f, 148). Nach Verkauf von 130 Gramm müßte daher der Rest von 120 Gramm aus der zerkleinerten Haschischplatte in der sichergestellten und auf ihren Wirkstoffgehalt untersuchten Menge von 135,84 Gramm enthalten sein, woraus der Schluß auf eine einheitliche Qualität des (verkauften und zu verkaufen getrachteten) Suchtgifts möglich wäre. Zufolge der aufgezeigten Begründungsmängel betreffend die entscheidungswesentliche Tatsache des Reinsubstanzgehalts des Suchtgifts als Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob entsprechend dem Anklagevorwurf eine große Menge im Sinne des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG vorliegt, ist das Urteil in Ansehung der Schuldsprüche I 1 und 2 nichtig nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO. Im erneuerten Verfahren wird vor allem zu prüfen sein, ob die einander widersprechenden Befunde tatsächlich den selben Gegenstand betroffen haben (vgl. auch die auf S 125 = 135 aufscheinenden Angaben über die Geschäftszahl der Erhebungen und den Sicherstellungsort). Für den Fall der Annahme einer großen Suchtgiftmenge im Sinne des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG wird es auch einer Feststellung zur subjektiven Tatseite dahin bedürfen, ob der (wenigstens bedingte) Tätervorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) die Eignung der Suchtgiftmenge umfaßt hat, im Fall einer (auch nur gedachten) Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (Leukauf-Steininger, Nebengesetze, 2.ErgH 1985, S 51; LSK 1986/84).

Zur Anfechtung des Freispruchs:

Die Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagten in Übereinstimmung mit deren - wenngleich in der Hauptverhandlung widerrufenem - Geständnis im Vorverfahren (S 109, 148) ferner zur Last gelegt, am 2. Oktober 1987 von Josef S*** eine geringe Menge Heroin erworben zu haben.

Das Erstgericht begründet den diesbezüglichen Freispruch damit, daß Josef S*** seinerseits von der korrespondierenden Anklage mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14.Dezember 1987, GZ 18 U 710/87-3, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden ist. Auch in diesem Fall erhebt die Anklagebehörde zu Recht den Vorwurf einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe:

Abgesehen davon, daß das Gericht den Freispruch unter Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit (§ 258 Abs. 1 StPO) auf den dem Protokoll über die Hauptverhandlung zufolge in derselben weder verlesenen noch referierten Inhalt der Akten des Bezirksgerichtes, insbesondere des erwähnten Urteiles stützt, hätte es bei Beachtung der Begründungspflicht (§§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z 5 StPO) einer Erörterung der Tatsache bedurft, daß an einer der bei der Angeklagten beschlagnahmten Einwegspritzen eine wenn auch nur sehr geringe positive Reaktion auf Opiate festgestellt wurde (S 63, 149), welcher Umstand unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Geständnisses der Angeklagten, sich Heroin injiziert zu haben (S 109, 148), nicht hätte übergangen werden dürfen. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher spruchgemäß zu erkennen.

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