OGH 6Ob1/88

OGH6Ob1/8814.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Handelsregistersache der W*** Transport Gesellschaft mbH mit dem Sitz in St. Anton am Arlberg infolge Revisionsrekurses der Finanzprokuratur gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 17. November 1987, GZ 3 R 306/87-20, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Oktober 1987, GZ HRB 2201-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Handelsregister des Erstgerichtes ist seit 5. September 1975 zu HRB 2201 die W*** Transport Gesellschaft mbH mit dem Sitz in St. Anton am Arlberg eingetragen. Das Stammkapital beträgt 100.000 S. Das Erstgericht brachte mit Beschluß vom 23. Jänner 1987, ON 15, der Gesellschaft zur Kenntnis, daß gemäß Artikel III § 4 des Bundesgesetzes vom 2. Juli 1980, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geändert wird, BGBl. Nr. 320 (im folgenden: GmbHNov. 1980), alle am 1. Jänner 1986 bestehenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung, wenn das Stammkapital geringer als 500.000 S sei, eine Stammkapitalerhöhung auf mindestens 500.000 S durchzuführen, den Gesellschaftsvertrag diesbezüglich anzupassen und zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden haben. Die Geschäftsführer würden "dringend ersucht", binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses einen notariell beurkundeten Generalversammlungsbeschluß, mit welchem die Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die bestehenden gesetzlichen Vorschriften beschlossen worden sei, zum Handelsregister anzumelden. Sollte diese Aufforderung nicht befolgt werden, müßte nach fruchtlosem Ablauf dieser gesetzlichen Frist die Gesellschaft von Amts wegen aufgelöst werden. Die Auflösung werde mit dem Tage ihrer Eintragung in das Handelsregister wirksam. Ergebe sich nach Auflösung der Gesellschaft deren Vermögenslosigkeit, werde das Verfahren zur amtswegigen Löschung der Gesellschaft eingeleitet. Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist von sechs Monaten sprach das Erstgericht mit Beschluß vom 1. September 1987, ON 16, aus, daß die Gesellschaft gemäß Art. III § 8 GmbHNov 1980 aufgelöst sei. Die Auflösung trete mit dem Tage ihrer amtswegigen Eintragung in Wirksamkeit. Infolge Vermögenslosigkeit der Gesellschaft beabsichtige das Registergericht deren Löschung gemäß § 2 AmtslöschungsG in Verbindung mit § 141 FGG. Der Geschäftsführer werde von der beabsichtigten Löschung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, einen allfälligen Widerspruch binnen einem Monat einzubringen, widrigenfalls die beabsichtigte Löschung durchgeführt werde. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde der Gesellschaft am 4. September 1987 zugestellt.

Am 22. September 1987 ordnete das Erstgericht die Eintragung der gemäß Artikel III § 8 GmbHNov 1980 erfolgten Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister an. Die Eintragung wurde am 23. September 1987 durchgeführt.

Mit dem am 2.Oktober 1987 überreichten Schriftsatz ON 16 b erhoben die Geschäftsführer der Gesellschaft gegen die beabsichtigte Löschung innerhalb der dafür bestimmten Frist Widerspruch. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht erfolgt. In der selben Eingabe stellten die Geschäftsführer weiters den Antrag, die Fortsetzung der Gesellschaft und die Kapitalerhöhung von 100.000 S auf 500.000 S im Handelsregister einzutragen. Sie legten eine beglaubigte Fotokopie des am 1.Oktober 1987 gefaßten und notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses, die Gesellschaft fortzusetzen und deren Stammkapital auf 500.000 S zu erhöhen vor, weiters ehne steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, eine Bankbestätigung über die Einzahlung eines Teilbetrages der beschlossenen Kapitalerhöhung, eine zum 1. Jänner 1987 erstellte Gesellschafterliste und eine neue Gesellschafterliste.

Das Erstgericht wies diesen Registerantrag ab und führte aus, eine durch Gerichtsbeschluß gemäß Artikel III § 8 GmbHNov 1980 aufgelöste Gesellschaft mbH könne nicht fortgesetzt werden. Den die Möglichkeit einer Fortsetzung befürwortenden Lehrmeinungen sei entgegenzuhalten, daß die gesetzliche Regelung den Bestimmungen des § 51 des Schillingeröffnungsbilanzgesetzes nachgebildet sei und eine überaus lange Übergangsfrist sowie eine Nachfrist von sechs Monaten vorsehe. In der zum § 51 Schillingeröffnungsbilanzgesetz ergangenen Entscheidung EvBl. 1958/224 habe der Oberste Gerichtshof eine nachträgliche Anmeldung für unzulässig erklärt.

Das Rekursgericht gab dem von den Gesellschaftern gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs nicht Folge. Es führte aus, zu der im Schrifttum nicht einheitlich beantworteten Frage, ob für die Gesellschafter einer nach Artikel III § 8 GmbHNov. 1980 aufgelösten Gesellschaft grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, die aufgelöste Gesellschaft fortzusetzen, brauche hier nicht abschließend Stellung genommen werden, weil selbst die Befürworter einer Fortsetzungsmöglichkeit die Anmeldung und Eintragung der Fortsetzung in das Handelsregister von hier nicht erfüllten Voraussetzungen abhängig machten. So verlange Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 693 a) einen notariell beurkundeten Fortsetzungsbeschluß; b) den Nachweis der (Neu)bestellung der Geschäftsführer; c) die Angabe der Art ihrer Vertretungsbefugnis; d) das Geschäftsführerverzeichnis mit Namen, Beruf, Wohnsitz und gewÄhnlichem Aufenthalt der Geschäftsführer;

e) die beglaubigten Unterschriften (Musterzeichnungen) der Geschäftsführer; f) bei zwischenzeitigen Änderungen eine neue Gesellschafterliste; g) eine von sämtlichen Geschäftsführern beglaubigt unterfertigte Erklärung des Inhaltes, daß eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter noch nicht erfolgt oder daß ein bereits verteilter Liquidationsüberschuß an die Gesellschaft zurückbezahlt worden sei; h) bei Fortsetzung einer nach dem Amtslöschungsgesetz gelöschten Gesellschaft mbH die zusätzliche Erklärung, daß die Gesellschaft nicht zahlungsunfähig sei, sowie die Vorlage eines Vermögensstatus oder einer Bilanz neuesten Datums zum Nachweis, daß die Gesellschaft nicht überschuldet sei (ähnlich Kostner, GmbH3 149 f). Die unter b), c), d) und e) angeführten, hier aber nicht erbrachten Nachweise seien unerläßlich, weil gleichzeitig mit dem Fortsetzungsbeschluß neue Geschäftsführer zu bestellen und zum Handelsregister anzumelden seien. Ein Umkehrschluß aus § 89 Abs 2 GmbHG in der Richtung, daß aus Liquidatoren Geschäftsführer würden, sei unzulässig. Das Erstgericht habe die beantragten Eintragungen daher im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Auf der Basis des derzeitigen Meinungsstandes gebühre den eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft als zulässig bezeichneten Lehrmeinungen von Reich-Rohrwig und Csoklich, RdW 1987, 74 ff der Vorzug. Beide Autoren verwiesen zutreffend darauf, daß durch die Übergangsvorschriften der GmbHNov 1980 die Anpassung des Gesellschaftsvertrages oder der Kapitalausstattung an die neuen Vorschriften herbeigeführt werden solle; werde dieser Zweck - wenn auch nachträglich bzw. mit Verspätung - erreicht, so verliere die gerichtlich verfügte Auflösung der Gesellschaft mbH ihren Sinn; die Auflösung würde die Gesellschafter als abstrakte Folge ihres "Ungehorsams" unverhältnismäßig hart treffen. Von Gewicht sei auch, daß sich der Gesetzgeber mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 die Aufrechterhaltung bestehender Unternehmen verstärkt zum Ziel gesetzt habe; die Begünstigung der Fortführung von Unternehmen entspreche daher seiner Absicht. Aus diesen Gründen sei die teleologische Reduktion der Übergangsbestimmungen des genannten Gesetzes dahin vertretbar, daß die Auflösung von im Handelsregister noch nicht gelöschter Gesellschaften nur so lange gelten solle, als diese nicht an die Übergangsvorschriften angepaßt seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen, an die Gesellschafter am 1. Dezember 1987 zugestellten Beschluß des Rekursgerichtes brachte die Finanzprokuratur - gestützt auf § 1 Abs 3 Prokuraturgesetz - am 9. Dezember 1987 einen Revisionsrekurs ein, der jedoch nicht zulässig ist.

Die Finanzprokuratur führt im wesentlichen aus, eine vom Gericht vorgenommene Auflösung einer Gesellschaft könne nicht durch Beschluß der Gesellschafter unwirksam gemacht werden. Den Gesellschaftern sei ein Zeitraum von nahezu sieben Jahren zur Verfügung gestanden, um die Gesellschaft den geänderten Bestimmungen anzupassen. Wenn ein so langer Zeitraum nicht genützt werde, fehle es auch an einem schutzwürdigen Interesse, nach der Entscheidung des Registergerichtes noch einen Fortsetzungsbeschluß der Gesellschafter zuzulassen. Das Erstgericht habe daher den Antrag zu Recht abgewiesen. Das Rekursgericht hätte nach seiner Begründung zu einer Stattgebung des Rekurses gelangen müssen, die angefochtene Entscheidung sei daher widersprüchlich. Da ein erhebliches Interesse daran bestehe, daß durch eine höchstgerichtliche Entscheidung klar gestellt werde, welche rechtlichen Folgen eine Säumigkeit bei Erfüllung der gesetzlichen Anordnungen gemäß Artikel III GmbHNov 1980 habe, sehe sich die Prokuratur zur Erhebung dieses Rekurses veranlaßt, zumal nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck nicht klar sei, ob dem Rekursbegehren der Geschäftsführer Folge gegeben werden solle oder nicht, wobei im erstgenannten Fall der Entscheidungstenor mit den Gründen nicht übereinstimme.

Am 18. Dezember 1987 brachte die Finanzprokuratur eine Ergänzung ihres Revisionsrekurses ein, in welcher sie ausführte, formalrechtliche Erwägungen erforderten ein auf Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung gerichtetes Begehren. Bei Abfassung des Revisionsrekurses sei in dieser Beziehung ein Mangel unterlaufen. Im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichtes, den eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft als zulässig bezeichnenden Lehrmeinungen sei der Vorzug zu geben, werde der Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die beantragte Eintragung einer Fortsetzung der Gesellschaft bewilligt werde. Gemäß § 1 Abs 3 Prokuraturgesetz ist die Finanzprokuratur berufen, zum Schutz öffentlicher Interessen vor allen Gerichten und Verwaltungsbehörden einzuschreiten, wenn sie von der zuständigen Behörde in Anspruch genommen wird oder die Dringlichkeit des Falles ihr sofortiges Einschreiten erfordert. Eine allgemeine Kontrollbefugnis und damit eine allgemeine Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis wurde der Finanzprokuratur damit aber nicht eingeräumt (Fasching, Komm. II, 8; JBl. 1959, 240; JBl. 1969, 612; EFSlg. 46.716 ua). Die Rechtsprechung bejaht allerdings aus Gründen des öffentlichen Interesses ein Rekursrecht der Finanzprokuratur gegen Registereintragungen (Friedl-Schinko in Straube, HGB, Rz 10 zu § 8; SZ 48/43 ua). So wurde ausgesprochen, daß die Frage, ob eine Eintragung im Handelsregister den Tatsachen entspricht und ob ein dort ersichtlich gemachtes Vertretungsverhältnis eine rechtswirksame Vertretung darstellt, öffentliche Interessen berühre, sodaß die Rekurslegitimation der Finanzprokuratur zu bejahen sei (RZ 1972, 184). Im vorliegenden Fall ist aber nicht die Rechtmäßigieit einer Eintragung im Handelsregister zu beurteilen, denn die Vorinstanzen haben die Eintragung abgelehnt. Die Gesellschafter haben die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht bekämpft, sondern einen neuerlichen, offensichtlich auf Grund der Ausführungen des Rekursgerichtes ergänzten Antrag beim Erstgericht eingebracht, über welchen noch nicht entschieden wurde. Öffentliche Interessen, die eine Rekurslegitimation der Finanzprokuratur begründen könnten, wurden durch die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht verletzt. Dazu kommt noch, daß die Finanzprokuratur in ihrem Revisionsrekurs - der abgesehen von der Frage der Rekurslegitimation nur aus den Gründen des § 16 Abs 1 AußStrG zulässig sein könnte - ohnedies die Ansicht vertritt, das Eintragungsbegehren sei abzuweisen, und lediglich die als "obiter dictum" vom Rekursgericht beigeführten Ausführungen bekämpft, nach welchen eine Fortsetzung der bereits aufgelösten Gesellschaft möglich sein sollte. In der Erkenntnis, die bloße Begründung der angefochtenen Entscheidung auf keinen Fall bekämpfen zu können, wurde dann in der Ergänzung der Rechtsmittelschrift ein im Widerspruch zu den Rechtsmittelausführungen stehender Abänderungsantrag gestellt. Mangels Rechtsmittellegitimation der Finanzprokuratur war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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