OGH 4Ob315/86

OGH4Ob315/8612.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Versicherungsbüro Dr. Ignaz F***, Wien 1., Wipplingerstraße 29, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann und Dr. Eduard Klingsbigl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter P***, Versicherungsmakler, Wien 15., Reichsapfelgasse 27, vertreten durch Dr. Rupert Faltl, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 550.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31.Oktober 1985, GZ 2 R 182/85-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.April 1985, GZ 18 Cg 108/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 15.998 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Barauslagen, 1.454 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist zur Ausübung des Gewerbes eines Beraters in Versicherungsangelengenheiten (§ 103 Abs 1 lit b Z 2 GewO) befugt (Beilage 1). Er ließ im Jahr 1984 in den Fachzeitschriften "Der Straßengüterverkehr" (Beilage A) und "Verkehr" (Beilage B) Inserate einschalten, in denen er sich als "Versicherungsmakler" sowie als "CMR u. SVS Spezialist" (Beilage A) bzw. "CMR, SVS und Transportversicherungsspezialist" (Beilage B) bezeichnete.

Die Klägerin ist die "beauftragte Bearbeitungsstelle" der am "Speditionsversicherungsschein" (SVS) beteiligten Versicherungsgesellschaften. Sie beantragt die Verurteilung des Beklagten, ab sofort die Behauptung zu unterlassen, er sei "SVS-Spezialist", sofern er nicht gleichzeitig deutlich zum Ausdruck bringe, daß er nicht zur Bearbeitung und Vermittlung derartiger Versicherungen berechtigt ist; außerdem begehrt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Beklagten in der Zeitschrift "Verkehr". Wie sich schon aus § 39 der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) ergebe, beziehe sich der Begriff des "Speditionsversicherungsscheins" (SVS) ausschließlich auf die von der Klägerin vertretene Versicherung; er sei den beteiligten Verkehrskreisen seit langem bekannt und habe insoweit "Verkehrsgeltung" erlangt. Im Gegensatz zur Klägerin, welche allein berechtigt sei, den SVS zu bearbeiten - also Prämienanmeldungen und Schadensmeldungen entgegenzunehmen sowie Schäden zu liquidieren -, sei der Beklagte weder befugt, die den SVS "betreibenden" Versicherungsgesellschaften zu vertreten, noch in der Lage, einen SVS-Versicherungsschutz zu vermitteln. Da nur die Eindeckung einer Speditionsversicherung nach dem SVS gemäß § 41 lit a AÖSp den Spediteur haftungsfrei mache, sei die Bezeichnung des Beklagten als "SVS-Spezialist" zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Richtig sei, daß ihn die am SVS beteiligten Versicherungsgesellschaften (§ 19 SVS) nicht zu ihrer Vertretung ermächtigt hätten. Das Wort "Speditionsversicherungsschein" sei aber nichts anderes als die Bezeichnung eines besonderen, bei den Spediteuren in Verwendung stehenden Versicherungsvertrages, wie er nicht nur von der Klägerin, sondern auch von anderen Versicherern mit zumindest gleichem Deckungsumfang verkauft werde. Die Verweisung des § 39 AÖSp auf den "Speditionsversicherungsschein", in welchem die Klägerin als "beauftragte Bearbeitungsstelle" bezeichnet werde, lasse deutlich erkennen, daß die - den Spediteuren von ihrer Interessenvertretung als Allgemeine Geschäftsbedingungen empfohlenen - AÖSp "nicht mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten Schritt hielten"; die angesprochenen Verkehrskreise würden vielmehr durch dieses unzulässige Empfehlungskartell veranlaßt, ihre Verträge "beim Monopolisten abzuschließen". Für ihre Behauptung, daß der Begriff des "Speditionsversicherungsscheins" (SVS) ausschließlich mit der von der Klägerin vertretenen Versicherung in Verbindung gebracht werde, habe die Klägerin nicht einmal einen Beweis angeboten. Mit der Bezeichnung "SVS-Spezialist" habe der Beklagte lediglich auf seine besonderen Kenntnisse im Bereich der Speditionsversicherung hingewiesen, welche ihn in die Lage versetzten, seine gewerbebehördlich genehmigte Beratungstätigkeit auch im Zusammenhang mit dem von der Klägerin angebotenen SVS auszuüben. Eine Behauptung, daß er den von der Klägerin vermittelten Versicherungsschutz gleichfalls vermitteln könne, sei den beiden Inseraten nicht zu entnehmen. Tatsächlich sei der Beklagte imstande, Speditionsversicherungsscheine der "N*** S***

Allgemeinen Versicherungs-Gesellschaft" und der "Sun Insurance Office Limited" zu verkaufen.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:

Weder die in § 19 SVS genannten Versicherer noch die Klägerin als deren Vertreterin haben dem Beklagten das Recht eingeräumt, den SVS zu bearbeiten; eine solche Befugnis des Beklagten kann auch aus keinem anderen Rechtsgrund abgeleitet werden.

Der Beklagte arbeitet mit - zum Teil

ausländischen - Versicherungsgesellschaften zusammen, die Versicherungsverträge iS des § 39 AÖSp anbieten. Solche Speditionsversicherungen, welche nach den Behauptungen des Beklagten zumindest den Deckungsumfang des SVS garantieren, zum Teil aber auch darüber hinausgehen, werden u.a. von der "N***

S*** Allgemeinen Versicherungs-Gesellschaft"

(Beilagen E, 4), von der "Sun Insurance Office Limited" (Beilage 2) und von der L*** Transport Assekuranz Versicherungs-Vermittlungsgesellschaft mbH" (Beilage 3) - allerdings in keinem Fall unter der Bezeichnung "Speditionsversicherungsschein" oder "SVS" - angeboten.

Die periodischen Druckschriften "Der Straßengüterverkehr" und "Verkehr" sind im österreichischen Speditionsgewerbe bekannt und somit in der Lage, Spediteure als potentielle Kunden beider Parteien zu erreichen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß der Beklagte durch die gleichzeitige Verwendung der Bezeichnungen "Versicherungsmakler" und "SVS-Spezialist" zumindest bei einem Teil des fachkundigen Publikums den unrichtigen Eindruck erweckt habe, er sei im Zusammenhang mit dem "SVS" nicht nur zur Beratung, sondern auch zur Vermittlung befugt. Daß aber in den von der Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreisen - also im Güterbeförderungsgewerbe - unter der Bezeichnung "SVS" ganz überwiegend nur die von der Klägerin bearbeitete und vertretene Speditionsversicherung verstanden werde, sei nach den im Speditionsgewerbe üblicherweise verwendeten AÖSp mit ihrem ausdrücklichen Hinweis auf den "Speditionsversicherungsschein" (SVS) nicht zu bezweifeln. Ein absolutes Freihaltebedürfnis an dieser Bezeichnung sei schon deshalb zu verneinen, weil nicht festgestellt werden könne, daß in Österreich auch andere Versicherungsleistungen als "SVS" angeboten würden.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos; das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes erweise sich auch die Rechtsrüge der Berufung als nicht begründet. Selbst wenn für die Bezeichnung "Speditionsversicherungsschein" als Wort der Fachsprache ein absolutes Freihaltebedürfnis bestehen sollte, gelte dies doch keinesfalls für die Abkürzung "SVS", welche von den angesprochenen Verkehrskreisen nur auf die von der Klägerin vertriebene und bearbeitete Versicherungsleistung bezogen werde. Da auch die Mitbewerber der am SVS beteiligten Versicherer diese Verkehrsgeltung respektierten und ihre Leistungen nicht unter der Bezeichnung "SVS" anböten, habe der Beklagte jedenfalls einen Verstoß gegen § 9 Abs 3 UWG zu verantworten, wenn er die nur für die Versicherungsleistungen der Klägerin verkehrsübliche Bezeichnung "SVS" auch für sein eigenes Angebot verwende.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Beklagten mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Der Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die vom Beklagten gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Beklagte vor allem gegen die Annahme der Vorinstanzen, die Bezeichnung "Speditionsversicherungsschein" oder - abgekürzt - "SVS" habe Verkehrsgeltung für die Klägerin erlangt. Ein Beweis hiefür sei von der Klägerin nicht erbracht worden; ohne derartige Verkehrsgeltung komme aber weder dem rein beschreibenden Wort "Speditionsversicherungsschein" noch dessen Abkürzung "SVS" der Schutz nach § 9 UWG zu. Dieses Rechtsmittelvorbringen geht ebenso am Kern der Sache vorbei wie die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes, welches zumindest für die Abkürzung "SVS" ein "absolutes Freihaltebedürfnis" verneint und demgemäß einen Verstoß des Beklagten gegen § 9 Abs 3 UWG angenommen hat:

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nicht um die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Wort "Speditionsversicherungsschein" und/oder seine Abkürzung "SVS" als Kennzeichen eines Unternehmens gemäß § 9 UWG gegen Mißbrauch durch Dritte geschützt ist; es kommt vielmehr darauf an, ob die Bezeichnung "SVS-Spezialist" iS des § 2 UWG zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über das Leistungsangebot des Beklagten geeignet ist. Ob die Bezeichnung "Speditionsversicherungsschein" iS des § 9 Abs 3 UWG "innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Unternehmens" der Klägerin gilt, ist somit ebensowenig von Bedeutung wie die Frage eines allfälligen "(absoluten) Freihaltebedürfnisses" des Geschäftsverkehrs, welches einer Monopolisierung dieses Wortes zugunsten der von der Klägerin vertretenen Versicherung entgegenstehen könnte. Die Entscheidung über den auf § 2 UWG gestützten Urteilsantrag der Klägerin hängt vielmehr allein davon ab, ob zumindest ein nicht ganz unerheblicher Teil der von den Inseraten des Beklagten angesprochenen Verkehrskreise der beanstandeten Behauptung entnehmen kann, auch der Beklagte sei zur Bearbeitung oder Vermittlung von Speditionsversicherungsverträgen nach dem in § 39 AÖSp erwähnten und dieser Bestimmung in Anlage 1 beigefügten "Speditionsversicherungsscheins" (SVS) befugt. Die Vorinstanzen haben diese Frage bejaht und sich dabei unter Abstandnahme von weiteren Beweisaufnahmen mit einem Hinweis auf die AÖSp begnügt. Diese Vorgangsweise ist entgegen der Meinung des Beklagten nicht zu beanstanden: Die Beurteilung der Wirkung einer bestimmten Werbeaussage auf die damit angesprochenen Verkehrskreise ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, soweit dazu die Erfahrungssätze des täglichen Lebens genügen; nur dort, wo dem Richter die notwendige Erfahrung fehlt, müssen zur Beantwortung dieser Frage Beweise aufgenommen werden (ÖBl 1985, 105 = RdW 1985, 108 = GRURInt 1986, 132 mit weiteren Nachweisen). Eine solche Beweisaufnahme erweist sich aber gerade im vorliegenden Fall als durchaus entbehrlich: Allein der Umstand, daß die - der überwiegenden Mehrzahl aller Speditionsgeschäfte zugrunde gelegten - AÖSp in ihrem § 39 ausdrücklich auf den in Anlage 1 beigefügten "Speditionsversicherungsschein" (SVS) verweisen und nur an die Deckung einer Speditionsversicherung "gemäß den Bedingungen des beigefügten SVS" und "bei den in § 39 lit a bezeichneten Versicherern" eine so einschneidende Rechtsfolge wie die Haftungsbefreiung des Spediteurs knüpfen (§ 41 lit a und lit c AÖSp), rechtfertigt nach Ansicht des erkennenden Senates die Annahme, daß jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise zumindest die - sonst keineswegs gebräuchliche - Abkürzung "SVS" mit der von der Klägerin vertretenen Versicherung in Verbindung bringen wird; dies umsomehr, als nach den Feststellungen der Vorinstanzen kein einziger der vom Beklagten angeführten ausländischen Versicherer seine Speditionsversicherungsleistungen unter dieser Kurzbezeichnung anbietet. Damit kann aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, die in den beanstandeten Inseraten verwendete Bezeichnung "SVS-Spezialist" tatsächlich die irrige Vorstellung erwecken, der als "Versicherungsmakler" auftretende Beklagte sei über die bloße Beratung hinaus auch in der Lage, solche Versicherungsverträge anzubieten oder doch zu vermitteln. Da dies unstreitig nicht zutrifft, verstößt die beanstandete Werbebehauptung gegen § 2 UWG. Auf die vom Beklagten gegen die Bestimmungen der §§ 39 ff AÖSp im Zusammenhang mit dem ihnen beigefügten "SVS" geäußerten kartellrechtlichen Bedenken braucht in diesem Fall nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren der Klägerin ausschließlich davon abhängt, in welchem Sinn die beanstandete Aussage von den damit angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird.

Die Ermächtigung der Klägerin zur Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG wird vom Beklagten - ebenso wie schon in der Berufung - in der Revision nicht mehr bekämpft.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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