OGH 11Os143/87

OGH11Os143/8722.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter S*** und Günther S*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahles nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 130, zweiter Satz, StGB und des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 3, Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Walter S*** sowie über die Berufung des Angeklagten Günther S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.August 1987, GZ 4 c Vr 7.681/87-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Jerabek, sowie der Verteidiger Dr. Leyrer und Dr. Teicht, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den beiden Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten Walter S*** verhängte Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre und die über den Angeklagten Günther S*** verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Walter S*** und Günther S*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 130, zweiter Satz, StGB (Punkt A/ des Urteilssatzes) und des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 3, Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Laut Punkt B/ des Schuldspruches liegt ihnen zur Last, in der Zeit vom 22.Oktober 1985 bis Jänner 1987 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken in mehreren Angriffen gewerbsmäßig mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Bankbeamte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe der Verfügungsberechtigung über vorgelegte vinkulierte Sparbücher, zur Ausfolgung eines die Kontoinhaber in dieser Höhe schädigenden Bargeldbetrages von insgesamt 350.000 S veranlaßt zu haben, nachdem sie sich vorher unter der fälschlichen Vorgabe einer Beamteneigenschaft in den Besitz der Sparbücher gesetzt und die Geschädigten zur Preisgabe des jeweiligen Losungswortes veranlaßt hatten. Nur diesen Teil des Schuldspruches bekämpft der Angeklagte Walter S*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gegen die Strafaussprüche richten sich die Berufungen der beiden Angeklagten.

In Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes wirft der Angeklagte S*** dem Erstgericht vor, den festgestellten Sachverhalt rechtsirrig dem Tatbestand des Betruges unterstellt zu haben. Die für Sparbuchauszahlungen maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 8 KWG, wonach die Bank zur Leistung an den Vorleger einer auf eine bestimmte Bezeichnung lautenden Sparurkunde zwar grundsätzlich berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, beinhalte unmißverständlich das Fehlen einer über die Kontrolle des Losungswortes hinausgehenden Verpflichtung der Bank, die Berechtigung des Sparbuchvorlegers zu prüfen. Bei der Behebung eines vinkulierten Sparbuchguthabens sei demzufolge die Täuschung des (mangels Prüfungspflicht gar nicht täuschungsfähigen) Bankbeamten von vornherein ausgeschlossen, was wiederum der zur Verwirklichung des Betrugstatbestandes unabdingbaren Annahme einer Vermögensschädigung durch Täuschung entgegenstehe. Der dem bekämpften Schuldspruch zugrundeliegende Sachverhalt wäre daher rechtsrichtig, zumal einem vinkulierten Sparbuch als Inhaberpapier auch diesbezügliche Objektseignung zukomme, als Diebstahl zu werten gewesen.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Diebstahls können nur solche Sachen sein, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Tauschwert aufweisen; Urkunden kommen demzufolge nur dann als Deliktsobjekt in Frage, wenn sie als selbständiger Wertträger ohne weitere Voraussetzung einen unmittelbaren Anspruch auf eine geldwerte Leistung vermitteln (siehe Leukauf-Steininger, StGB2, RN 4 ff; Kienapfel, BT II, RN 22 ff; Bertel im WK, Rz. 3 ff - vgl. allerdings auch Rz. 12 - jeweils zu § 127 und die dort zitierte Judikatur). Dies ist beim vinkulierten Sparbuch (und zwar unabhängig davon, ob ihm aus zivilrechtlicher Sicht Inhaberpapiereignung zuerkannt wird oder nicht) schon deshalb nicht der Fall, weil der Erwerb eines durch Losungswort gesperrten Sparbuchs für sich allein keinen unmittelbaren Vermögenszuwachs bedingt, sondern lediglich in Verbindung mit dem Losungswort zur Behebung der Einlage legitimiert (siehe Avancini "Die Sparurkunde aus zivil- und strafrechtlicher Sicht" ÖJZ 1986, 353 ff). Daß die Aushändigung der Sparbücher und die Preisgabe der Losungswörter im vorliegenden Fall keine unmittelbare Vermögensminderung der Tatopfer zur Folge hatte, diese Personen vielmehr erst durch die nachfolgende Behebung der Sparbucheinlagen geschädigt wurden, räumt im übrigen auch die Beschwerde ausdrücklich ein, wenngleich der Beschwerdeführer in Verkennung der sich daraus ergebenden Konsequenz der fehlenden Diebstahlstauglichkeit eines vinkulierten Sparbuches zu falschen rechtlichen Schlüssen gelangt.

Auch die eine Irreführung der Bankbeamten verneinende Argumentation erweist sich als nicht stichhältig. Abgesehen davon, daß das Fehlen einer Prüfungspflicht schon begrifflich keinesfalls die Möglichkeit, getäuscht zu werden, ausschließt, verkennt der Angeklagte S***, daß gerade der zur Realisierung des aus dem vinkulierten Sparbuch erwachsenen Rechts erforderliche Legitimationsakt durch Nennung des Losungswortes der Prüfung durch die Bank unterliegt und demzufolge die konkrete Vermögensverschiebung erst durch die nach dieser Prüfung stattfindende Veranlassung der Bank bewirkt werden kann. Kommen der Bank beim Vergleich des angegebenen Losungswortes mit den bei ihr aufliegenden Unterlagen oder aufgrund anderer Umstände Bedenken an der Berechtigung des Vorlegers, muß sie die begehrte Auszahlung schon zufolge der ihr auferlegten kaufmännischen Sorgfaltpflicht verweigern. Wer also von einem widerrechtlich an sich gebrachten vinkulierten Sparbuch mit Erfolg Geld abhebt, hat (vom Fall des Einverständnisses mit dem bösgläubigen Bankbeamten abgesehen) zwangsläufig durch Nennung des Losungswortes die auszahlende Person über seine Berechtigung zur Verfügung über die Spareinlagen in Irrtum geführt und demzufolge bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale Betrug zu verantworten. An diesen grundsätzlichen Erwägungen vermag auch der vom Angeklagten S*** vorgebrachte Einwand nichts zu ändern, daß nicht jede unberechtigte Abhebung von einem vinkulierten Sparbuch als Betrug gewertet werden dürfe; auch im von ihm angeführten Beispiel einer den abgehobenen Betrag erreichenden Gegenforderung des Abhebers liegt grundsätzlich eine Irreführung der Bank über die Verfügungsberechtigung vor. Schließlich vermag auch das weitere Argument, die Befugnis zur Auszahlungsverweigerung stelle nicht den primären Zweck der angeführten Bestimmung des § 18 Abs. 8 KWG dar, die für die strafrechtliche Wertung als Betrug maßgebende Prüfungsrolle der Bank nicht in Zweifel zu stellen. Der mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB2, § 127 EGr. 12) im Einklang stehenden erstgerichtlichen Subsumtion haftet daher kein Rechtsirrtum an. Auch der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützte Vorwurf der Nichtanrechnung eines Teils der Vorhaft hält einer Prüfung nicht stand.

Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB in Verbindung mit dem § 400 StPO ist nur die bis zur Fällung des Urteils erster Instanz in (Verwahrungs- oder Untersuchungs-)Haft zugebrachte Zeit im Urteil auf die Strafe anzurechnen. Aus dem vom Angeklagten zur Begründung seines Vorbringens herangezogenen Verhandlungsprotokoll vom 19. August 1987 geht hervor, daß die Hauptverhandlung inklusive mündlicher Bekanntgabe der Entscheidungsgründe, Rechtsmittelbelehrung und Rechtsmittelerklärungen bis 12.00 Uhr dauerte. Davon ausgehend brachte das Erstgericht die Vorhaft rechtsrichtig nur bis zum offenkundigen Zeitpunkt der Urteilsfällung am 19.August 1987, 11.45 Uhr, zur Anrechnung; der vom Angeklagten vermißte Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung (11.45 Uhr) und dem Ende der Hauptverhandlung (12.00 Uhr) wird im Rahmen der Beschlußfassung nach dem § 400 StPO zu berücksichtigen sein. Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter S*** war sohin ein Erfolg zu versagen. Das Schöffengericht verhängte über Walter S*** und Günther S*** nach dem § 147 Abs. 3 StGB unter Anwendung des § 28 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Walter S*** in der Dauer von drei Jahren und über Günther S*** in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten die Vorstrafen, die Schädigung von hilflosen, alten Menschen, das Zusammentreffen "von Diebstahl und Betrug", die Schadenshöhe von mehr als 100.000 S sowie die gewerbsmäßige Tatbegehung als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber die Geständnisse.

Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten eine Herabsetzung

der jeweiligen Strafhöhe.

Die Berufungen sind begründet.

Das Erstgericht fand Strafmaße, die auch bei Beachtung der zum Teil gravierenden Erschwerungsumstände vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Angeklagten sogar Straftaten eingestanden, die den Verfolgungsbehörden bis dahin noch gar nicht bekannt waren, als zu streng anzusehen sind.

Werden die gegebenen Strafzumessungsgründe ihrem tatsächlichen Gewicht entsprechend gewürdigt, erscheint eine Herabsetzung der vom Schöffengericht zuerkannten Freiheitsstrafen auf das im Spruch ersichtliche, sowohl dem hohen Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschuldensgrad und dem (noch nicht gravierend belasteten) Vorleben der beiden Angeklagten entsprechende Ausmaß von zweieinhalb bzw. zwei Jahren gerechtfertigt.

In diesem Sinn war den Berufungen Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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