Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.691,40 (darin keine Barauslagen und S 1.517,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte zuletzt den Betrag von S 827.857,24 s.A. und brachte vor, sie habe der Beklagten im Jahre 1961 eine Mineralöltankstelle zu einem monatlichen wertgesicherten Mietzins von S 15.000,--, fällig jeweils am Ersten eines jeden Monats, vermietet. Mit Schreiben vom 21. Februar 1984 hätte die Beklagte die vorzeitige Auflösung des Mietvertrages gemäß § 1117 ABGB mit der Begründung erklärt, daß mit Beginn der Bauarbeiten an der U 3 im Jänner 1984 die Zufahrt zu der von ihr gemieteten Tankstelle gesperrt worden sei, sie daher keinen Umsatz mehr erziele und das Bestandobjekt ohne ihr Verschulden zum bedungenen Gebrauch unbrauchbar geworden sei. Die Klägerin hätte diese Auflösungserklärung nicht akzeptiert, da die Zufahrt zur gegenständlichen Tankstelle weiterhin gegeben gewesen sei, allfällige Umsatzrückgänge hätte die Beklagte durch Ausnützung der ihr von der Klägerin zur Verfügung gestellten Werbemöglichkeit abfangen können, bei einer Zinsminderung hätte die Tankstelle wirtschaftlich betrieben werden können; die Beklagte sei daher nicht zur Auflösung des Bestandvertrages, sondern nur zu einer Zinsminderung gemäß § 1105 ABGB berechtigt gewesen, die von der Beklagten genannten Umstände berechtigten sie nicht zu einer sofortigen Vertragsauflösung, da im Mietvertrag bedungen sei, daß eine Auflösung erst dann möglich wäre, wenn die Tankstelle sechs Monate lang nicht wirtschaftlich betrieben hätte werden können. Die Klägerin habe daher Anspruch auf rückständige Mietzinse in Höhe des Klagsbetrages.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete ein, daß durch die Änderung der Verkehrssituation und die U-Bahn-Bauarbeiten im Bereich der Tankstelle Ende 1983 die Zufahrtsmöglichkeiten derart eingeschränkt worden seien, daß der Umsatz völlig zum Erliegen gekommen und ein ordnungsgemäßer Tankstellenbetrieb überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei. Sie hätte daher ihre Mietzinszahlungen bis auf einen Anerkennungszins von monatlich S 100,-- ab Mai 1984 eingestellt.
Das Erstgericht sprach der Klägerin S 139.720,66 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 688.136,58 s.A. ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die Klägerin ist aufgrund einer mit der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen abgeschlossenen Vereinbarung berechtigt, auf einer Fläche in der Gigergasse, 1030 Wien, Bahnparzelle Nr. 3211, KG Landstraße, eine Mineralöltankstelle zu errichten und zu vermieten. Mit Vertrag vom 22. März 1961 vermietete die Klägerin diese von ihr zu errichtende Tankstelle an die Beklagte zu einem Vorausmietzins für die ursprünglich vereinbarte 20-jährige Vertragsdauer (ab der betriebsfertigen Errichtung) von S 1,000.000,--, sowie eines fixen Mietzinses von S 15.000,-- pro Monat, auf welchen die geleistete Vorausmiete nicht anrechenbar ist, sowie einer Umsatzbeteiligung von 10 Groschen pro Liter verkauften Treibstoffes von dem 2,000.000 Liter pro Jahr übersteigenden Treibstoffumsatz. Der vereinbarte Mietzins ist wertgesichert auf Grundlage des vom Österreichischen Zentralamt für Statistik verlautbarten Verbraucherpreisindex I, Basis Februar 1960, Schwankungen bis zu 10 % gegenüber der letzten der Berechnung zugrunde gelegten Indexziffer bleiben unberücksichtigt. In Punkt III des Vertrages vom 22. März 1961 wurde der Beklagten das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung aus den Gründen des § 1117 ABGB sowie für den Fall eingeräumt, daß die Tankstelle auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1117 ABGB wegen höherer Gewalt oder wegen wie immer Namen habender behördlicher Maßnahmen bereits länger als sechs Monate von der Mieterin nicht betrieben werden kann. Im Falle der vorzeitigen Auflösung des Vertrages infolge vis maior bleibt der Mieterin die Nutzung der Reklameflächen und der Betriebsräume auf die ursprünlich vorgesehene Vertragsdauer gewährt. In diesem Falle entfällt für die Mieterin die Verpflichtung der Bezahlung der zuvor genannten Zahlungsobliegenheiten und die Mieterin hat an die Vermieterin nur einen Anerkennungszins von S 100,-- pro Monat zu entrichten. Sollte es sich in einem derartigen Fall herausstellen, daß die vis maior nur vorübergehender Natur ist, so verpflichteten sich beide Vertragsteile, sofort nach Wegfall der Hindernisse den Vertrag wieder aufleben zu lassen. In der Folge betrieb die Beklagte auf der vermieteten Fläche eine Mineralöltankstelle, wobei sie zu Beginn einen Jahresumsatz von 1,5 Millionen Liter Treibstoff erzielte. In den Jahren 1970/71 ging der Umsatz auf eine Million Liter pro Jahr bis etwa Anfang 1983 auf rund 400.000 Liter pro Jahr zurück. Ab Jänner 1984 kam der Treibstoffumsatz nahezu gänzlich zum Erliegen. Die Beklagte, die diese Umsatzrückgänge auf die Verkehrsentwicklung im Bereich der Tankstelle zurückführte, versuchte Anfang 1983 noch durch Umstellung auf eine Diskonttankstelle den Umsatz zu steigern, was aber keinen Erfolg zeitigte. Im April 1984 stellte die Beklagte den Betrieb ein und montierte die Zapfsäulen ab. Ab Mai 1984 leistete sie mit Ausnahme eines Anerkennungszinses von monatlich S 110,-- keine Mietzinszahlungen mehr. Seit dem Betriebsbeginn haben im Zufahrtsbereich zur Tankstelle nachstehende Änderungen der Verkehrssituation stattgefunden:
Im Zeitraum vom 10. September 1965 bis 3. Jänner 1984 war die Gigergasse zwischen der Landstraßer Hauptstraße und der Marxergasse im Gegenverkehr befahrbar. Ausgenommen davon war ein Fahrbahnteil der Gigergasse auf der Seite des Bahnhofes Wien Mitte, der etwa ab Gigergasse Nr. 8 bis zur Landstraßer Hauptstraße als Einbahn zur Landstraßer Hauptstraße geführt wurde. Dieser Fahrbahnteil war durch eine bauliche Insel in Längsrichtung in der Gigergasse vom Gegenverkehrsbereich getrennt. Ab dem 3. Jänner 1984 wurde die Gigergasse als Einbahnstraße von der Henslerstraße zur Marxergasse kundgemacht. Im Abschnitt zwischen Henslerstraße und Sparefrohgasse ist die Gigergasse nach wie vor im Gegenverkehr befahrbar. Zwischen der Landstraßer Hauptstraße und der Sparefrohgasse ist die Gigergasse ebenfalls seit dem 3. Jänner 1984 nur mehr in Richtung Marxergasse befahrbar. Die Sparefrohgasse, eine Quergasse zwischen der Vorderen Zollamtsstraße und der Gigergasse, war vom 10. September 1965 bis 3. Jänner 1984 als Einbahn von der Gigergasse zur Vorderen Zollamtsstraße kundgemacht. Seit 3. Jänner 1984 erfolgte eine Umdrehung der Einbahnrichtung zur Gigergasse und gleichzeitig die Aufstellung eines Linksgebotes bei der Gigergasse. Die Henslerstraße, ebenfalls eine Quergasse zwischen Vorderer Zollamtsstraße und Gigergasse, die parallel zur Sparefrohgasse verläuft, ist seit dem 10. Jänner 1965 als Einbahn zur Gigergasse kundgemacht. Am 3. Jänner 1984 erfolgte die Aufstellung eines Linksgebotes bei der Gigergasse. Die Stelzhammergasse, die ebenso wie die parallel verlaufende Sparefrohgasse und die Henslerstraße von der Vorderen Zollamtsstraße zur Gigergasse führt, war vom 8. Juni 1967 bis 7. Dezember 1982 als Einbahnstraße zur Vorderen Zollamtsstraße kundgemacht. Seit dem 7. Dezember 1983 erfolgte die Umdrehung der Einbahnrichtung zur Gigergasse. Die Marxergasse ist seit dem 28. Oktober 1968 als Einbahn in Richtung Vordere Zollamtsstraße kundgemacht. Zur gegenständlichen Tankstelle war daher von 1970 bis 25. November 1982 die Zufahrt aus Richtung Landstraßer Hauptstraße, aus Richtung Marxergasse und von der Vorderen Zollamtsstraße (aus beiden Richtungen) über die Henslerstraße möglich. Seit dem 25. November 1982 wurde mit dem Ausbau der Vorderen Zollamtsstraße die Zufahrt direkt aus der Bundesstraße in die Henslerstraße unterbunden. Etwa gleichzeitig (am 7. Dezember 1982) wurde die Stelzhammergasse als Einbahn von der Vorderen Zollamtsstraße zur Gigergasse eingerichtet, wodurch die Zufahrt von der Vorderen Zollamtsstraße, zumindest aus Richtung Süden, möglich blieb. Die übrigen Zufahrten zur Tankstelle blieben unverändert. Seit dem 3. Jänner 1984 ist eine Zufahrt zur Tankstelle nur mehr aus Richtung Landstraßer Hauptstraße und über die Nebenfahrbahn der Vorderen Zollamtsstraße und die Sparefrohgasse möglich. Am 2. Jänner 1984 begann der U-Bahn-Bau im Bereich Landstraße. Einige Zeit vorher - wann genau, konnte nicht festgestellt werden - war neben der Tankstelle eine Trafostation zur Bauvorbereitung errichtet worden. Inwieweit durch diese Trafostation eine Behinderung der Zufahrt zur Tankstelle erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Die seit dem 3. Jänner 1984 bestehende Zufahrtsmöglichkeit über die Landstraßer Hauptstraße ist insofern eingeschränkt, als mit dem Beginn des U-Bahn-Baues am 2. Jänner 1984 die Brücke der Landstraßer Hauptstraße für die Durchfahrt gesperrt wurde und für die Zufahrt zur Gigergasse nur eine Fahrspur zur Verfügung stand. Diese einspurige Zufahrt war häufig durch Lieferfahrzeuge blockiert. Im AEZ-Gebäude befindet sich eine Hochgarage mit insgesamt 120 Parkplätzen, die jedoch in der Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 30. April 1985 gesperrt war. Seit dem 1. Mai 1985 ist die Zufahrt zu dieser Hochgarage wieder möglich. Neben der Tankstelle befindet sich eine Auffahrt zu einem Parkplatz, der rund 150 Stellplätze umfaßt. Der Beklagten stand die Möglichkeit zur Anbringung von Hinweisschildern bzw. Werbeplakaten auf dem AEZ-Gebäude sowie auf dem Gebäude des Bahnhofes Wien Mitte an der Ecke Landstraßer Hauptstraße - Gigergasse zur Verfügung, die von ihr in den letzten Jahren nicht ausgenützt wurden. Darüber hinaus bot die Klägerin der Beklagten zusätzliche Werbemöglichkeiten entlang der vorderen Abplankung der Baustelle auf der Landstraße sowie entlang der seitlichen Baustellenverplankung an. Die Beklagte nahm diese Werbemöglichkeiten nicht wahr. Mit Schreiben vom 21. April 1984 erklärte die Beklagte die vorzeitige Auflösung des Mietvertrages gemäß § 1117 ABGB. Für Mai 1984 wurde der Beklagten ein Mietzins inclusive der Indexnachverrechnung für März 1984 von S 43.091,-- und für Juni 1984 inclusive der Indexnachverrechnung für April 1984 von S 43.091,01 vorgeschrieben. Die Mietzinsvorschreibung für Juli 1984 beinhaltet auch die Indexnachverrechnung für Mai 1984 von S 24.262,50 und jene für August 1984 die Indexnachverrechnung für Juni 1984 von S 24.609,-- (jeweils zuzüglich 10 % Umsatzsteuer). Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß das Bestandobjekt infolge einer während des Bestandverhältnisses eingetretenen ungünstigen Verkehrssituation, die auf behördliche Verordnungen im Zuge des Wiener U-Bahnbaues zurückzuführen sei, zumindest seit Anfang Jänner 1984 zum Betriebe einer Mineralöltankstelle unbrauchbar geworden sei. Wegen des daraus resultierenden völligen Erliegens des Umsatzes habe die Beklagte zu Recht die vorzeitige Vertragsauflösung erklärt. Nach der in Abänderung der Bestimmung des § 1117 ABGB getroffenen Vereinbarung stehe dieses Recht der Mieterin jedoch erst dann zu, wenn sie die Tankstelle länger als sechs Monate nicht betreiben konnte. Sie sei daher verpflichtet, den ihr vorgeschriebenen Mietzins samt Indexerhöhung für die ersten sechs Monate der Unbrauchbarkeit beginnend ab Jänner 1984, somit bis einschließlich Juni 1984, zu bezahlen. Das über diese Monate hinausgehende geltend gemachte Mietzinsbegehren erachtete das Erstgericht als nicht zu Recht bestehend.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin nicht Folge; hingegen wurde der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung abgeändert. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. § 1117 ABGB regle die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses durch den Bestandnehmer aus wichtigen Gründen nach Übergabe der Sache. Derartige wichtige Gründe ergäben sich zwar in der Regel aus physischen Mängeln des Bestandobjektes, doch könnten auch andere Mängel, etwa Rechtsmängel, als Ursache der Vertragsauflösung in Betracht kommen. Jedenfalls ließen sich die nach dem Gesetzeswortlaut differenzierten Gründe auf einen einzigen zurückführen, daß nämlich der Bestandnehmer aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, vom Bestandobjekt nicht den bedungenen Gebrauch machen könne, gleichgültig ob aus Verschulden des Bestandgebers oder durch Zufall, ohne Rücksicht darauf, ob dem Bestandnehmer die Sache ganz oder zum Teil nicht zur Verfügung stehe oder nur nicht entsprechend benützt werden könne. Sei nun die Zufahrtsmöglichkeit zum gemieteten Bestandobjekt, einer Mineralöltankstelle, durch die im Zuge der U-Bahnbauarbeiten verfügten behördlichen Maßnahmen, wie Abtrennungen eines Fahrbahnteiles einer Zufahrtsstraße durch bauliche Inseln vom Gegenverkehr, Umwandlung von beidseitig befahrbaren Straßen zu Einbahnstraßen, Umkehrungen der Einbahnrichtung, Aufstellen von Abbiegegeboten, Sperren von Durchfahrtsmöglichkeiten udgl derart stark beeinträchtigt worden, daß der Umsatz, der zu Beginn des Bestandverhältnisses rund 1,5 Mio. Liter Treibstoff pro Jahr ausgemacht hatte, nahezu gänzlich zum Erliegen gekommen sei, so stelle dies einen wichtigen, die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses rechtfertigenden Grund dar. Zum Gebrauch einer Mhneralöltankstelle gehöre nämlich auch die Erreichbarkeit für eine ein Mindestmaß an Umsatz garantierenden Anzahl von Kunden. Werde durch umfangreiche, sich auf die gesamte Verkehrssituation im Umkreis des Bestandobjektes auswirkende, Jahre dauernde Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung der Wiener U-Bahn die Zufahrt dermaßen beeinträchtigt, daß die Tankstelle kaum mehr von Kunden aufgesucht werde, wodurch der Treibstoffumsatz nahezu gänzlich zum Erliegen komme, so könne von einer ausreichenden Erreichbarkeit nicht gesprochen werden. Wohl treffe es zu, daß § 1117 ABGB mit Ausnahme der Gesundheitsschädlichkeit der gemieteten Wohnung nachgiebiges Recht enthalte, also auf das Abstehungsrecht verzichtet werden könne, oder die Folgen der im Gesetz angeführten Auflösungstatbestände anders geregelt werden und auch im Gesetz nicht genannte Tatbestände zu Auflösungsgründen gemacht werden könnten. Sei aber, wie im gegenständlichen Fall, vereinbart worden, daß dem Mieter das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung aus den Gründen des § 1117 ABGB und weiters dann zustehe, wenn die Tankstelle auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1117 ABGB wegen höherer Gewalt oder wegen wie immer namenhabender behördlicher Maßnahmen bereits länger als sechs Monate von der Mieterin nicht betrieben werden könne, so stelle dies nach dem klaren Wortlaut der Vereinbarung keine Einschränkung des Auflösungsrechtes, sondern im Gegenteil eine Ausdehnung auf weitere von § 1117 ABGB nicht erfaßte Fälle - denkbar wären in der Sphäre des Bestandnehmers eintretende Ereignisse - dar. Daß für den Fall der Sperre der Tankstelle in Abänderung der Bestimmung des § 1117 ABGB die dem Bestandnehmer eingeräumte Möglichkeit der sofortigen Vertragsauflösung jedenfalls von einer länger als sechs Monate andauernden Nichtbetreibbarkeit der Tankstelle abhängig gemacht werden sollte, lasse sich entgegen der Auffassung der Klägerin der abgeschlossenen Vereinbarung nicht entnehmen. Diese Vertragsbestimmung könne vielmehr nur dahin verstanden werden, daß dem Bestandnehmer für den Fall eines durch mehr als sechs Monate dauernden, aus behördlichen Maßnahmen oder höherer Gewalt resulpierenden Nichtbenützbarkeit der Tankstelle selbst dann das Auflösungsrecht eingeräumt wurde, wenn die Voraussetzungen des § 1117 ABGB nicht erfüllt seien. Zu Recht habe die Beklagte daher von der gesetzlichen Möglichkeit der Vertragsauflösung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Tankstelle mangels Umsatzes praktisch nicht mehr existenzfähig war, Gebrauch gemacht. Damit entfalle aber die weitere Verpflichtung, für die nach Zugang der Auflösungserklärung liegenden Monate den Bestandzins zu bezahlen, so daß in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles das gesamte Klagebegehren, das lediglich nach Vertragsauflösung liegende Zeiträume erfaßte, abzuweisen gewesen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin vertritt in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, Punkt III Abs 3 des Mietvertrages Beilage A sei dahin auszulegen, daß der Beklagten eine sofortige Vertragsauflösung der sowohl aus den Gründen des § 1117 ABGB und auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen hiefür wegen höherer Gewalt oder wegen immer namenhabender behördlicher Maßnahmen erst dann eingeräumt werde, wenn aufgrund der angeführten Gründe länger als sechs Monate die gegenständliche Tankstelle nicht betrieben werden könne. § 1117 ABGB enthalte nachgiebiges Recht. Die im Punkt III genannte höherer Gewalt und behördliche Maßnahmen seien an sich im Tatbestand des § 1117 ABGB impliziert und hätten daher im Vertrag nicht genannt werden müssen. Es stehe aber andererseits fest, daß die im zweiten Halbsatz des Absatzes 3 des Punktes III des abgeschlossenen Mietvertrages genannten Gründe solche seien, bei deren Vorliegen jedenfalls die sechsmonatige Frist - bis zur Abgabe der Auflösungserklärung - einzuhalten sei. Daher hätte im gegenständlichen Fall die Beklagte ihre Auflösungserkläung erst nach sechs Monaten, innerhalb derer sie keine betriebliche Tätigkeit auf der Tankstelle habe durchführen können, gegenüber der Klägerin abgeben können, damit sie Relevanz gehabt hätte. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung seien aber die vertraglichen Voraussetzungen hiefür nicht vorgelegen. Daher hätte das Berufungsgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Schlusse kommen müssen, daß infolge Rechtsunwirksamkeit der abgegebenen Auflösungserklärung die Beklagte weiterhin Mietzinszahlungen zu leisten hatte. Aufgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, daß der Klägerin keine Mietzinsforderungen mehr zustehen, habe es das Berufungsgericht unterlassen, ergänzende Feststellungen der über Juni 1985 hinaus geltend gemachten Nominalmietzinse zu treffen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß, wenn die Zufahrtsmöglichkeit zum gemieteten Bestandobjekt, einer Mineralöltankstelle, durch die im Zuge der U-Bahnbauarbeiten verfügten behördlichen Maßnahmen, wie Abtrennungen eines Fahrbahnteiles einer Zufahrtsstraße durch bauliche Inseln vom Gegenverkehr, Umwandlung von beidseitig befahrbaren Straßen zu Einbahnstraßen, Umkehrungen der Einbahnrichtung, Aufstellen von Abbiegegeboten, Sperren von Durchfahrtsmöglichkeiten udgl. in einem solchen Umfang eingeschränkt wurde, daß der Umsatz, der zu Beginn des Bestandverhältnisses rund 1,5 Mio. Liter Treibstoff pro Jahr ausgemacht hatte, nahezu gänzlich zum Erliegen gekommen sei, dies einen wichtigen Grund im Sinn des § 1117 ABGB zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages darstelle.
Punkt III Abs 3 des "Mietübereinkommens" vom 22. März 1961, Beilage A, hat folgenden Wortlaut: "Der Mieterin steht das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung aus den Gründen des § 1117 ABGB und weiters dann zu, wenn die Tankstelle auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1117 ABGB wegen höherer Gewalt oder wegen wie immer Namen habender behördlicher Maßnahmen bereits länger als sechs Monate von der Mieterin nicht betrieben werden kann."
Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß wohl dem Bestandnehmer für den Fall eines durch mehr als sechs Monate dauernden, aus behördlichen Maßnahmen oder höherer Gewalt resultierenden Nichtbenützbarkeit der Tankstelle selbst dann das Auflösungsrecht eingeräumt wird, wenn die Voraussetzungen des § 1117 ABGB nicht gegeben sind, daß sich aber aus dem klaren Wortlaut der Vertragsbestimmung keine Einschränkung der sofortigen Geltendmachung des Auflösungsrechtes aufgrund der im § 1117 ABGB genannten Gründe ergebe, ohne daß ein mehr als sechs Monate dauernder, auf behördliche Maßnahmen oder höhere Gewalt zurückzuführenden Nichtbetrieb vorausgegangen wäre. Der Wortlaut der Urkunde ist aber für die Auslegung allein maßgeblich, solange keine der Vertragsparteien behauptet und im Bestreitungsfalle beweist, aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ergäbe sich ein übereinstimmender Wille der Parteien oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung (vgl. Soergel/Hefermehl BGB12, Rdz 29 zu § 133). Eine derartige Behauptung wurde im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt. In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Beklagten zur vorzeitigen Vertragsauflösung nach § 1117 ABGB zu einem Zeitpunkt, zu dem die Tankstelle mangels Umsatzes praktisch nicht mehr existenzfähig war, berechtigt war und keine vertragliche Einschränkung dieses Auflösungsrechtes vorliegt, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden. Weitere Feststellungen hinsichtlich der Höhe der über den Juni 1985 hinaus geltend gemachten Mietzinse bedurfte es daher nicht. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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