OGH 13Os169/87

OGH13Os169/8721.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Alois T*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 25.September 1987, GZ. 10 c Vr 95/87-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Winiwarter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Alois T*** ist schuldig, im Herbst 1984 und im Frühjahr 1985 in Aggsbach-Markt als Bürgermeister und somit als Beamter mit dem Vorsatz, den Staat an seinen Rechten auf Durchführung einer gesetzmäßigen Bauverhandlung vor Erteilung einer Baubewilligung für ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben, auf Erteilung dieser Bewilligung nur nach Vorliegen der gesetzlich geforderten Voraussetzungen, insbesondere erst nach Planerstellung durch einen befugten Fachmann, und auf Untersagung einer Bauführung ohne Baubewilligung und ohne Bestellung eines fachkundigen Bauleiters zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht zu haben, daß er gestattete und duldete, daß Engelbert B*** ohne Beiziehung eines Baufachmanns und ohne Baubewilligungsverfahren eine Verbreiterung einer zu seinem Wohnhaus über den Endlingbach führenden Brücke um ca. 1,20 m in Betonbauweise zur Ermöglichung der Zufahrt mit Kraftfahrzeugen errichtete.

Alois T*** hat hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 StGB. zu einer Geldstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz wird mit 150 (einhundertfünfzig) Schilling bemessen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 (sechzig) Tagen festgesetzt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird die Strafe unter Bestimmung einer einjährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Gemäß §§ 389, 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht fällte einen Freispruch von der aus dem Spruch ersichtlichen strafbaren Handlung, weil zwar neben dem wissentlichen Befugnismißbrauch des Angeklagten auch dessen Vorsatz, das Recht des Bundeslands Niederösterreich auf Einhaltung seiner Bauordnung zu schädigen, erwiesen war, nicht aber auch die Schädigung eines darüber hinausgehenden Rechts und eines darauf gerichteten Vorsatzes.

Gegen diese Rechtsansicht wendet sich die Staatsanwaltschaft in der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.). Ihrer Auffassung nach wurde schon durch den bewußten Verzicht des als Baubehörde erster Instanz tätig werdenden Angeklagten auf Durchführung der gesetzlich normierten Bauverhandlung bzw. durch die bewußte Duldung der Fortführung eines solchen nicht bewilligten Bauvorhabens ein konkretes Recht der Gebietskörperschaft vorsätzlich geschädigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft ist im Recht.

Die Schädigung nach § 302 StGB. kann nicht nur einen Parteienanspruch, sondern auch eine konkrete, das heißt eine auf einer bestimmten Rechtsnorm (Gesetz, Verordnung) beruhende Maßnahme einer Gebietskörperschaft betreffen (vgl. Foregger-Serini3 Anm. V und IX zu § 302 StGB.), worunter auch das Verfahren vor der Gemeinde zur Genehmigung von Bauführungen fällt. Die Ansicht, eine Rechtsschädigung sei nur dann gegeben, wenn die (End-) Erledigung einer Sache materiell unrichtig ist, verkennt, daß die Gebietskörperschaft jedenfalls an einem konkreten öffentlichen Recht auch geschädigt ist, wenn die Verfahrensvorschriften (hier diejenigen zur Prüfung eines Antrags auf Baubewilligung) rundweg übergangen werden (SSt. L/6, EvBl. 1982/158, 13 Os 54/85, 9 Os 7/86 mwN; vgl. ferner EvBl. 1987/72).

Ausgehend von dem so zu korrigierenden Rechtsstandpunkt des Erstgerichts war auf Grund dessen unbedenklichen, durch die Einlassung des Angeklagten gestützten Feststellungen sofort in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs. 2 Z. 3 StPO.) und ein Schuldspruch nach § 302 Abs. 1 StGB. zu fällen.

Bei der Strafzumessung war erschwerend nichts; mildernd waren hingegen die Unbescholtenheit und das Geständnis des Angeklagten, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Anstatt der vorliegend unter sechs Monaten auszumessenden Freiheitsstrafe war mangels entgegenstehender präventiver Gesichtspunkte auf eine Geldstrafe zu erkennen (§ 37 Abs. 1 StGB.). 120 Tagessätze, denen 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen (§ 19 Abs. 3 StGB.), erschienen tat- und tätergerecht. Ausgehend vom Nettoeinkommen des Angeklagten von etwa 13.000 S und seinen Sorgepflichten für die Gattin und zwei Kinder erschienen 4.500 S monatlich jedenfalls abschöpfbar, woraus sich ein Tagessatz von 150 S errechnet. Die ausgesprochene Geldstrafe war, weil ihre bloße Androhung voraussichtlich genügen wird, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und generalpräventive Rücksichten sich nicht aufdrängen, sowie im Hinblick auf die Tatsache, daß der Angeklagte seine öffentliche Funktion mittlerweile verloren hat, für eine Probezeit von einem Jahr bedingt nachzusehen (§ 43 Abs. 1 StGB.).

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