OGH 7Ob58/87

OGH7Ob58/8721.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** Ing. Giuseppe F*** Gesellschaft mbH, Wien 4., Weyringergasse 33-35, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***

V***-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. September 1987, GZ 4 R 128/87-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. April 1987, GZ 28 Cg 44/86-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei im Rahmen des bei der beklagten Partei zur Polizze Nr. 2140/086607-1 bestehenden Versicherungsvertrages für den Vorfall "V***-A*** Hebetechnik und Brückenbau AG, Auftrag vom 12. Mai 1982, Bestellnummer 82.20.796 und Auftragsnummer 29.20.17324/17325 (bei der beklagten Partei zur Schadensnummer 214-0-03103-84 aktenkundig)" Deckung zu gewähren.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 66.740,05 (darin S 9.220,50 an Barauslagen und S 5.229,05 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit S 34.513,90 (darin S 8.038,-- an Barauslagen und S 2.406,90 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.874,65 (darin S 10.000,-- an Barauslagen und S 1.443,15 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei stellt das aus dem Spruch ersichtliche Begehren und bringt vor, sie sei für die Gewerbe des technischen Büros und der Anfertigung von Zeichnungen bei der beklagten Partei haftpflichtversichert. Im Rahmen dieser gewerblichen Tätigkeit sei ihr von der V***-A*** Hebetechnik und Brückbau AG ("H***") ein Werkauftrag erteilt worden, den sie im Juli und August 1982 ausgeführt habe. Am 23. Mai 1984 habe die H*** der klagenden Partei mitgeteilt, es seien konstruktive Unzulänglichkeiten festgestellt worden: Die H*** müsse Sanierungsmaßnahmen treffen, deren Kosten die klagende Partei zu tragen haben werde. In der Folge habe die H*** gegen die klagende Partei eine Schadenersatzklage auf Zahlung von S 3,953.750,-- eingebracht. Die klagende Partei habe das Vorbringen in dieser Klage dem Grund und der Höhe nach bestritten und den Schadensfall der beklagten Partei angezeigt. Die beklagte Partei habe mit Schreiben vom 31. Juli 1985 ihre Deckungspflicht abgelehnt. Die H*** habe aufgrund der Konstruktionspläne und Berechnungen der klagenden Partei im Inland Kräne angefertigt. Der von ihr behauptete Schaden sei zur Gänze in Österreich eingetreten. Der Ausschluß vom Versicherungsschutz nach Art. 6.1.3.1. der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von befugten technischen Büros (AHTB) sei sittenwidrig und nichtig gemäß § 879 Abs 1 ABGB, weil das in dieser Bestimmung enthaltene Wort "auswirken" völlig unbestimmt sei und daher eine unangemessene Vertragsbestimmung darstelle. Der genannte Ausschluß sei auch nichtig gemäß § 879 Abs 3 ABGB, weil der Versicherungsnehmer hiedurch gröblich benachteiligt werde; irgendeine Auswirkung im Ausland könne jederzeit eintreten.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Sie sei leistungsfrei, weil die klagende Partei das versicherte Risiko überschritten und weil der Schaden sich im Ausland ausgewirkt habe. Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die H***, die gemeinsam mit anderen Konzernunternehmen der V***-A***-Gruppe ein Stahlwerk in Misurata, Libyen, baut, erteilte der klagenden Partei am 12. Mai 1982 den Auftrag, Pläne, Statik und technische Berechnung für Laufkräne zu erstellen. Dem Geschäftsführer der klagenden Partei war bei Auftragserteilung bekannt, daß die Kräne für Libyen bestimmt waren. Die klagende Partei führte den Auftrag aus und lieferte ihr Werk am 26. Juli,

16. und 20. August 1982 an die H*** aus. Die Bauteile für die Laufkräne wurden von der H*** in Wien gefertigt, sodann nach Libyen geschickt und dort zusammengesetzt.

Am 23. Mai 1984 teilte die H*** der klagenden Partei mit, daß "diverse konstruktive Unzulänglichkeiten" festgestellt worden seien. Da Gefahr in Verzug sei, werde sie die Sanierungsmaßnahmen selbst treffen. Die Kosten dieser Maßnahmen - die sie mit Schreiben vom 20. September 1984 mit rund S 3,400.000,-- bekanntgab - werde die klagende Partei zu tragen haben. Mangels Einigung brachte die H*** am 30. Oktober 1985 beim Handelsgericht Wien gegen die klagende Partei eine Klage auf Zahlung von S 3,574.305,-- ein; in der Folge dehnte sie ihr Begehren auf Zahlung von S 3,953.750,-- aus. Die Vorwürfe der H*** gehen im wesentlichen dahin, daß die Stiegentürme für die Führerhausaufhängung der Laufkräne statisch zu schwach dimensioniert seien und unzulässig große Verformungen und Schwingungen aufwiesen. Die klagende Partei habe den von der H*** geltend gemachten Anspruch bestritten.

Auftrag und Werk der klagenden Partei fallen in das Fachgebiet Maschinenbau. Durch die Berechnung der Statik und die Vornahme von Konstruktionen wurde die Gewerbeberechtigung der klagenden Partei nicht überschritten.

Die A*** haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Art. 1 Gegenstand der Versicherung

1.1. Der Versicherer übernimmt es, die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen von Personenschäden und sonstigen Schäden zu tragen, die dem Versicherungsnehmer aus der in der Polizze bezeichneten beruflichen Tätigkeit (dem versicherten Risiko) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.

.......

Art. 6 Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

1. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf

Schadenersatzverpflichtungen.

.......

1.3.1. aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen....

Art. 7 Begriff des Versicherungsfalls

1. Versicherungsfall ist ein Verstoß (Handlung oder

Unterlassung), als dessen Folgen Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers erwachsen können.

......."

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein allfälliger Verstoß der klagenden Partei im Sinne des Art. 7.1. der AHTB habe sich im Ausland ausgewirkt, weil der von der H*** behauptete Schaden in Libyen eingetreten sei. Die Bestimmung des Art. 6.1.3.1. sei nicht sittenwidrig. Das Wort "auswirken" sei weder unbestimmbar, noch unbestimmbaren Inhaltes. Es bedeute "bestimmte Folgen haben", "Wirkung entfalten" im Sinne einer Kausalität. Es liege auch Nichtigkeit nach § 879 Abs 3 ABGB nicht vor. Der Versicherungsnehmer könne Auslandsbeziehungen vertraglich ausschließen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, insgesamt S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung.

Die klagende Partei bekämpft das Urteil der zweiten Instanz aus dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach Art. 6.1.3.1. der AHTB erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen. Zweck einer Auslandsklausel - wie sie auch die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (Art. 3 Z 1 der AHVB 1978 und 1986) und die deutschen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (§ 4 I Z 3 AHB) enthalten - ist es, das Risiko wegen der Schwierigkeit der Aufklärung des Versicherungsfalles im Ausland überschaubar zu machen. Die Wirksamkeit des Versicherungsschutzes bei einer solchen Klausel richtet sich nach der Ereignistheorie. Es kommt nich darauf an, wo die Ursache (der Verstoß) gesetzt wurde, sondern darauf, wo das Schadensereignis eingetreten ist (JBl 1987, 454 mwN; vgl. auch die Ausführungen von Prölss/Martin, VVG23, 852 f). Festgestellt wurde, daß die H*** nach Plänen und Berechnungen der klagenden Partei im Inland Bauteile für Laufkräne fertigte und diese im Ausland - Libyen - zusammensetzte. Erst bei der Zusammensetzung der Teile im Ausland erwies sich, daß die Laufkräne - nach den Behauptungen der H*** - instabil waren. Der Sachverhalt ist damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes mit jenem, der der Entscheidung JBl 1987, 454 zugrundelag, durchaus vergleichbar. Der Kläger in dem genannten Verfahren hatte für ein Unternehmen Konstruktionspläne angefertigt. Das Unternehmen hatte aufgrund dieser Pläne Maschinen hergestellt, die es nach Schweden exportierte und behauptete, daß infolge eines Fehlers in den Konstruktionsplänen Mängel an den Maschinen in Schweden aufgetreten seien. Der Oberste Gerichtshof kam zum Ergebnis, das Schadensereignis sei im Inland eingetreten, weil hier aufgrund von fehlerhaften Konstruktionsplänen des Klägers vom Besteller der Pläne ein mangelhaftes Produkt hergestellt worden sei. Der anspruchsbegründende Sachverhalt, der die Deckungspflicht der beklagten Versicherungsgesellschaft auslöse, sei im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem zur Gänze im Inland verwirklicht worden. Darauf, daß der Mangel erst beim Betrieb der Maschine im Ausland entdeckt worden sei, komme es nicht an. Auch im vorliegenden Fall wirkte sich der von der Auftraggeberin der klagenden Partei geltend gemachte Schaden bereits bei der im Inland nach den Plänen und Berechnungen der klagenden Partei erfolgten Anfertigung - angeblich - zu schwach dimensionierter Bauteile aus. Der Umstand, daß die - nach den Behauptungen der H*** - zu schwache Dimensionierung erst nach dem Zusammenbau der Laufkräne in Libyen offenbar wurde, ist nicht anders zu beurteilen als die Entdeckung des Schadens bei Inbetriebnahme der nach Schweden exportierten Maschine im Verfahren JBl 1987, 454. Daß die Laufkräne, anders als die Maschinen in jenem Verfahren, aus offensichtlich technischen Gründen erst im Ausland zusammengebaut wurden, rechtfertigt nicht eine verschiedene rechtliche Beurteilung der Sache, weil sich der behauptete Verstoß der klagenden Partei nicht erst beim Zusammenbau der Laufkräne, sondern bereits bei der Anfertigung der Einzelteile ausgewirkt hat. Ein Eingehen auf die von der klagenden Partei geltend gemachte Sittenwidrigkeit der Bestimmung des Art. 6.1.3.1. der AHTB erübrigt sich damit. Da, wie festgestellt wurde, Auftrag und Werk in das Fachgebiet Maschinenbau fallen und die Gewerbeberechtigung der klagenden Partei durch die Berechnung der Statik und die Vornahme der Konstruktion nicht überschritten wurde, hat die klagende Partei auch das versicherte Risiko nicht überschritten.

Das Klagebegehren erweist sich aus diesem Grunde als berechtigt. Es war deshalb der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Verfahrenskosten erster Instanz auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41, 50 ZPO.

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