OGH 3Ob155/87

OGH3Ob155/8716.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Sentspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Nikolina H***, Hausfrau, Bischofstetten, Thonach 24, vertreten durch Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Berta K***, Hausfrau, Bischofstetten Nr.73, vertreten durch Dr. Friedrich Riedl-Riedenstein, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 24.Oktober 1986, GZ R 136,242/86-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mank vom 18.Februar 1986, GZ C 6/86 -4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Exszindierungsklage erhebt die Klägerin Widerspruch gegen eine von der beklagten Partei als betreibende Partei gegen den Mann der Klägerin als verpflichtete Partei betriebene Exekution nach § 352 EO. Die Klägerin macht geltend, daß sich auf der zu versteigernden Liegenschaft die Ehewohnung befinde. In den Versteigerungsbedingungen werde nicht auf die Erhaltung der Wohnmöglichkeit für die Klägerin Bedacht genommen. Die Beklagte und der Mann der Klägerin hätten das dem Versteigerungsverfahren zugrundeliegende Versäumungsurteil vereinbarungsgemäß ergehen lassen, um die Klägerin um ihre Ansprüche auf die Ehewohnung zu bringen. Das Versteigerungsverfahren werde offensichtlich im Einvernehmen mit dem Mann der Klägerin betrieben. Dieses Vorgehen stelle den Versuch einer Umgehung des § 97 ABGB dar. Der Beklagten sei die gegebene Situation voll bekannt. Sie versuche im Einvernehmen mit dem Mann der Klägerin, diese von der Benützung der Ehewohnung auszuschalten. Der Sinn der Bestimmung des § 97 ABGB verlange die Geltung dieser Gesetzbestimmung auch gegenüber einem Miteigentümer. Nur wenn die Beklagte gemeinsam mit dem Mann der Klägerin in den Versteigerungsbedingungen Vorsorge treffen würde, daß die Wohnmöglichkeit für die Klägerin trotz der Versteigerung der Liegenschaft erhalten bleibe, könne die Exekution zulässig sein. Die klagende Partei stellte das Klagebegehren, die von der beklagten Partei zu E 1610/85 des Bezirksgerichtes Mank gegen den Mann der Klägerin beantragte Exekutionsführung durch Versteigerung der Liegenschaft EZ 639 der KG Bischofstetten sei unzulässig. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Prüfung des geltend gemachten Klagsgrundes mit der Begründung ab, die Bestimmung des § 97 ABGB wende sich nur an den anderen Ehegatten, nicht an einen Dritten. Im Teilungsverfahren hätte der Mann der Klägerin nicht geltend machen können, er müsse auf die Wohnmöglichkeit der Klägerin Bedacht nehmen. Für den Fall einer dolosen Beteiligung der Beklagten komme nur ein Schadenersatzanspruch, nicht aber eine Exszindierungsklage in Betracht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und betonte vor allem, daß nur ein obligatorischer Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte in Betracht komme, der keinen Exszindierungsgrund darstellen könne. Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Vorliegen einer hinreichenden Literatur und Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet dieses Ausspruches zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspricht, daß die Rechte des § 97 ABGB in gewissen Fällen nicht nur gegenüber dem Ehepartner, sondern auch gegenüber einem bösgläubigen Dritten durchdringen (SZ 56/26, MietSlg 35.002), und zur Frage der Möglichkeit einer Exszindierungsklage der vorliegenden Art eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes überhaupt fehlt. Die Revision ist auch berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß § 97 ABGB in erster Linie nur einen Unterlassungs- und allenfalls auch Leistungsanspruch gegen den anderen Ehegatten schafft. Ausnahmsweise kann aber doloses Zusammenwirken des verfügungsberechtigten Ehegatten mit einem Dritten zur Schadenersatzpflicht des Dritten führen. Primär besteht dann dessen Verpflichtung zur Naturalrestitution (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 97). Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, daß ein solches bösgläubiges Zusammenspiel auch einredeweise gegen eine Räumungsklage geltend gemacht werden kann (SZ 56/26 ua.). Um den vom Gesetz gewünschten Schutz des auf die bisherige Ehewohnung angewiesenen Ehegatten sicherzustellen, muß dem betroffenen Ehepartner folgerichtig auch das Recht eingeräumt werden, gegen eine ihm nachteilige Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, welche im Miteigentum des Ehepartners und eines Dritten steht, Widerspruch zu erheben. Nur so kann verhindert werden, daß die Beklagte und der Mann der Klägerin das Exekutionsverfahren nach § 352 EO bewußt zu dem Zweck mißbrauchen, die Klägerin um ihre Wohnmöglichkeit in der bisherigen Ehewohnung zu bringen, statt einen zwischen ihnen vielleicht derzeit nicht aktuellen Teilungsanspruch durchzusetzen. Wenn also die Beklagte im bösgläubigen Zusammenspiel mit dem Mann der Klägerin das Versteigerungsverfahren nur zum Scheine oder in Kenntnis des Wohnbedarfes der Klägerin mit dem Hauptzweck der Schädigung der Klägerin bei eindeutigem Überwiegen des unlauteren Motivs (vgl. Reischauer in Rummel ABGB Rz 59 zu § 1295) betreiben sollte, dann stünde der klagenden Partei das Recht zu, darauf zu dringen, daß die Versteigerung unterlassen oder in einer Weise durchgeführt wird, daß ihr Wohnbedarf sichergestellt bleibt.

Ohne Prüfung des Wissensstandes und der Absicht der Beklagten im Zusammenhang mit der von ihr betriebenen Teilung der gemeinschaftlichen Liegenschaft ist die Sache nicht spruchreif, weshalb die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben waren. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte