OGH 14Os173/87 (14Os174/87)

OGH14Os173/87 (14Os174/87)16.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Norbert R*** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21.November 1985, GZ 4 U 1305/85-9 und des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 20. August 1986, AZ 22 Bl 60/86, nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21. November 1985, GZ 4 U 1305/85-9, wurde der am 29.Dezember 1936 geborene deutsche Staatsangehörige Norbert R*** des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 30.August 1985 in Vöcklabruck versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Kamm und einen Textilkleber im Gesamtwert von 66,80 S, der M***-M*** GesmbH mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Waren - nachdem er die Verpackung gefaltet hatte - in seine Hosentasche steckte und an der Kassa nicht zur Bezahlung vorwies. Er wurde hiefür zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 185 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Der vom Angeklagten dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 20.August 1986, AZ 22 Bl 60/86 - welches die Feststellungen des Ersturteils übernahm - nicht Folge gegeben. Die Anwendbarkeit des § 42 StGB wurde vom Berufungsgericht deshalb ausgeschlossen, weil das Verschulden des Angeklagten nicht als gering zu beurteilen sei, wobei es insbesondere auf das "gezielte Vorgehen des Angeklagten, um diese an sich gebrachten Gegenstände aus dem M***-M*** zu bringen" (worunter ersichtlich zu verstehen ist, daß der Angeklagte die Packungen der Waren knickte, um sie in seine Hosentasche stecken zu können) verwies. Es vermeinte ferner, bei Prüfung der Entbehrlichkeit der Bestrafung auch unter Gesichtspunkten der Generalprävention könne nicht davon ausgegangen werden, daß es sich lediglich um einen Bagatellfall gehandelt habe, weil aus zwei verschiedenen Abteilungen des Kaufhauses Waren weggenommen wurden.

Norbert R*** hat die Geldstrafe am 22.August 1986 bezahlt; über einen von ihm am 5.August 1987 eingebrachten Wiederaufnahmsantrag ist noch nicht entschieden worden.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer gemäß § 33 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beantragt die Generalprokuratur die Feststellung, daß die eingangs bezeichneten Urteile des Bezirksgerichtes Vöcklabruck und des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht - zufolge Nichtannahme des sachlichen Strafausschließungsgrundes mangelnder Strafwürdigkeit der Tat - das Gesetz in der Bestimmung des § 42 Abs 1 StGB verletzen. Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß § 42 Abs 1 StGB ist eine von Amts wegen zu verfolgende Tat, die nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedroht ist, nicht strafbar, wenn

  1. 1. die Schuld des Täters gering ist,
  2. 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, und überdies

    3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

    Angesichts der in § 127 Abs 1 StGB normierten Strafdrohung des (von Amts wegen zu verfolgenden) Diebstahls sowie des Umstands, daß der in Rede stehende Angriff auf fremdes Vermögen - teilweise (siehe unten) - beim Versuch geblieben ist, nach der Aktenlage auch keine sonstigen Folgen nach sich gezogen hat und Erwägungen der Spezialprävention im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten eine Bestrafung nicht erfordern, hängt die Beurteilung der Strafwürdigkeit der gegenständlichen Tat vom Grad der Schuld des Täters (§ 42 Abs 1 Z 1 StGB) und davon ab, ob dessen Bestrafung aus generalpräventiven Erwägungen geboten ist (§ 42 Abs 1 Z 3 StGB). Die zuletzt bezeichneten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

    Zu Recht bringt die Beschwerde zunächst zum Ausdruck, daß sich die Annahme (bloß) geringer Schuld nicht schon allein damit rechtfertigen läßt, daß die Tat beim Versuch geblieben ist. Hinzu kommt vorliegend, daß der gegenständliche Diebstahl in Wahrheit in Ansehung eines Teiles des Diebsgutes vollendet worden ist. Denn bei verhältnismäßig kleinen Sachen, die leicht in der Kleidung oder am Körper verborgen werden können, ist der Diebstahl schon mit dem (unbemerkt gebliebenen) Einstecken durch den Dieb am Tatort vollendet (vgl. Steininger in RZ 1981, 24 f). Diese für die Tatvollendung erforderlichen Kriterien sind jedenfalls hinsichtlich der (vom Hausdetektiv nicht wahrgenommenen) Wegnahme des Textilklebers erfüllt, den der Angeklagte zudem nicht zugleich mit dem Kamm (bei der Kassa), sondern erst bei einer nachträglichen Kontrolle im Büro herausgegeben hat (S 31, 38 f, 73, 75). Entgegen der Meinung der Generalprokuratur kommt jedoch in diesem Zusammenhang dem von den Untergerichten ins Treffen geführten Umstand besondere Bedeutung zu, daß die (beiden) diebischen Zugriffe an zwei voneinander relativ weit entfernten Stellen des Selbstbedienungsmarktes erfolgten, wobei sich das vom Berufungsgericht angenommene planmäßige Vorgehen - mag hiefür auch weder eine längere Überlegung noch ein nennenswerter Zeitaufwand erforderlich gewesen sein - auch darin manifestiert, daß Norbert R*** entgegen den allgemein bekannten Gepflogenheiten beim Besuch von Selbstbedienungsläden die Packung der jeweils an sich genommenen Waren - jene des Textilklebers sogar zweimal - knickte, um sie in seine Hosentaschen stecken zu können.

    Bei dieser Sachlage kann demnach von einem erheblichen Zurückbleiben des aktuellen Tatverhaltens hinter dem in der Strafdrohung des § 127 Abs 1 StGB typisierten Unrechts- und Schuldgehalt keine Rede sein. Daran vermag auch die gegenteilige, insbesondere den (geringen) Wert des Diebsgutes in den Vordergrund rückende Beschwerdeargumentation nichts zu ändern.

    Fehlt demzufolge bereits eine der (mehreren) Voraussetzungen des § 42 Abs 1 StGB, die zur Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat jedenfalls kumulativ vorliegen müßten, so kommt noch hinzu, daß der Generalprävention bei Massendelikten wie hier erhöhte Bedeutung zukommt. Unter diesem Gesichtspunkt steht aber aus den zuvor dargelegten Gründen der Anwendung der Bestimmung des § 42 StGB - die keinesfalls als eine Art Freibrief für die sanktionslose Begehung von geringfügigen Ladendiebstählen verstanden werden darf (vgl. EvBl 1986/82) - auch der Umstand entgegen, daß es bei der konkreten Fallgestaltung zur Stärkung der Normentreue der Bevölkerung wie auch zur Abhaltung anderer potentieller Täter von gleichartigen strafbaren Handlungen jedenfalls einer Bestrafung bedarf.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

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