OGH 10Ob509/87

OGH10Ob509/8715.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine B***, Pensionistin, 6020 Innsbruck, Bienerstraße 20, vertreten durch Dr. Martin Stoll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei L***, vertreten durch den Landeshauptmann,

6020 Innsbruck, vertreten durch Herbert Hillebrand und Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 162.265,-- und Feststellung (S 65.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27. März 1987, GZ 6 R 383/86-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. August 1986, GZ 15 Cg 41/85-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin stürzte am 1. August 1982 als Besucherin auf einer Holztreppe im Krankenhaus Hochzirl, dessen Rechtsträgerin die Beklagte ist, und verletzte sich dabei schwer.

Das Erstgericht wies die auf Zahlung von S 162.265,-- samt Zinsen und auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen unfallbedingten Schäden gerichteten Klagebegehren ab. Zu den Gegebenheiten an der Unfallstelle und zum Ablauf des Unfalls stellte es fest:

Die (Holz-)Stiege führt vom Erdgeschoß über 13 Stufen zu einem Absatz und dann in der Gegenrichtung über weitere 13 Stufen in den ersten Stock. Sie verfügt über ein 1,20 m hohes Geländer mit Handlauf. Am Unfalltag waren die Stufen 30 bis 31,5 cm breit, 1,20 m lang und 13,5 bis 14,5 cm hoch. Stufenbreite und Tritthöhe entsprachen den Normen. Die Stufenkanten waren insbesondere in der Mitte und zum Geländer hin abgetreten und abgerundet. Im Bereich der zahlreichen Äste waren die Stufen wegen des harten Holzes glatter als im astfreien Bereich. Im Stiegenhaus selbst gibt es keine elektrische Beleuchtung, doch wird es durch die Deckenlampe vom ersten Stock und bei Tageslicht durch zwei große Fenster in Höhe des Treppenabsatzes auch bei trübem Wetter ausreichend ausgeleuchtet. Die Klägerin, die ihren im Krankenhaus Hochzirl liegenden Ehegatten dort in den letzten 14 Tagen vor dem Unfall täglich besucht und die beschriebene Stiege vom Erdgeschoß in den ersten Stock benützt hatte, wollte am 1. August 1982 nach der Besuchszeit über diese Stiege vom ersten Stock in das Erdgeschoß gehen. Dabei hielt sie sich am Handlauf fest. Sie trug Schuhe mit Ledersohlen und ca. 4 bis 5 cm hohen Absätzen. Auf der dritten oder vierten Stufe von oben kam sie zu Sturz und zog sich dabei schwere Verletzungen zu. Welche Ursachen für diesen Sturz verantwortlich waren, konnte nicht geklärt werden. Die Stiege war weder regennaß noch mit Wachs eingelassen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß die Klägerin infolge einer abgerundeten glatten Stufenkante oder auf einer durch einen Ast besonders glatten Stelle einer Holzstufe ausrutschte. Obwohl die Holzstiege täglich von Personal, Patienten und Besuchern benützt wurde, kam es noch nie zu einem derartigen Unfall. Das Krankenhaus Hochzirl wird einmal jährlich vom Arbeitsinspektorat überprüft. Dieses trug der Beklagten erst im Herbst 1985 nach Kenntnis des Unfalls der Klägerin auf, die Holzstiege wieder sicher begehbar zu machen oder als Verbindungsweg zu sperren. Der anordnende Beamte hätte den Zustand der Stiege ohne Kenntnis des Unfalls der Klägerin nicht bemängelt.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes mußte die vor und nach dem Unfall jährlich vom Arbeitsinspektorat überprüfte (und bis Herbst 1985 nicht beanstandete), jahrelang anstandslos von Personal, Patienten und Besuchern benützte Stiege den für das Landeskrankenhaus Hochzirl verantwortlichen Organen der Beklagten nicht als Gefahrenquelle auffallen. Die Beklagte trage daher kein Verschulden daran, daß sie nicht zeitgerecht für die Sanierung sorgte, falls deren Zustand überhaupt für den Unfall der Klägerin ursächlich war. Weil die Klägerin als Besucherin auch nicht in den Schutzbereich des mit ihrem Ehegatten abgeschlossenen Krankenbehandlungsvertrages einbezogen gewesen sei, komme auch eine Haftung wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es fand die Beweisrüge nicht berechtigt und teilte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß eine Einbeziehung von Krankenbesuchern in den Schutzbereich des Krankenbehandlungsvertrages nicht in Betracht komme. Die Beklagte treffe zwar eine Verkehrssicherungspflicht, diesbezüglich komme aber nur die Besorgungsgehilfenhaftung nach § 1315 ABGB in Betracht. Weder aus den Behauptungen der Klägerin noch aus den erstgerichtlichen Feststellungen noch aus den Beweisergebnissen sei ein Sachverhalt abzuleiten, der die Voraussetzungen einer solchen Haftung erfülle.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes seiner Entscheidung S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Letzteren Ausspruch begründete es mit der nicht einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die vertragliche Pflicht des Rechtsträgers einer Krankenanstalt zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit naher Angehöriger von Patienten während eines Krankenbesuches. Dabei verwies es auf die Entscheidungen JBl. 1985, 293 und EvBl 1986/110. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Da der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld und Geldeswert S 300.000,-- nicht übersteigt, wäre die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhinge, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre oder eine solche Rechtsprechung fehlen würde oder uneinheitlich wäre.

Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, daß die Rechtsfrage, ob die vertragliche Sorgfaltspflicht des Rechtsträgers einer Krankenanstalt auch gegenüber Besuchern von Patienten besteht, vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen JBl. 1985, 293 (und JBl. 1987, 250) einerseits und EvBl 1986/110 = JBl. 1986, 452 andererseits nicht einheitlich gelöst wurde.

Die Entscheidung dieses Rechtsstreites hängt jedoch gar nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab.

Eine Voraussetzung der Zurechnung des Schadens der Klägerin an die Beklagte ist, daß diese durch eigenes Verhalten (Handlung oder Unterlassung) den Schaden verursacht hat oder daß Sachen oder Personen, für die sie einzustehen hat, ursächlich waren (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 52 f; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1295; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht AT3 258 f;

Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I8 412). Der Beweis der Kausalität oblag der Klägerin (Koziol a.a.O. I 333;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 340 f; Koziol-Welser a.a.O. 421). An diesen Beiweis dürfen zwar - insbesondere soweit es um Unterlassungen geht - keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, weshalb schon der Beweis eines (sehr) hohen Wahrscheinlichkeitsgrades genügen würde (Koziol a.a.O. I 327;

Reischauer a.a.O. Rz 3 zu § 1295;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 259 FN 3; SZ 36/45 ua.). Selbst dieser Beweis ist der Klägerin aber nicht gelungen. Das Erstgericht konnte nicht klären, welche Ursachen für den Sturz der Klägerin verantwortlich waren. Die festgestellte Möglichkeit, daß die Klägerin infolge einer abgerundeten glatten Stufenkante oder auf einer durch einen Ast besonders glatten Stelle einer Holzstufe ausrutschte, stellt im Hinblick auf die weitere Feststellung, daß die Holzstiege täglich von Personal, Patienten und Besuchern benützt wurde und es noch nie zu einem derartigen Unfall kam, keinen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad dar, sondern macht eher wahrscheinlich, daß die Ursache des Sturzes im Verhalten der Klägerin lag. Schon deshalb erweist sich die Abweisung der Klagebegehren durch die Vorinstanzen als richtig, weshalb die Entscheidung nicht von den in der Revision aufgeworfenen, die Rechtswidrigkeit und das Verschulden der Beklagten betreffenden Rechtsfragen abhängt. Die Revision wird daher aus keinem zulässigen Revisionsgrund begehrt (§ 503 Abs 2 ZPO) und war deshalb zurückzuweisen. Da die Unzulässigkeit der Revision in deren Beantwortung nicht geltend gemacht wurde, war dieser Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig (§ 507 Abs 1 Satz 3 ZPO), weshalb die Klägerin die damit verbundenen Kosten nicht zu ersetzen hat (§§ 41 und 50 ZPO).

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