Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 18.421,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 960,-- und die Umsatzsteuer von S 1.587,--) je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der minderjährige Kläger begehrte von den Beklagten die Bezahlung eines Schmerzengeldes von S 428.000 s.A. Außerdem beantragte er die Feststellung, daß die Beklagten ihm für alle künftigen Schäden aus dem Unfall in der Werkshalle der Zweitbeklagten hafteten. Am 19.7.1983 habe der Erstbeklagte eine Eisenstange ohne Beachtung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen abzudrehen versucht, eine zu hohe Drehgeschwindigkeit der Maschine gewählt und dabei die Aufsicht über den in der Nähe befindlichen Kläger vernachlässigt, sodaß dieser beim Arbeitsvorgang verletzt wurde. An der Drehbank hätten sämtliche gemäß der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung und der Maschinenschutzverordnung vorgeschriebenen Schutzumhüllungen für herausragende Teile der Eisenstange gefehlt.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der damals schon 12jährige Kläger habe vom Erstbeklagten ausdrücklich die Weisung erhalten, sich außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten. Der Kläger habe dieser Weisung offensichtlich zuwidergehandelt und müsse sich daher die Folgen selbst zuschreiben. Der Erstbeklagte habe das Verbiegen der Eisenstange nicht vorhersehen können. Die Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung schütze nur Dienstnehmer und außerdem nur Personen die sich befugterweise im Gefahrenbereich befänden. Die Maschinenschutzvorrichtungsverordnung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf nachstehende Feststellungen:
Am 19.7.1983 gegen 16 Uhr kamen Stefan W***, der Sohn des Erstbeklagten, sowie sein Freund, der Kläger, zum Betrieb der Zweitbeklagten in Grieskirchen. Beide Kinder ersuchten den Erstbeklagten, der als Werkmeister bei der Zweitbeklagten beschäftigt ist, er möge ihnen eine 120 cm lange Eisenstange mit einem Durchmesser von 16 mm so herrichten, daß man zwei Räder montieren könne. Die Kinder wollten ein Go-Kart bauen. Die Eisenstange hatten sie zuvor beim E*** W*** gekauft, was sie dem Erstbeklagten auch mitteilten. Er begutachtete zunächst das Werkstück. Irgendwelche Umstände, die darauf hingedeutet hätten, daß die Eisenstange für die bevorstehende Bearbeitung ungeeignet gewesen wäre, waren nicht erkennbar. Es handelte sich um einen Maschinenbaustahl üblicher Qualität. Die Stange ragte 635 mm aus der Drehbank hervor.
Bevor der Erstbeklagte die Maschine in Betrieb nahm, wies er die beiden Kinder an, von der Drehbank zurückzutreten und sich während der Arbeiten außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten. Beide leisteten der Weisung Folge. Der Kläger trat bis zu einem Tisch zurück, der sich mindestens 1 bis 1,5 m schräg hinter dem Erstbeklagten befand. Erst als sich der Erstbeklagte davon überzeugt hatte, daß beide Buben tatsächlich außerhalb des Gefahrenbereiches standen, schaltete er die Maschine ein und wählte eine Drehzahl von 415 Umdrehungen pro Minute. Nach dem Einschalten der Maschine fing der frei umlaufende Teil der Eisenstange plötzlich an zu schlagen und verbog sich. Obwohl der Erstbeklagte die Maschine sofort ausschaltete, hatte sich die Eisenstange nahezu rechtwinkelig abgebogen. Erst beim Versuch, die Eisenstange abzuspannen, stellte er fest, daß der Kläger ca. 2 m von der Drehbank entfernt verletzt auf dem Hallenboden lag. Wie der Kläger in den Bereich des ausschlagenden Werkstückes gelangte, konnte das Erstgericht nicht feststellen.
Bei der verwendeten Maschine handelte es sich um eine Leit- und Zugspindel-Spitzendrehbank E*** Maximat V 13, Baujahr 1977, die der Zweitbeklagten am 3.5.1977 von der Firma S*** geliefert worden war. Eine permanente Schutzvorrichtung bzw. Schutzumhüllung zur Abdeckung herausragender Teile war nicht montiert. Zuvor hatten sich in der Werkshalle auch an dieser Drehbank keine derartigen Unfälle ereignet. Die Drehbank dient üblicherweise dazu, Lusterrohre mit 16x1 Gewinden zu versehen. Die Rohre bestehen aus Eisen, weisen eine Maximallänge von einem Meter, einen Druchmesser von 16 mm und Wandstärke von 2 bis 2,5 mm auf.
Bei der verwendeten Drehbank handelte es sich nicht um eine Automatendrehbank. Da sie nur sporadisch zur Verarbeitung von hervorstehendem Material verwendet wurde, war das Vorhandensein einer permanenten Umhüllung nicht sinnvoll und keinesfalls üblich. Mit dem Hinweis an die beiden anwesenden Buben, den Gefahrenbereich nicht zu betreten, hat der Erstbeklagte eine gebräuchliche und ausreichende Sicherheitsmaßnahme gesetzt. Er hat daher durchaus branchenüblich gehandelt. Das Verbiegen der Stange war für einen Durchschnittsfachmann nicht naheliegend und auch nicht vorhersehbar. Technische Fehler des Erstbeklagten bei der Vorbereitung und Ausführung des Drehvorganges konnten vom Erstgericht nicht festgestellt werden.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß eine Haftung des Erstbeklagten nach den Bestimmungen der §§ 1295 ff ABGB nicht gegeben sei. Für ihn habe lediglich eine Sorgfaltspflicht nach dem Grundsatz bestanden, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle geschaffen habe, Schädigungen durch diese verhindern müsse. Er habe also dafür Sorge zu tragen gehabt, daß durch die Inbetriebnahme der Drehbank die beiden anwesenden Kinder nicht zu Schaden kämen. Dies habe er in der Weise getan, daß er sie anwies, sich außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten. Er habe dadurch eine gebräuchliche Sicherheitsmaßnahme gesetzt und seiner Sorgfaltspflicht Genüge getan. Schließlich habe es sich beim Kläger im Zeitpunkt des Vorfalles um einen fast 12jährigen Jungen gehandelt, dem die Einsicht in die drohende Gefahr und ein Verhalten gemäß dieser Einsicht zuzutrauen war. Die Arbeitsweise des Erstbeklagten sei durchaus branchenüblich und innerhalb der gebotenen Sorgfalt gewesen. Ein möglicher, im Nachhinein nicht mehr feststellbarer Materialfehler könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Auch die Zweitbeklagte hafte nicht. Die Bestimmungen der Dienstnehmerschutzverordnung, insbesondere § 82 Abs 2, seien infolge ihres anderen Schutzzweckes, nämlich des Schutzes des Dienstnehmers und nicht anderer, wenn auch befugt anwesender Personen, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. § 16 Abs 2 der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung sehe vor, daß Automatendrehbänke mit Spritzwänden und Verdeckungen für vorstehendes Stangenmaterial versehen sein müßten. Die vom Erstbeklagten verwendete Drehbank sei aber keine Automatendrehbank gewesen, sodaß auch mit dieser Bestimmung für den Kläger nichts gewonnen sei. Die Zweitbeklagte sei aufgrund der normalerweise zu bearbeitenden Lusterrohre nicht dazu verhalten gewesen, derartige Schutzvorrichtungen zu installieren.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verwies darauf, daß zum Zeitpunkt des Unfalles die Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl.1951/265 und die zufolge der Übergangsvorschrift des § 375 Abs 1 Z 54 GewO 1973 damals noch geltende Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung, BGBl. 1961/43, Anwendung fänden. Für den Erstbeklagten komme allenfalls ein Verstoß gegen § 82 Abs 2 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung in Betracht. Da jedoch keine Schutzvorrichtung vorhanden war, sei der Erstbeklagte bloß verpflichtet gewesen, Schutzmaßnahmen anderer Art zu treffen. Dies habe er durch die Anordnung eines sicheren Aufstellungsortes für den Kläger getan. Auch eine Haftung aus einem allgemeinen Gefährdungsverbot komme nicht in Betracht. Der Erstbeklagte habe nicht damit rechnen müssen, daß der damals im 12. Lebensjahr stehende Kläger seinen sicheren Standplatz verlassen werde. Selbst wenn man dennoch zu einem Verschulden des Erstbeklagten gelangen sollte, könnte es sich nur um eine derart leichte Fahrlässigkeit handeln, daß sie gegenüber dem gravierenden Eigenverschulden des Klägers zurückträte. Hinsichtlich der Zweitbeklagten habe schon das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich bei der im vorliegenden Fall verwendeten Drehbank um keine Automatendrehbank handelte. § 16 Abs 2 Satz 2 Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung gelange daher nicht zur Anwendung. Wenn § 82 Abs 2 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung anordnet, daß bei Drehbänken vorstehendes umlaufendes Material, wie Stangen und ähnliche Gegenstände, mit einem feststehenden Schutz zu umhüllen sind, so beziehe sich dies nicht auf das Werkstück, sondern auf einen Bestandteil der Drehbank. Die Zweitbeklagte habe daher gegen keine Schutzvorschrift verstoßen.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen oder es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger stellt sich in seinem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß beide Beklagte gegen die Schutzvorschrift des § 82 Abs 2 Dienstnehmerschutz-VO verstoßen hätten. Außerdem hafteten die Beklagten deshalb, weil sie eine Gefahrenquelle schufen, ohne die notwendigen Vorkehrungen zur Verhinderung der Schädigung anderer Personen zu treffen. Dem ist zu erwidern:
Nach § 16 Abs 2 der zum Zeitpunkt des Unfalles geltenden Maschinenschutzvorrichtungs-VO müssen nur "Automatendrehbänke ...., Verdeckungen für vorstehendes Stangenmaterial haben". Die Drehbank der vorliegenden Type war jedoch nur eine solche "normaler" Art, deren Ausrüstung dem Stand der Technik und den sicherungstechnischen Vorschriften entsprach; für diese Maschine war keine Verdeckung im dargestellten Sinn vorgesehen (Sachverständiger in AS 29). Dies erkennt auch der Revisionswerber, der einen Verstoß gegen § 16 Abs 2 Maschinenschutvorrichtungs-VO nicht mehr releviert. Gemäß § 82 Abs 2 Dienstnehmerschutz-VO ist bei "Drehbänken hervorstehendes umlaufendes Material, wie Stangen und ähnliche Gegenstände, mit einem feststehenden Schutz zu umgeben". Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung im Zusammenhang mit § 16 Abs 2 der Maschinenschutzvorrichtungs-VO (der nur eine schützende Abdeckung für Automatendrehbänke kennt) mit dem Berufungsgericht dahin verstanden werden kann, daß sie sich nicht auf das Werkzeug, sondern bloß auf einen Bestandteil der Drehbank bezieht. Selbst wenn man nämlich den Standpunkt bezöge, daß auch die Drehbank der vorliegenden einfachen Type zumindest im Sinne des § 82 Abs 2 Dienstnehmerschutz-VO einen feststehenden Schutz hätte haben müssen, wäre für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen:
Wie der Sachverständige eindeutig klarlegte, ist das "Vorhandensein einer permanenten Umhüllung" einer solchen Maschine einfacher Bauart "nicht sinnvoll und keinesfalls üblich" (AS 29). Ein Verstoß der Zweitbeklagten gegen die bejahendenfalls als Schutzvorschrift aufzufassende Bestimmung des § 82 Abs 2 Dienstnehmerschutz-VO wäre jedenfalls derart minimal, daß sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles, bei dem auch unwiderlegt blieb, daß die vorliegende Drehbank jahrelang so verwendet wurde, wie sie geliefert worden war, bei einer Bemessung des Verschuldensanteiles vernachlässigt werden müßte. Für den Erstbeklagten trifft allerdings zu, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, dafür zu sorgen, das heißt, die entsprechende Sorgfalt anzuwenden hat, daß daraus kein Schaden entsteht. In diesem Sinn sind die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen nach Tunlichkeit zu vermeiden. Es sind jedoch nur zumutbare Maßnahmen zu ergreifen. Die Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt werden; es würde sonst in Wahrheit eine vom Verschulden losgelöste Haftung begründet werden. Im Einzelfall kommt es auch auf die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung an (vgl. SZ 47/124; 3 Ob 555/87 uaz; auch Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1294). Die vorliegenden Umstände rechtfertigten es durchaus, daß sich der Erstbeklagte damit begnügte, die beiden Buben anzuweisen, von der Drehbank zurückzutreten und sich während der Arbeiten außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten, wobei er sich selbst davon überzeugte, daß diese seiner Anweisung auch tatsächlich Folge leisteten. Damit, daß der annähernd 12 Jahre alte Kläger sich in einer von ihm nicht im geringsten Maße zu erwartenden Ungefügsamkeit und Unbedachtheit geradezu in den Arbeitsvorgang hineindrängen und dabei mit dem Werkstück kollidieren werde, konnte und brauchte der Erstbeklagte nicht zu rechnen. Dies haben die Vorinstanzen übereinstimmend richtig erkannt und ein Verschulden des Erstbeklagten - dem nach den getroffenen Feststellungen beim Arbeitsvorgang kein technischer Fehler unterlaufen war - verneint bzw. es zumindest für so geringfügig erachtet, daß es bei der Verschuldensteilung vernachlässigt werden konnte.
Die gegenteiligen Ausführungen der Revision sind nicht stichhältig; ihr war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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