OGH 13Os154/87

OGH13Os154/873.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Horak, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred M*** und Viktor J*** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 142, 143 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 15. September 1987, GZ. 20 Vr 1187/87-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, sowie der Verteidiger Dr. Sarlay und Dr. Schuler, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben. Die verhängten Freiheitsstrafen werden bei Manfred M*** auf 8 (acht) Jahre und bei Viktor J*** auf 5 (fünf) Jahre erhöht. Die Angeklagten werden mit ihren Berufungen hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 22. Juni 1965 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Hilfsarbeiter Manfred M*** und der am 6. Jänner 1968 geborene Koch Viktor J*** sind des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 und 15 StGB. (A), des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1 und 2, 128 Abs 1 Z. 4 StGB. (B 1) - Viktor J*** überdies durch Einbruch nach § 129 Z. 2 StGB. (B 2) - und letzterer auch des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z. 2 WaffG. (C) schuldig erkannt worden. Darnach haben sie mit der abgesondert verfolgten Carmen P*** als Mittäter am 19. März 1987 in Innsbruck getrachtet, der Trafikantin Christine Z*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben Bargeld zu rauben, indem sich Manfred M*** zur Trafik der Z*** begab und ihr einen Schreckschußrevolver vorhalten und Bargeld wegnehmen wollte, während J*** und P*** in Tatortnähe Aufpasserdienste leisteten, wobei die Tat nur wegen des regen Personenverkehrs am Tatort unterblieben ist (A 1); ferner haben sie am selben Tag nächst Völs dem Alfons K*** mit Gewalt gegen seine Person bzw. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 130 Schilling Bargeld und eine Armbanduhr geraubt, indem M*** dem K*** eine Schreckschußpistole in den Nacken drückte, ihn anwies, im Bereich der Kreuzung der Götzner Landesstraße mit der Völser Landesstraße (mit seinem Personenkraftwagen) in einen schmalen Weg zu fahren und anzuhalten, in der Folge aus dem Fahrzeug auszusteigen und sich auf den Boden zu legen, worauf K*** an den Händen gefesselt und mit Papiertaschentüchern und einer zerschnittenen Strumpfhose geknebelt und schließlich über eine Böschung gestoßen wurde, wobei die Täter den Raub in Gesellschaft als Beteiligte und unter Verwendung einer Waffe verübt haben (A 2); weiters haben sie in der Nacht zum 17. März 1987 während einer Eisenbahnfahrt vor St. Michael, Steiermark, in Gesellschaft der Amalia K*** 12.000 S und 100 DM gestohlen (B 1); Viktor J*** hat überdies allein im Winter (Anfang) 1987 in Innsbruck bzw. Neu-Rum durch Aufbrechen eines Zigarettenautomaten drei Schachteln Zigaretten und im Februar 1987 in Neu-Rum in mehreren Zugriffen der Firma S*** mindestens 1.100 S durch Öffnen von an Waschmaschinen angebrachten Münzbehältern mit einem Schraubenzieher gestohlen (B 2 a und b) und schließlich während einer nicht feststellbaren Zeitspanne bis 19. März 1987 ein Springmesser unbefugt besessen (C).

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, in welchen sie jeweils die Gründe des § 345 Abs 1 Z. 6 (von J*** irrig als Z. 5 bezeichnet) und Z. 12 StPO., J*** auch jenen der Z. 8, geltend machen, wenden sich gegen den Schuldspruch wegen des versuchten Raubes (A 1).

Zu § 345 Abs 1 Z. 6 StPO.:

Beiden Beschwerden zuwider verstoßen die Zusatzfragen 1 a und 2 a, ob der jeweils betroffene Angeklagte die Ausführung der in den Hauptfragen 1 und 2 umschriebenen Tat freiwillig aufgegeben und (also kumulativ) freiwillig verhindert habe, keineswegs gegen die Vorschrift des § 313 StPO.: Zufolge § 16 Abs 1 StGB. wird der Täter wegen Versuchs oder Beteiligung daran nicht bestraft, wenn er - beim sogenannten unbeendeten Versuch - freiwillig die Ausführung aufgibt oder, falls mehrere daran beteiligt sind, verhindert oder wenn er - beim sogenannten beendeten Versuch - freiwillig den Erfolg abwendet (siehe LSK. 1976/277). Bei Beteiligung mehrerer an einem unbeendeten (zur Erfolgsherbeiführung noch weiterer Handlungen bedürfenden) Versuch genügt es also nicht, daß der Täter seine eigene Handlung abbricht; er muß auch verhindern, daß die strafbare Handlung durch einen der anderen Beteiligten zu Ende geführt wird (Dokumentation zum StGB., S. 69, rechte Spalte unten; nochmals LSK. 1976/277). Weder die vom Angeklagten J*** (schon in der Hauptverhandlung: S. 183/II) angestrebte alternative Fragestellung, ob er die Tatausführung freiwillig aufgegeben oder (also alternativ) freiwillig verhindert habe, noch die vom Angeklagten M*** verlangte Beschränkung der Zusatzfrage darauf, ob er die Tatausführung freiwillig aufgegeben (nicht aber zusätzlich verhindert) habe, hätte die gesetzlichen Voraussetzungen strafaufhebenden Rücktritts von dem hier durch mehrere unternommenen unbeendeten Raubversuch vollständig erfaßt.

Zu § 345 Abs 1 Z. 8 StPO.:

Die vom Beschwerdeführer J*** vermißte Belehrung der Geschwornen darüber, daß das Aufgeben der Tatausführung durch einen Beteiligten auch für die Straflosigkeit eines Versuchs mehrerer Beteiligter hinreicht, falls bereits dadurch die Vollendung verhindert wird (insbesondere bei Abstandnahme aller Täter von ihrem Vorhaben), erübrigt sich. Diese Konsequenz ergibt sich, auch für den Laien verständlich, schon aus dem Hinweis der Rechtsbelehrung auf das bei Beteiligung mehrerer entscheidende Erfordernis, daß der freiwillig zurücktretende Täter (etwa) schon dadurch die weitere Ausführung der Tat durch die anderen Beteiligten, u.U. unabhängig von deren Gesinnungswandel, verhindert, daß es somit letztlich entscheidend doch auf das Verhindern ankommt.

Zu § 345 Abs 1 Z. 12 StPO.:

Der Angeklagte M*** behauptet unter Hinweis auf die allerdings nur rechtspolitisch konstruierte Infirmitätstheorie (siehe Foregger-Serini3 § 16 StGB., Erl. I), daß (dem Wahrspruch zuwider) die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 StGB. erfüllt seien. Er macht damit weder einen Subsumtionsirrtum (Z. 12) noch einen anderen Nichtigkeitsgrund geltend. Denn, anders als im Schöffenverfahren nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO., können im geschwornengerichtlichen Verfahren nur Gründe des Prozeßrechts (siehe §§ 311, 337 StPO.) unmittelbar aus einem Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden (§ 345 Abs 1 Z. 11 lit b StPO.), nicht aber Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, die als Institutionen des materiellen Rechts Gegenstände der unter der Sanktion des § 345 Abs 1 Z. 6 StPO. stehenden Fragestellung sind. Der Zusatzfragen nach einem allgemeinen Strafaufhebungsgrund beantwortende Wahrspruch ist damit aus einem materiellen Nichtigkeitsgrund nicht anfechtbar (Mayerhofer-Rieder2, § 345 Abs 1 Z. 11 lit b StPO., ENr. 4, 5). Der Angeklagte J*** erblickt eine Nichtigkeit nach Z. 12 in der Annahme, daß die Tat bereits bis ins Versuchsstadium gediehen sei. Zunächst unterläßt er jeglichen Hinweis auf das seiner Ansicht nach an Stelle der §§ 15, 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB. anzuwendende Strafgesetz. Doch selbst wenn man eine solche andere Strafnorm (§ 277 Abs 1 StGB.) dem Beschwerdevorbringen andeutungsweise entnehmen wollte, wäre die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt: Geht sie doch davon aus, daß die beiden Angeklagten und die abgesondert verfolgte Carmen P*** an von vornherein festgelegten Standorten erst auf eine günstige Gelegenheit zur Ausführung des Raubes durch Manfred M*** gewartet hätten, wogegen der betreffende Wahrspruch dem Angeklagten M*** in Übereinstimmung mit dessen Verantwortung vor der Gendarmerie (S. 27/I) und dem darauf beruhenden Anklagevorwurf zur Last legt, er habe mit dem Vorsatz, der Trafikantin einen Schreckschußrevolver vorzuhalten und ihr Bargeld wegzunehmen, sich zur Trafik begeben, die Tatausführung aber wegen des damals regen Kundenverkehrs unterlassen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verhängte über die Angeklagten nach §§ 28, 132, erster Strafsatz, StGB. Freiheitsstrafen, und zwar über Manfred M*** eine solche von sieben Jahren, über Viktor J*** unter Anwendung des § 41 StGB. eine solche von dreieinhalb Jahren. In der Strafbemessung waren bei M*** erschwerend drei einschlägige Vorstrafen, die Wiederholung des Raubes und dessen Zusammentreffen mit einem Diebstahl, die doppelte Qualifikation der Raubfakten (Begehung in Gesellschaft und unter Verwendung einer Waffe), ferner die Verleitung anderer zu strafbaren Handlungen und seine durchwegs führende Beteiligung an Raub und Diebstahl; schließlich die leichte Verletzung des Raubopfers und dessen Gesundheitsstörung durch einen psychogenen Schock; mildernd waren hingegen M*** umfassendes und reumütiges Geständnis, das zur Wahrheitsfindung entscheidend beitrug, daß es in einem Fall beim Versuch des Raubes blieb und beim zweiten Fall die Rückstellung der Beute; schließlich noch eine geringe Milieuschädigung. Bei J*** waren erschwerend die Wiederholung der Raubüberfälle, deren doppelte Qualifikation, das Zusammentreffen mit drei Diebstählen, darunter einem Einbruchsdiebstahl, und mit einem Vergehen nach dem Waffengesetz; mildernd waren die Begehung aller Straftaten vor Vollendung des 21. Lebensjahrs und die altersbedingte (mangelhafte) Persönlichkeitsreife; ferner die Unbescholtenheit, die untergeordnete Beteiligung bei beiden Raubfakten, daß es in einem Fall beim Versuch blieb und insbesondere das umfassende und reumütige Geständnis, das zur Wahrheitsfindung entscheidend beigetragen hat und durch das der Raubversuch und die Diebstähle überhaupt erst bekannt wurden; schließlich, daß J*** aus seinen Ersparnissen und seinem Lohnguthaben den Schaden der Amalia K*** fast zur Gänze gutgemacht hat, obwohl er nur einen geringen Beuteanteil erhalten hatte, sowie die objektive Schadensgutmachung beim vollendeten Raub.

Diese Strafaussprüche bekämpfen die Staatsanwaltschaft und die beiden Angeklagten mit Berufungen, erstere mit dem Antrag auf Erhöhung der Freiheitsstrafen, bei J*** unter Abstandnahme von einer außerordentlichen Strafmilderung; die beiden Angeklagten streben hingegen eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen an. Lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Alfred M*** hat am 22. Juni 1986 sein 21. Lebensjahr vollendet; zu den Tatzeiten (17. und 19. März 1987) stand er daher nicht mehr kurz nach Vollendung des 21. Lebensjahrs (Leukauf-Steininger2, § 34 StGB. RN. 3). Die Schadensgutmachung zum Diebstahl, die nur von J*** geleistet wurde, vermag ihn nicht entscheidend zu entlasten. Eine untergeordnete Rolle des Angeklagten J*** in den beiden Raubfakten ist nicht anzunehmen: War es doch J***, der die Fesselung und Knebelung des K*** ermöglichte, indem er diesen ständig mit dem Schreckschußrevolver bedrohte. Diesen, von den Berufungen der Angeklagten aufgegriffenen, aber nicht durchschlagenden Aspekten steht die in der Berufung der Anklagebehörde zusammenfassend zum Ausdruck gebrachte Ansicht gegenüber, daß die Deliktskonkurrenz, die mehrfache Qualifikation des gemeinsam begangenen Diebstahls und besonders die abstoßende Nachhaltigkeit der gegen das zu einem Hilfsdienst bereite Raubopfer Alfons K*** geübten Gewalt mit den fühlbaren Folgen (S. 179/II unten) die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung bei dem - lediglich in einem Faktum - geringer involvierten J*** verbieten. Bei ihm kann mit der gesetzlichen Mindeststrafe gerade noch das Auslangen gefunden werden, wobei auch dem sicher zu seinen Gunsten sprechenden erfolgreichen Bemühen um Schadensgutmachung (S. 176/II) gehörig Rechnung getragen wird.

Demgemäß war die über Manfred M*** verhängte Freiheitsstrafe seinem getrübten Vorleben (ON. 56) und der führenden Rolle bei der Begehung gemeinsam verübter Straftaten sowie seiner darin manifest gewordenen höheren Schuld entsprechend anzuheben.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten hierauf zu verweisen.

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