Spruch:
Der Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 5. August 1987, GZ 12 E Vr 418/83-37, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG und der §§ 48 Abs. 3 und 49 StGB sowie in dem sich aus den Vorschriften des XX.Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz, daß in derselben Sache nicht nochmals entschieden werden darf ("ne bis in idem").
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Werner F*** wurde nach teilweiser Verbüßung von insgesamt vier Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 19 Monaten im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Ried im Innkreis, darunter der mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 21.April 1983 (in der Urteilsausfertigung unrichtig: 20.April 1983; vgl. S 67 und 68 dA), GZ 12 E Vr 418/83-15, über ihn wegen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten, im Zuge der "Weihnachtsamnestie 1983" durch Gnadenakt des Bundespräsidenten vom 12.Dezember 1983, Zl. 550-08/5/83, am 15. Dezember 1983 bei einem noch aushaftenden Strafrest von einem Jahr, einem Monat und fünfzehn Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Strafhaft entlassen (ON 27 in 12 E Vr 418/83 des Kreisgerichtes Wels).
Wegen des innerhalb der Probezeit, nämlich am 26.August 1984 in Jugoslawien begangenen Deliktes der Notzucht wurde Werner F*** mit Urteil des Kreisgerichtes Zadar am 18.Oktober 1984, AZ K-21/84, in der Fassung der Rechtsmittelentscheidung des Obersten Gerichtshofes Kroatiens in Zagreb vom 29.Jänner 1985, GZ I Kz-1229/1984-3, zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, welche er inzwischen (und zwar den Großteil in Jugoslawien und einen Strafrest von rund acht Monaten nach Übernahme der Strafvollstreckung in Österreich; vgl. den Akt 23 Ns 61/86 des Kreisgerichtes Wels) am 27.August 1987 (zuletzt im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Graz) verbüßte (ON 14 in 23 Ns 61/86 des Kreisgerichtes Wels).
Im Hinblick auf diese Verurteilung des Werner F*** wegen der innerhalb der Probezeit begangenen strafbaren Handlung hat das gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG als Vollzugsgericht zur Entscheidung zuständige Kreisgericht Ried im Innkreis (in dessen Gefangenenhaus der Genannte bis zu seiner gnadenweisen bedingten Entlassung am 15.Dezember 1983 in Strafhaft angehalten worden war) innerhalb offener Frist (vgl. §§ 59, 56 StGB) mit Beschluß vom 14. Mai 1987, AZ BE 81/87 (= ON 31 a im Akt 12 E Vr 418/83 des Kreisgerichtes Wels) die bedingte Entlassung gemäß § 53 Abs. 1 StGB widerrufen und den Vollzug der Reststrafen angeordnet. Dieser Widerrufsbeschluß ist in Rechtksraft erwachsen.
Obwohl die Tatsache der Verurteilung des Werner F*** in Jugoslawien wegen der dort innerhalb der Probezeit begangenen Notzucht zu drei Jahren Freiheitsstrafe im Verfahren 12 E Vr 418/83
des Kreisgerichtes Wels seit 16.Juli 1987 bekannt war (vgl. insb. ON 35 im bezeichneten Akt) - wann die dem Kreisgericht Wels übermittelte Ausfertigung des Widerrufsbeschlusses des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 14.Mai 1987, die erst am 31. August 1987 (unter ON 31 a) im Akt 12 E Vr 418/83 einjournalisiert wurde (vgl. die Mitteilung des Kreisgerichtes Wels an die Staatsanwaltschaft vom 8.September 1987 dort einlangte, ist nicht aktenkundig -, hat der Einzelrichter des Kreisgerichtes Wels (auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 5.August 1987; vgl. S 133 dA) mit Beschluß vom 5.August 1987, GZ 12 E Vr 418/83-37, ausgesprochen, daß die in diesem Verfahren über Werner F*** mit Urteil vom 21.April 1983 (ON 15) verhängte "und bedingt nachgesehene" Freiheitsstrafe von acht Monaten endgültig nachgesehen ist. Auch dieser Beschluß ist rechtskräftig geworden.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der eben bezeichnete Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 5. August 1987, GZ 12 E Vr 418/83-37, in mehrfacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Da der Gnadenakt des Bundespräsidenten, aufgrund dessen der Verurteilte Werner F*** am 15.Dezember 1983 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren aus der Strafhaft entlassen worden war, nach dem Inhalt der Entschließung des Bundespräsidenten (vgl. S 141, 143 in 12 E Vr 418/83 des Kreisgerichtes Wels) der Sache nach eine bedingte Entlassung des Genannten aus dem Strafvollzug im Sinne des § 46 StGB darstellte, war - mangels sonstiger Hinweise im Gnadenakt - ausschließlich das Kreisgericht Ried im Innkreis, in dessen Gefangenenhaus Werner F*** bis zu seiner gnadenweisen bedingten Entlassung in Strafhaft angehalten worden war, als Vollzugsgericht gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG zur Entscheidung darüber berufen, ob die Nachsicht der Strafe für endgültig zu erklären (§ 48 Abs. 3 StGB) oder zu widerrufen ist (§ 53 Abs. 1 StGB). Dem Kreisgericht Wels (als seinerzeit erkennendem Gericht) kam insoweit eine Entscheidungsbefugnis nach dem Gesetz nicht zu; es war zur Beschlußfassung auf endgültige Strafnachsicht nicht zuständig, weshalb seine Entscheidung vom 5.August 1987 das Gesetz in der Bestimmung des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG verletzt. Im Hinblick darauf, daß das für die Entscheidung zuständige Kreisgericht Ried im Innkreis als Vollzugsgericht bereits am 14.Mai 1987 die gnadenweise bedingte Entlassung des Werner F*** gemäß § 53 Abs. 1 StGB widerrufen und (ua) den Vollzug der achtmonatigen Freiheitsstrafe angeordnet hat und dieser Widerrufsbeschluß in Rechtskraft erwachsen ist, stand des weiteren einer neuerlichen (gegenteiligen) Entscheidung in dieser Sache (daß nämlich die bedingte Nachsicht der Strafe endgültig geworden sei) die (materielle) Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses des Kreisgerichtes Ried im Innkreis (vgl. hiezu EvBl. 1963/20) und die damit verbundene Sperrwirkung entgegen. Somit verstößt der Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 5.August 1987 auch gegen den sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden, auf der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (hier: des Beschlusses des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 14.Mai 1987) beruhenden (vgl. Lohsing-Serini 460; Platzgummer 152) Grundsatz des "ne bis in idem".
Überdies ist der in Rede stehende Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels auch materiellrechtlich gesetzwidrig: Denn im Hinblick darauf, daß gemäß § 49 zweiter Satz StGB Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, in die Probezeit nicht einzurechnen sind, war im Zeitpunkt der Beschlußfassung am 5.August 1987 die (dreijährige) Probezeit für Werner F***, der sich seit 27.August 1984 in Jugoslawien und zuletzt in Österreich ununterbrochen in Haft befand und auch derzeit noch weiterhin in Strafhaft angehalten wird, noch gar nicht abgelaufen (vgl. hiezu ON 10 und 14 im Akt 23 Ns 61/86 des Kreisgerichtes Wels).
Der Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 5.August 1987 konnte weder den schon vorher durch das Kreisgericht Ried im Innkreis als dem im vorliegenden Fall nach dem Gesetz allein hiefür zuständigen Gerichtshof mit dem rechtskräftigen Beschluß vom 14.Mai 1987 mit konstitutiver Wirkung ausgesprochenen Widerruf der bedingten Entlassung des Werner F*** beseitigen noch sonst für den Genannten irgendwelche Rechtswirkungen erzeugen (vgl. EvBl. 1964/236). Der Ausspruch des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels über die endgültige Nachsicht der über Werner F*** verhängten (achtmonatigen) Freiheitsstrafe ist vielmehr wirkungslos, konnten doch die mit dem zuvor ergangenen rechtskräftigen Widerrufsbeschluß des (zuständigen) Kreisgerichtes Ried im Innkreis verbundenen Rechtsfolgen nicht mehr durch einen gegenteiligen Beschluß eines anderen (unzuständigen) Gerichtes rückgängig gemacht werden. Da der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5.August 1987 somit für den Verurteilten Werner F*** keinerlei Rechtswirkungen entfalten konnte, war dieser Beschluß durch Aufhebung zu beseitigen (vgl. abermals EvBl. 1964/236 und die dort weiters zit. Judikatur). In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher wie im Spruche zu erkennen.
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