OGH 9ObA154/87

OGH9ObA154/872.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kapelka und Jürgen Mühlhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sylvia M***, Buchhalterin, Hall in Tirol, Dr.-Stolz-Straße 1, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. F*** & Co, H. u. W. H*** Gesellschaft mbH, 2. N*** Gesellschaft mbH, beide Innsbruck, Erzherzog-Eugen-Straße 25, beide vertreten durch Dr.Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 104.822,31 S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Juli 1987, GZ 5 Ra 1113/87-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12.Mai 1987, GZ 46 Cga 49/87-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin teilweise abgeändert, daß es einschließlich des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin zu Handen des Klagevertreters einen Betrag von 1.232,73 S brutto samt 4 % Zinsen seit 29.März 1986 zu zahlen. Das Mehrbegehren von 103.589,58 S brutto samt 4 % Zinsen seit 29. März 1986 wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihres Vertreters die mit 30.507,43 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin 2.773,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die Klägerin ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit 6.223,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 565,79 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Neuverhandlungsgrundsatz nach § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG in das ASGG nicht übernommen wurde (vgl. Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 346). Die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält, gehört aber der im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Beweiswürdigung an (EVBl 1985/70 uva). Soweit das Berufungsgericht dem Antrag der Berufungswerberin auf Wiederholung der Beweise nicht gefolgt ist und die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen hat, liegt daher ein Verfahrensmangel nicht vor.

Soweit sich die Revisionswerberin mit ihrer Rechtsrüge gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, der Austritt sei nicht gerechtfertigt gewesen, die Sonderzahlungen seien vom Arbeitgeber richtig berechnet worden, ist auf die zutreffende Beurteilung dieser Fragen im angefochtenen Urteil zu verweisen (§ 48 ASGG). Die Revision ist lediglich in Ansehung vom Austritt unabhängigen Ansprüche aus dem Titel nicht verbrauchten Urlaubes berechtigt. Hiezu ist unter Darstellung des hiefür relevanten Sachverhaltes im folgenden Stellung zu nehmen.

Die Klägerin machte unter anderem eine Urlaubsentschädigung für 33 Werktage im Betrag von brutto 16.782,40 S geltend. Hievon entfielen 3 Werktage auf das Urlaubsjahr vom 1.März 1985 bis 28. Februar 1986 und die restlichen 30 Werktage auf das folgende Urlaubsjahr, wobei die Klägerin in die Berechnungsgrundlage auch Überstundenentlohnungen einbezog.

Die für die Beurteilung dieser Ansprüche relevanten Bestimmungen des hier anzuwendenden Kollektivvertrages der Handelsangestellten lauten:

"V. Arbeitszeit

a) Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt ohne Ruhepausen 40 Stunden.

..........

VII. Überstunden

..........

Überstundenentlohnung

a) Die Überstundenentlohnung besteht aus dem Grundstundenlohn

und einem Zuschlag.

b) Der Grundstundenlohn beträgt 1/165 des BruttoMonatsgehaltes.

c) Der Überstundenzuschlag beträgt 50 %. Die Überstunden, die an

den verkaufsoffenen Samstagen vor Weihnachten nach 13.00 Uhr

geleistet werden, sind mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen.

Überstunden in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr und an Sonn- und

Feiertagen sind mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen ........."

Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab und traf folgende, für die Beurteilung des Anspruches auf Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung relevante Feststellungen:

Die Klägerin war zuletzt als Teilzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 22,5 Stunden und einem Grundlohn von brutto 8.480 S angestellt. Die von der Klägerin über diese 22,5 Wochenstunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden wurden als Überstunden mit dem kollektivvertraglich vorgesehenen Zuschlag verrechnet.

Mit Schreiben vom 27.März 1986 erklärte die Klägerin ihren Austritt.

Die Klägerin leistete vom April 1985 bis einschließlich Februar 1986 folgende Mehrarbeit:

April 1985 zwei Samstage (Halbtage zu je 4 Stunden)

Mai 1985 zwei Samstage (Halbtage)

Juni 1985 keine Mehrarbeit

Juli 1985 zwei Samstage (Halbtage)

August 1985 keine Mehrarbeit

September 1985 drei Samstage (Halbtage)

Oktober 1985 drei Samstage (Halbtage)

November 1985 zwei Samstage, ein Sonntag (Halbtage)

Dezember 1985 zwei Samstage, ein Sonntag (Halbtage)

Jänner 1986 ein Samstag (Halbtag)

Februar 1986 keine Mehrarbeit.

Das Urlaubsjahr begann jeweils mit 1.März. Aus dem Urlaubsjahr 1985/86 sind noch drei von der Klägerin nicht konsumierte Urlaubstage offen; im Urlaubsjahr 1986/87 hat die Klägerin keinen Urlaub konsumiert.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Hiebei setzte es sich lediglich mit der Frage auseinander, ob der Austritt der Klägerin berechtigt war, nahm aber nicht zu dem von der Berechtigung des Austritts unabhängigen Teil des Begehrens auf Ersatz für nicht verbrauchten Urlaub Stellung.

Soweit sich die Revision der Klägerin gegen die Abweisung der gesamten unter dem Titel "Urlaubsentschädigung" geltend gemachte Ansprüche richtet, ist sie teilweise berechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist die Klägerin ungerechtfertigt vorzeitig ausgetreten, sodaß ihr für das am 1.März 1986 beginnende Urlaubsjahr weder gemäß § 9 UrlG eine Urlaubsentschädigung in der vollen Höhe des Urlaubsentgeltes noch gemäß § 10 Abs 2 UrlG eine aliquote Urlaubsabfindung gebührt. Ansprüche für nicht verbrauchte Urlaube früherer Jahre werden durch den unberechtigten Austritt jedoch nicht berührt. Das pönale Element der in § 10 Abs 2 UrlG getroffenen Regelung würde nämlich bei Einbeziehung der Ansprüche aus unverbrauchten Urlauben früherer Urlaubsjahre - etwa auch für den Fall, daß der unberechtigt Austretende von einem Verbrauch des Urlaubes im betrieblichen Interesse abgesehen hätte - willkürlich und ohne sachliche Rechtfertigung verstärkt. Eine Erstreckung der Wirkungen des § 10 Abs 2 UrlG auf nicht verbrauchte Urlaube früherer Urlaubsjahre würde überdies zu einer ungerechtfertigten weiteren Schlechterstellung des unbegründet Austretenden gegenüber einem Arbeitnehmer führen, der seine Entlassung verschuldet hat. Die unterschiedliche Behandlung beider Auflösungsgründe ist wohl nur aus dem Gesichtspunkt zu rechtfertigen, daß es ansonsten dem unberechtigt Austretenden durch entsprechende zeitliche Lagerung der Lösung des Arbeitsverhältnisses möglich wäre, vom bisherigen Arbeitgeber für den im laufenden Urlaubsjahr noch nicht verbrauchten Urlaub eine Abfindung zu erhalten, darüber hinaus aber bei einem anderen Arbeitgeber noch in derselben Periode nach Ablauf von sechs Monaten einen vollen Urlaubsanspruch zu erwerben (vgl. Klein-Martinek, Urlaubsrecht, 112 und 124 f, wonach bei durch den Arbeitnehmer verschuldeter Beendigung die pönalisierenden Elemente der §§ 9 und 1o UrlG nur noch nicht verbrauchte Urlaubsansprüche des laufenden Jahres betreffen, während nicht verbrauchte Ansprüche auf Urlaub aus früheren Jahren, soweit gemäß § 4 Abs 5 UrlG noch nicht Verjährung eingetreten ist, ohne Rücksicht auf die Art der Lösung des Arbeitsverhältnisses zu entschädigen sind; siehe auch Cerny, Urlaubsrecht4, 127).

Der Klägerin steht daher die Urlaubsabfindung für den nicht verbrauchten Urlaub aus dem vorangegangenen Jahr (1.März 1985 bis 28. Februar 1986) von drei Werktagen zu. Geht man davon aus, daß die Klägerin an Urlaubsentschädigung für 33 Werktage insgesamt 16.782,40 S begehrt hat, entfällt auf die drei restlichen Urlaubstage der Periode 1985/86 ein Begehren von 1.525,67 S. Da dieser Betrag im Verhältnis zum gesamten Begehren geringfügig ist, und der mit einer vollständigen Aufklärung aller hiefür maßgeblichen Umstände verbundene Aufwand zur Bedeutung dieses Anspruches in keinem vertretbaren Verhältnis steht, hat der Oberste Gerichtshof den der Klägerin aus diesem Titel gebührenden Betrag gemäß § 273 Abs 2 ZPO unter Zugrundelegung des bereits festgestellten Sachverhaltes und der Bestimmungen des einschlägigen Kollektivvertrages zu ermitteln.

Gemäß § 2 Abs 2 des zu § 6 UrlG abgeschlossenen Generalkollektivvertrages gelten auch regelmäßig geleistete Überstunden als Bestandteil des regelmäßigen Entgeltes im Sinn des § 6 UrlG. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit der Überstundenleistung ist grundsätzlich - also, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, die einen längeren (einjährigen) Beobachtungszeitraum erfordern - ein Beobachtungszeitraum von 13 Wochen heranzuziehen (vgl. Cerny aaO 101). Zieht man nun die letzten 13 Wochen vor der der Beendigung des Dienstverhältnisses vorangehenden Erkrankung der Klägerin heran, dann hat sie im Dezember 1985 an zwei Samstagen und einem Sonntag, im Jänner 1986 an einem Samstag über die vereinbarten 22,5 Arbeitsstunden wöchentlich hinaus Mehrarbeit jeweils in der Dauer von 4 Stunden geleistet (im Februar 1986 kam es hingegen zu keiner derartigen Leistung von Mehrarbeit). Diese Mehrarbeit wurde der Klägerin vom Arbeitgeber als Überstunden mit kollektivvertraglichem Überstundenzuschlag honoriert. Geht man davon aus, daß nach dem Kollektivvertrag bei einer Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche der Grundstundenlohn mit 1/156stel des Bruttomonatsgehaltes anzusetzen ist, dann ergibt sich bei einer vereinbarungsgemäß zu leistenden Wochenarbeitszeit von 22,5 Stunden ein Divisor von rund 1/93. Dem Bruttomonatsgehalt der Klägerin von 8.480 S entspricht daher ein Grundstundenlohn von 91,20 S und für die in den letzten 13 Wochen geleisteten 16 Überstunden insgesamt ein Grundstundenlohn von 1.459,20 S. Hinzu kommt für die an Samstagen geleistete Mehrarbeit der (vom Arbeitgeber freiwillig bezahlte) Zuschlag von 50 %, das ergibt für 12 Stunden 547,20 S; für die vier am Sonntag geleisteten Stunden wurde vom Arbeitgeber der im Kollektivvertrag für die entsprechenden Überstunden vorgesehene Zuschlag von 100 % gezahlt, das ergibt für 4 Stunden 364,80 S. Insgesamt waren daher die in den letzten 13 Wochen (drei Monaten) geleisteten Überstunden mit 2.371,20 S zu honorieren, das ergibt pro Monat 790,40 S. Es ist daher für die Berechnung des Urlaubsentgeltes vom Bruttomonatsbezug von 8.480 S zuzüglich 790,40 S für regelmäßig geleistete Überstunden auszugehen; weiters sind in die Berechnungsgrundlage auch die anteiligen Sonderzahlungen einzubeziehen (vgl. Cerny aaO 112 und 126), das ergibt im Falle der Klägerin 1.413,33 S. Damit beträgt die Berechnungsgrundlage insgesamt 10.683,73 S. Unter Anwendung eines Divisors von 26 (siehe Cerny aa0 126) errechnet sich daher der Abfindungsanspruch pro Urlaubstag mit 410,91 S.

Da der Klägerin diese Abfindung für drei Urlaubstage zusteht, war der Revision teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne eines Zuspruchs von 1.232,73 S abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO. Da die Beklagten nur mit einem verhältnismäßig geringen Teil des Klagsanspruches unterlegen sind, dessen Bestreitung besondere Kosten nicht verursacht hat, waren ihnen gemäß § 43 Abs 2 ZPO die gesamten Verfahrenskosten zuzuerkennen.

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