OGH 14Os177/87

OGH14Os177/872.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter W*** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 2 StGB als Beteiligter gemäß § 12 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 23. September 1987, GZ 8 Vr 843/86-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurde der 24-jährige Peter W*** (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 2 StGB als Beteiligter gemäß § 12, erster Fall, StGB und des (in der gleichen Beteiligungsform begangenen) Vergehens des Versicherungsmißbrauches nach § 151 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er im September 1986 in Braunau am Inn Helmut H*** aufgefordert, die ihm (dem Angeklagten) gehörende Einrichtung des C*** 53 in Brand zu setzen und dadurch den Genannten dazu bestimmt, a) an einer eigenen Sache eine Feuersbrunst zu verursachen und dadurch eine Gefahr für das Eigentum von Dritten, nämlich das Haus der Maria P*** (richtig: P***;

vgl Band I S 331) und die angrenzenden Nachbarsobjekte der Firma G*** und einen Garagentrakt, herbeizuführen, wobei es in Ansehung der Feuersbrunst beim Versuch geblieben ist, und b) gegen Zerstörung versicherte Sachen, nämlich die Einrichtung des C*** 53, mit dem Vorsatz zu zerstören, ihm eine Versicherungsleistung zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Zur Mängelrüge ist vorerst festzuhalten, daß mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 ausschließlich formale Begründungsmängel in Ansehung entscheidender Tatsachen (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) bekämpft werden können und daß die aus den einzelnen Beweismitteln und ihrem inneren Zusammenhang gezogenen Tatsachenschlüsse des Schöffengerichts nur insoweit einer Kritik zugänglich sind, als sie den Denkgesetzen und/oder der Lebenserfahrung zuwiderlaufen. Grundlegend ist ferner, daß durch Verknüpfung mehrerer Beweiskomponenten gewonnene Konklusionen nur unter Berücksichtigung sämtlicher Tatsachenprämissen auf ihre formale Schlüssigkeit geprüft werden können und es daher unzulässig ist, die jeweiligen Bausteine eines Würdigungskomplexes aus dem gegebenen Zusammenhang zu lösen.

Unter diesem Aspekt ist der Mängelrüge im einzelnen zu entgegnen:

Daß der Angeklagte im ersten Rechtsgang von dem Anklagevorwurf, Helmut H*** - erfolglos - zu einem Mord angestiftet zu haben, konnte schon deswegen nicht Gegenstand von Erörterungen über die Beweiskraft einzelner Beweismittel, insbesondere der Angaben des Zeugen H*** sein, weil der die Tatfrage verneinende Wahrspruch der Geschwornen einerseits das Produkt einer umfassenden, der Überprüfung nicht zugängigen Würdigung sämtlicher im ersten Rechtsgang angeführten Beweismittel (in ihrer Gesamtheit) ist und andererseits auch mit Rücksicht darauf, daß er nach dem Gesetz ohne Begründung bleibt, keinen Rückschluß darauf zuläßt, ob H*** den Angeklagten in diesem Punkt "grundlos" und "fälschlich" beschuldigte. Weshalb der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde hervorgekehrte Umstand, daß Helmut H*** aus der Strafhaft flüchtete, für die Würdigung seiner Aussage von Relevanz sein soll, wird nicht weiter dargetan und muß demnach, weil auch aus dem Gesamtzusammenhang nicht erklärbar, auf sich beruhen. Daß aber Helmut H*** im Lauf des Verfahrens divergierende Aussagen ablegte, wurde im Urteil ohnehin ausdrücklich gewürdigt und keineswegs mit Stillschweigen übergangen (US 23 ff).

Ob sich der Angeklagte als Zuhälter betätigte, ist vorliegend weder für die Beurteilung der Schuldfrage noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung und mithin irrelevant; abgesehen davon konnte aus den gegebenen Prämissen (vgl US 5) denkrichtig und lebensnah auf eine solche Tätigkeit des Beschwerdeführers geschlossen werden.

Wenn er die tatrichterliche Konstatierung, er habe - obwohl mit der Versicherungsprämie im Verzug - mit einer Versicherungsleistung gerechnet, als "aktenwidrig" bezeichnet, verkennt er ersichtlich das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 § 281 Abs. 1 Z 5 Nr 185 ff); mit seinem weiteren Vorwurf jedoch, Beweisergebnisse, die eine solche Feststellung rechtfertigten, lägen nicht vor, neglegiert er die darauf Bezug habenden Urteilserwägungen (vgl US 23), ohne die eine sachbezogene Erörterung dieses Punktes nicht möglich ist.

In Ansehung der in der Mängelrüge schwergewichtig bekämpften tatrichterlichen Annahme, der Angeklagte habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß durch die Tathandlungen des Helmut H*** über eine Beschädigung bzw Vernichtung seiner eigenen Sachen hinaus auch eine Feuersbrunst und damit eine Gefahr für das Haus der Maria P*** und die Nachbarsobjekte herbeigeführt würde (US 8, 32, 33 und 34), ist davon auszugehen, daß das Erstgericht den so umschriebenen bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers namentlich daraus herleitete, daß er in Kenntnis der Bauweise und des Inventars des Hauses sowie dessen Situierung in eng verbautem Gebiet H*** ausdrücklich aufforderte, für die Brandstiftung Benzin zu verwenden (vgl US 8, 27 und 33), wobei bezüglich des Inventars unter anderem festgestellt wurde, daß das Lokal im Erdgeschoß sowie ein Raum im ersten Stockwerk mit Holz verkleidet, Teile der Raumdecken mit Kunststoffverkleidung versehen und das Stiegenhaus mit einem Teppich belegt war (vgl US 9 f). Da allein schon diese Prämissen einen denkrichtigen und lebensnahen Schluß auf den zur Tatbestandserfüllung nach § 169 Abs. 2 StGB erforderlichen dolus eventualis zulassen und die Beschwerde diesen zentralen Punkt der tatrichterlichen Beweiswürdigung mit völligem Stillschweigen übergeht, erweist sich nach den eingangs angeführten Grundsätzen die gesamte, diesen Punkt betreffende Rüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt und letztlich als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates, der im übrigen - der Beschwerde zuwider - die entscheidenden Passagen der Aussage des Zeugen H*** aktengetreu wiedergegeben und dem Gesetz (§ 258 Abs. 2 StPO) entsprechend isoliert und im Kontext mit den anderen Beweismitteln gewürdigt hat. Weshalb es aber ein Verstoß gegen den Grundsatz des fair trial sein soll, wenn das Gericht bei der Würdigung einer verlesenen Aussage über deren Wortlaut hinaus auf den Sinngehalt der Depositionen insgesamt eingeht, ist schlechthin unerfindlich. Im übrigen kommt es für die Beurteilung der Tat des Bestimmenden gar nicht darauf an, welche Vorstellungen der Bestimmte von der vom Bestimmungstäter geplanten Tat hat, sondern welchen Erfolg der Bestimmer bezweckt. Bloß der Vollständigkeit halber sei diesbezüglich zusätzlich bemerkt, daß die vom Erstgericht aus den konstatierten, vom Angeklagten gegenüber H*** gemachten Bemerkungen bzw Anweisungen gezogene Konklusion, die Absicht des Beschwerdeführers sei primär zwar dahin gegangen, das ihm gehörige Inventar in Brand zu setzen, er habe es aber darüber hinaus ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß dadurch im Haus der Maria P*** und in den Nachbarsobjekten eine Feuersbrunst entstehen könnte, der Schlüssigkeit und Lebensnähe keineswegs entbehrt.

So besehen und unter Berücksichtigung dessen, daß es - wie gesagt - auf den Vorsatz des Angeklagten und nicht auf den des Zeugen H*** ankommt, betrifft es keine entscheidende Tatsache, welche Motive H*** bewogen, den Brand nicht mitten in der Nacht zu legen und inwieweit er damit rechnete, daß das Feuer rasch von einem Passanten entdeckt werden würde.

Als ausschließliche Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung stellen sich endlich auch jene Ausführungen in der Mängelrüge dar, die sich mit der Bewertung der Aussage des Zeugen H*** durch das Erstgericht (vgl US 18 ff) befassen. Denn die Beschwerde vermag in diesem Zusammenhang nichts aufzuzeigen, was als denkgesetzwidrig oder den Lebenserfahrungen widersprechend bezeichnet werden könnte; vielmehr wird (auch) hier lediglich der Versuch unternommen, aus dem gegebenen Beweismaterial andere, dem Beschwerdeführer genehmere Schlüsse zu ziehen.

Dies gilt auch für den im Urteil ohnedies mit zureichender Begründung als unzutreffend bezeichneten Einwand, aus der Nichtzahlung der Versicherungsprämie ergebe sich eindeutig, daß der Angeklagte H*** nicht zur Brandlegung angestiftet habe, weil jeder logisch denkende Täter die Prämie rechtzeitig bezahlt hätte; dies umsomehr als letzteres voraussetzt, daß der Täter am Fälligkeitstag, der zufolge Setzung einer Nachfrist nach dem Tatplan nach der Tatzeit lag, über die erforderlichen Barmittel verfügt. Ebensowenig gesetzmäßig ausgeführt wie die Mängelrüge ist auch die sich auf die Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO berufende Rechtsrüge des Angeklagten, die in allen entscheidenden Punkten gegen den Grundsatz verstößt, daß materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe zu ihrer prozeßordnungsgemäßen Darstellung ein striktes Festhalten an dem von der Tatsacheninstanz konstatierten Sachverhalt erfordern.

So geht der Einwand, es mangle an Feststellungen über die Willenskomponente des Vorsatzes, daran vorüber, daß das Urteil mehrfach feststellt, der Angeklagte habe den in Frage stehenden Erfolg nicht nur ernstlich für möglich gehalten (Wissenskomponente), sondern sich damit abgefunden (vgl US 8, 32 und 33), wogegen die Behauptungen, der Angeklagte habe in Ansehung der Gefahr für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß bzw der Herbeiführung einer Feuersbrunst bloß fahrlässig gehandelt, sein Vorsatz sei bloß auf die Vernichtung der eigenen Habe gerichtet gewesen, ohne daß eine Feuersbrunst entstehen sollte, die konträren, oben angeführten tatrichterlichen Konstatierungen über den Umfang und Inhalt seines dolus neglegieren.

Nach dem Gesagten war mithin die zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Als Konsequenz dessen wird über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz abzusprechen haben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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