OGH 7Ob711/87

OGH7Ob711/8726.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E-W*** K*** B*** KG, Birkfeld, Edelsee 110, vertreten durch Dr. Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei P***-W*** W***, Weiz, Südtiroler Platz 3, vertreten durch Dr. Helmut Cronenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen Änderung einer Elektrizitätsanschlußanlage (Streitwert S 1,045.584,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 20. September 1987, GZ 2 R 175/87-39, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juli 1987, GZ 9 Cg 214/85-35, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 17.224,35 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 1.565,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden nur klagende Partei) ist das örtliche Elektrizitätsversorgungsunternehmen von Birkfeld und bezieht zusätzlich elektrischen Strom von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden nur beklagte Partei) aufgrund des Stromversorgungsübereinkommens vom 7. März 1983. Der § 2.10 dieses Übereinkommens hat folgenden Wortlaut: "Die Anschlußanlage des EVU (beklagte Partei) besteht aus der 20 kV-Freileitung von der Schaltstelle Birkfeld bis zur Übergabestation des Abnehmers (klagende Partei) sowie aus dem zugehörigen Teil der Schaltanlage in der Schaltstelle Birkfeld. ...Diese Anschlußanlage wird auf Kosten des EVU in das 110/20 kV Umspannwerk Birkfeld eingebunden." Derzeit besteht keine direkte Einbindung des E-Werkes der klagenden Partei in das Umspannwerk. Der Anschluß erfolgt von einer 20 kV Schaltzelle über ein ca. 230 m langes Erdkabel auf einem Stahlgitter-Freileitungsmast, von dem die Freileitungen einerseits zur Anlage der klagenden Partei, andererseits über Rabenwald nach Anger gehen. Die für eine direkte Einbindung erforderliche weitere 20 kV Schaltzelle samt Erdkabel zum Stahlgitter-Freileitungsmast ist vorhanden, zur Inbetriebnahme müßte lediglich die Verbindung am Mast geändert werden.

Nach dem Standpunkt der klagenden Partei hat sie nach § 20.10 des Übereinkommens Anspruch auf eine direkte Einbindung auf Kosten der beklagten Partei, wie sie auch vor Errichtung des neuen 110/20 kV Umspannwerkes Birkfeld zur ehemaligen Station Birkfeld bestanden hat. Zur Sicherung des inhaltsgleichen Hauptbegehrens begehrt die klagende Partei die einstweilige Verfügung, der beklagten Partei aufzutragen, binnen 14 Tagen den bestehenden Anschluß des 20 kV-Netzes der klagenden Partei zum 20 kV-Netz der beklagten Partei wie folgt abzuändern: Die bestehende Verbindung des Netzes der klagenden Partei zum Netz der beklagten Partei an dem Stahlgitter-Freileitungsmast zu lösen und die für die Stromversorgung der klagenden Partei bestimmte und im Umspannwerk der beklagten Partei bereits errichtete Anschlußanlage mit dem Netz der klagenden Partei dadurch zu verbinden, daß die Freileitungsendverschlüsse des zu dieser Anschlußanlage gehörenden Kabels an dem Stahlgitter-Freileitungsmast mit der dorthin führenden Freileitung der klagenden Partei verbunden werden. Durch die Verknüpfung der Leitung der Anschlußanlage der klagenden Partei mit der Leitung nach Anger sei es wiederholt zu einer Störung der Stromversorgung der klagenden Partei gekommen, weil die Leitung nach Anger über einen besonders gewittergefährdeten Teil des Rabenwaldes führe.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Nach seinen Feststellungen kam es wiederholt zu störungsbedingten Ausfällen in der Stromversorgung der klagenden Partei. Ursache hiefür waren die im Freileitungsnetz üblichen Schnee-, Sturm- und Gewitterschäden. Die Anzahl der Störungen ist auch ohne besondere Gewittertätigkeit weit höher als früher. Die M***

K*** GesmbH, die die Turbinen der klagenden Partei erzeugte, teile dieser auf Anfrage mit, daß mit oftmaligen plötzlichen Abschalt- und Anfahrvorgängen eine erhöhte Belastung und Abnützung verbunden ist. Bei den K*** S*** und N*** kann eine erhöhte Belastung und Abnützung im Bereich von Laufrad, Leitapparat, Regler und Absperrorgan eintreten. Beim K*** N*** besteht zusätzlich die Gefährdung des Zahnradgetriebes und der Kupplungen. Die Kosten einer allfälligen Schadensbehebung wären besonders beim K*** N*** beträchtlich. Die G*** W*** GesmbH

und die P*** F*** GesmbH - Stromabnehmer der

klagenden Partei - haben sich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus der Schädigung von Maschinen und Werkstücken sowie an EDV-Anlagen und aus der Störung des Betriebsablaufes infolge von Unterbrechungen der Stromlieferungen gegenüber der klagenden Partei vorbehalten. Die P*** F*** GesmbH betreibt in Birkfeld und Gschaid Kühlhäuser ohne Notstromaggregat, deren selektive Temperatur-Regelungsanlagen nach Unterbrechungen der Stromzufuhr eventuell nicht oder nur unvollkommen ansprechen, sodaß daraus entstehende Schäden nicht auszuschließen sind. Bei allen Sonderabnehmern der klagenden Partei können Störungen in der Versorgung schwerwiegende Konsequenzen hervorrufen, und es besteht die Gefahr, daß diese gegen die klagende Partei Regreßansprüche geltend machen. Ing. Harald K***, der Geschäftsführer der klagenden Partei wies darauf hin, daß ein drohender unwiederbringlicher Schaden auch darin gelegen sein könnte, daß bestimmte potentielle Kunden sich mit einer eigenen stationären Aggregat-Stromversorgungsanlage ausstatten. Es könnten auch Stromkunden der klagenden Partei bei der Landesregierung deponieren, daß die klagende Partei ihre Versorgungsaufgaben nicht ordnungsgemäß erfülle, sodaß ein anderer, allenfalls die beklagte Partei, mit der Stromversorgung beauftragt werden könnte. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Anspruch der klagenden Partei hinreichend bescheinigt, weil der § 2.10 des Stromversorgungsübereinkommens nach seinem Wortlaut und den Umständen dahin zu verstehen sei, daß die klagende Partei versorgende Anschlußanlage direkt in das Umspannwerk eingebunden werden soll. Auch eine Gefährdung sei hinreichend bescheinigt, insbesondere durch den drohenden Verlust von Stromkunden, durch drohende Maschinenschäden bei Stromkunden und beim eigenen Kraftwerk der klagenden Partei. Selbst wenn ein Nachteil am Vermögen der klagenden Partei durch Geldleistung abgedeckt werden könnte, wäre die Leistung des Geldersatzes dem drohenden Schaden insbesondere durch den Kundenverlust nicht adäquat.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrages ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Nach der Auffassung des Rekursgerichtes drohe der klagenden Partei kein unwiederbringlicher, durch Geldleistung nicht adäquat ausgleichbarer Schaden.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Deckt sich der Inhalt der angestrebten einstweiligen Verfügung mit dem Urteilsbegehren, würde sohin mit der einstweiligen Verfügung der endgültigen Entscheidung vorgegriffen werden, wie im vorliegenden Fall, so kann sie nur nach Maßgabe des § 381 Z 2 EO erlassen werden (MietSlg. 30.861 mwN). Nach § 381 Z 2 EO darf eine einstweilige Verfügung nur erlassen werden, wenn sie zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Bei Beurteilung der Anspruchsgefährdung im Sinne des § 381 EO kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei die Bescheinigung einer konkreten Gefahr gefordert wird. Nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit einer der im § 381 EO erwähnten Erschwerung, Vereitlung, Gewaltanwendung oder Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens stellt eine Anspruchsgefährdung im Sinne des § 381 EO dar (EvBl. 1981/188; SZ 42/135; 7 Ob 605/83 ua). Es muß daher die gefährdete Partei, die eine einstweilige Verfügung nach § 381 Z 2 EO anstrebt, konkrete Tatsachen behaupten oder bescheinigen, die die drohende Gewalt oder den Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens als wahrscheinlich erscheinen lassen (7 Ob 605/83; 4 Ob 387/80; vgl. auch MietSlg. 30.862). Drohende Gewalt kommt hier nach dem Vorbringen der klagenden Partei von vornherein nicht in Betracht. Ein Schaden ist nur dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eintritt und die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem verursachten Schaden nicht völlig adäquat ist (MietSlg. 25.618; JBl. 1955, 72; 7 Ob 605/83; Heller-Berger-Stix 2724). Bei dem Schaden, der der klagenden Partei und ihren Kunden an Betriebseinrichtungen oder Anlagen und der klagenden Partei durch Übertragung der Stromversorgung an einen Dritten allenfalls droht, handelt es sich um einen Sach- bzw. Vermögensschaden, und es kann grundsätzlich nicht zweifelhaft sein, daß ein solcher Schaden durch Geld ausgeglichen werden kann und daß eine Geldleistung dem eingetretenen Nachteil adäquat ist. Umstände, aus denen sich ergebe, daß ungeachtet der grundsätzlichen Adäquanz einer Geldleistung eine solche im vorliegenden Fall dennoch den drohenden Nachteil nicht völlig ausgleichen würde, wurden nicht einmal behauptet. Desgleichen wurde nicht behauptet, daß die beklagte Partei nicht in der Lage wäre, Ersatz in Geld zu leisten. Als Nachteil, für den ein Geldersatz kein völlig adäquater Ausgleich ist, wurde aber in der Rechtsprechung der drohende Verlust von Kunden anerkannt (SZ 51/20; 5 Ob 550,551/79; 6 Ob 87/73; gegenteilig für das Ausbleiben neuer und den Verlust vorhandener Klienten eines Rechtsanwaltes:

MietSlg. 25.618). Aber auch für die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens durch drohenden Kundenverlust muß sich diese Tatsache aus dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ergeben oder es müssen konkrete Umstände vorliegen, die den Eintritt dieses Nachteiles als wahrscheinlich erscheinen lassen (7 Ob 605/83). Nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt wies der Geschäftsführer der klagenden Partei Ing. Harald K*** darauf hin, daß ein drohender unwiederbringlicher Schaden darin gelegen sein könnte, daß bestimmte potentielle Kunden sich mit einer eigenen stationären Aggregatsstromversorgungsanlage ausstatten könnten. Damit ist aber lediglich die theoretische Möglichkeit eines Kundenverlustes für die klagende Partei dargetan, eine konkrete Gefahr eines drohenden Kundenverlustes wurde nicht bescheinigt.

Mangels ausreichender Bescheinigung einer konkreten Gefahr im Sinne des § 381 Z 2 EO, die durch Sicherheitsleistung nicht ersetzt werden kann, hat daher das Rekursgericht zu Recht den Antrag abgewiesen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und auf den §§ 41, 50 ZPO.

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