OGH 7Ob698/87 (7Ob699/87)

OGH7Ob698/87 (7Ob699/87)26.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Ing. Istvan H***, geboren am 8. Mai 1944, Kaufmann, Wien 4., Argentinierstraße 41 a, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes und als übergeordnetes gemeinsames höheres Gericht vom 22. Juli 1987, GZ 44 R 71, 73/87 und 44 Nc 22/87-397, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. März 1987, GZ 4 SW 10/85-358, und vom 2. Juni 1987, GZ 4 SW 10/85-379, und vom 20. Mai 1987, GZ 4 SW 10/85-372, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben und die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache nicht genehmigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird im Umfang der Anfechtung der Entscheidung über die Verfahrenshilfe und über die Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen.

Im Umfang der Anfechtung der Entscheidung über die Übertragung der Zuständigkeit wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies mit Punkt 1.) des Beschlusses vom 24. März 1987, ON 358, den Antrag des Betroffenen auf Gewährung der Verfahrenshilfe ab. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Betroffenen nicht Folge. Insoweit liegt daher eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz über die Verfahrenshilfe vor, gegen die, wie der Oberste Gerichtshof auch schon in der gegenständlichen Sachwalterschaftssache ausgesprochen hat (ON 362) ein weiterer Rechtszug unzulässig ist (EFSlg. 34.834). Der Betroffene beantragte die Einstellung des "Entmündigungsverfahrens" (ON 239), die Einstellung der Sachwalterschaft (ON 287, 325 und 329). Das Erstgericht wies mit Punkt 2.) des obgenannten Beschlusses den Antrag auf Verfahrenseinstellung mit der Begründung zurück, daß mit Rücksicht auf die rechtskräftige Bestellung eines Beistandes (nunmehr Sachwalters) eine Verfahrenseinstellung nicht in Betracht komme. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach seiner Ansicht sei der Beschluß über die beschränkte Entmündigung des Betroffenen nach dem im Zeitpunkt des Ausspruches der beschränkten Entmündigung in Geltung gestandenen § 67 EntmO mangels eines Aufschubes der Wirksamkeit mit der Zustellung des Entmündigungsbeschlusses an den Betroffenen und an seinen Vertreter am 23. Dezember 1975 wirksam geworden. Demgemäß sei auch die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung zu verfügen und ein Beistand zu bestellen gewesen. Zufolge der Übergangsbestimmung des Art. X Z 3 Abs. 1 des Bezirksgerichtes 2. Februar 1983 über die Sachwalterschaft für behinderte Personen BGBl. Nr. 136 seien Entmündigte solchen Personen gleichgestellt, für die ein Sachwalter nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB bestellt worden sei. Dieser Bestimmung entspräche der rechtskräftige Beschluß des Erstgerichtes vom 19. Juli 1984, ON 101, mit dem die sich aus der genannten Überleitungsbestimmung ergebende Rechtsfolge deklarativ festgestellt worden sei. Es sei daher von einer Sachwalterbestellung auszugehen, sodaß nur eine Aufhebung derselben, nicht aber eine Verfahrenseinstellung in Betracht komme.

Der gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Betroffenen ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz wäre ein Revisionsrekurs nach dem auch im Sachwalterbestellungsverfahren geltenden § 16 AußStrG (3 Ob 660/86) nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer Nichtigkeit zulässig. Keiner dieser Anfechtungsgründe liegt jedoch vor. Eine Aktenwidrigkeit besteht in einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellungen in der Entscheidung (Fasching LB Rdz 1771). Die Feststellung, daß der Betroffene die Entgegennahme der Ausfertigung der Entscheidung über seinen Widerspruch und Rekurs gegen den Entmündigungsbeschluß verweigerte und diese Sendung daher am Ort der Zustellung zurückgelassen wurde, entspricht der Aktenlage (ON 296 des Entmündigungsaktes). Die Frage der Rechtswirksamkeit des Entmündigungsbeschlusses gehört zum Bereich der rechtlichen Beurteilung. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes hiezu deckt sich mit der des Obersten Gerichtshofes (ON 362).

Eine Nichtigkeit wird vom Rechtsmittelwerber weder formell noch inhaltlich geltend gemacht.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn die zu beurteilende Frage im Gesetz so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180 uva). Die Verletzung von Verfahrensvorschriften kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht begründen (EvBl. 1974/127; 7 Ob 542/77 ua). Im vorliegenden Fall wurde, wie schon vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Jänner 1987, ON 362, und auch vom Rekursgericht dargelegt wurde, der Beschluß über die beschränkte Entmündigung des Betroffenen vom 23. Dezember 1975 mit seiner Zustellung unabhängig von der Frage des Eintrittes der formellen Rechtskraft wirksam, weil ein Ausspruch, daß die Wirksamkeit bis zum Eintritt der Rechtskraft aufgeschoben werde (§ 67 Abs. 1 EntmO) nicht getroffen wurde. Demgemäß wurde dem beschränkt Entmündigten rechtskräftig ein Beistand bestellt (ON 3). Die Frage, ob über eine solche Beistandsbestellung nach § 243 AußStrG zu verfahren und das Verfahren einzustellen ist, falls die Voraussetzungen für eine Sachwalterschaft nicht vorliegen, oder ob nur eine Beendigung nach § 251 AußStrG in Frage kommt, ist in der Übergangsbestimmung des Art. X des Sachwaltergesetzes keineswegs so klar geregelt, daß darüber kein Zweifel aufkommen könnte. Die Bestimmung des Art. X Z 4 SachwalterG hat offensichtlich nur Verfahren im Auge, in denen kein Beistand oder nur ein vorläufiger Beistand bestellt wurde. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß bei rechtswirksamem Ausspruch der beschränkten Entmündigung und rechtskräftiger Beistandsbestellung keine Verfahrenseinstellung nach § 243 AußStrG, sondern nur eine Beendigung der Sachwalterschaft in Betracht kommt, ist daher nicht offenbar gesetzwidrig. Bei den genannten Bestimmungen handelt es sich überdies um Verfahrensvorschriften, sodaß deren Verletzung eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht bewirken könnte.

Das Erstgericht wird jedoch gemäß § 283 Abs. 3 ABGB und infolge des Antrages des Betroffenen auf Aufhebung der Sachwalterschaft umgehend das gesetzmäßige Verfahren durchzuführen und darüber zu entscheiden haben, ob die Sachwalterschaft aufzuheben ist oder nicht.

Eine Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der pflegschaftsbehördlichen Geschäfte nach § 111 Abs. 1 JN hat nur zu erfolgen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen zur wirksameren Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes erforderlich erscheint und kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Pflegebefohlene seinen ständigen Aufenthalt und somit den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel verlegt (7 Ob 582/87 ua). Im vorliegenden Fall muß der Rechtsmittelwerber selbst zugeben, seine Wohnung in Wien 2., Schüttelstraße 21/2 derzeit gar nicht benützen zu können, sodaß keine Rede davon sein kann, daß dort der Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung gelegen ist. Darauf, daß der Rechtsmittelwerber seinen ständigen Wohnsitz an der genannten Adresse erblickt, kommt es nicht an. Hinzu kommt, daß - wie schon das Gericht zweiter Instanz richtig hervorgehoben hat - das Verfahren schon seit Jahren beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien geführt wird und mit Rücksicht auf die ausstehende Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Sachwalterschaft im derzeitigen Verfahrensstadium eine Übertragung an ein anderes Gericht nicht den mit der Übetragung der Zuständigkeit verfolgten Zwecken dienlich sein kann. Das Gericht zweiter Instanz hat daher zu Recht der Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Donaustadt die Genehmigung versagt.

Demgemäß ist der Revisionsrekurs des Betroffenen teilweise zurückzuweisen, teilweise ist ihm ein Erfolg zu versagen.

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