OGH 8Ob77/87

OGH8Ob77/8725.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***

U***, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien,

vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** E*** Versicherungs-AG, Schönbrunner Schloßstraße 38-40, 1121 Wien, vertreten durch Dr. Christian Prem und Dr. Werner Weidinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen 208.275,45 S s. A. und Feststellung (Streitwert 150.000,-- S infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Juli 1987, GZ 16 R 152/87-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. April 1987, GZ 13 Cg 736/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an

das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten erster Instanz

Text

Begründung

Am 18. November 1983 gegen 16,55 Uhr ereignete sich auf der Landesstraße 5426 zwischen Inning und Loosdorf beim Straßenkilometer 14,927 (Freilandstraße) ein Verkehrsunfall, bei dem Johann S*** mit seinem Kombinationskraftwagen Citroen GX-YL (N 912.571) auf den am rechten Straßenrand abgestellten bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKW der Alois H*** GesmbH, Steyr 586 (N 191.325) auffuhr. Dabei erlitt Johann S*** tödliche Verletzungen. Die klagende Partei hat aus Anlaß dieses Unfalles als Sozialversicherungsträger Leistungen erbracht. Mit der am 29. April 1986 erhobenen Klage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei ausgehend von einem Mitverschulden Johann S*** im Ausmaß von 50 % den Ersatz eines Teiles der von ihr erbrachten Unfallversicherungsleistungen im Ausmaß von 208.275,45 S samt Anhang. Außerdem stellte sie hinsichtlich ihrer künftigen Aufwendungen aus dem Unfall ein entsprechendes Feststellungsbegehren. Während der Fahrt von Inning nach Loosdorf sei am LKW ein Getriebeschaden aufgetreten. Alois H***, der Lenker dieses LKWs, habe daher das Kraftfahrzeug am rechten Fahrbahnrand abgestellt und es verlassen. Eine Beleuchtung des Fahrzeuges sei von ihm nicht eingeschaltet worden. Da H*** das Fahrzeug weder von der Straße weggebracht noch in ausreichender Weise abgesichert gehabt habe, sei Johann S*** mit seinem PKW um etwa 16,55 Uhr bei Dämmerung gegen den LKW geprallt. Die von H*** behauptete Aufstellung eines Warndreieckes 53 m hinter dem LKW stelle keine ordnungsgemäße Absicherung dar, weil der Abstand zu kurz gewesen sei und H*** damit habe rechnen müssen, daß das Fahrzeug auch noch in der Dämmerung unbeaufsichtigt bleiben würde. Die Einschaltung der Fahrzeugbeleuchtung wäre daher notwendig gewesen. Schließlich habe H*** es noch unterlassen, für die unverzügliche Entfernung des Fahrzeuges zu sorgen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Alois H*** treffe kein Verschulden. Der Defekt sei nach 14 Uhr eingetreten. Als er die Unmöglichkeit einer Weiterfahrt erkannt habe, habe er den LKW am äußersten Fahrbahnrand abgestellt und in einer Entfernung von 53 m vor dem LKW - in der ursprünglichen Fahrtrichtung gesehen - ein Warndreieck aufgestellt. Damit habe er seiner Verpflichtung, das Fahrzeug gemäß § 89 Abs 2 StVO ordnungsgemäß abzusichern, voll Rechnung getragen. Abgesehen davon, daß im Zeitpunkt des Auftretens des Defektes noch Tageslicht geherrscht habe, sei die Beleuchtung eines auf der Straße liegen gebliebenen Fahrzeuges gesetzlich nicht vorgeschrieben. Mangels Vorliegens einer kausalen Sichtbehinderung sei der Unfall ausschließlich auf die Unaufmerksamkeit des Verunglückten zurückzuführen gewesen; dieses Verschulden schließe eine allfällige Haftung der Beklagten nach den Bestimmungen des EKHG aus. Außerdem bestritt die Beklagte die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Deckungsfonds.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Klägerin erhobenen Berufung keine Folge und sprach aus, daß der Streitgegenstand, über den es entschieden habe, 300.000,-- S übersteigt.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die von den Vorinstanzen über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Die Fahrbahn der Landesstraße 5426 ist 5,80 m breit und mit einer Asphaltdecke versehen. Sie verläuft in Richtung Loosdorf gesehen ab einer Rechtskurve 740 m lang gerade und beschreibt dann eine Linkskurve. 80 m vor dem Ende der Geraden führt die Straße durch ein Autobahnviadukt. Zur Unfallszeit herrschte Dämmerung oder Dunkelheit. Die Fahrbahn war trocken. Der LKW Steyr 586 ist 2,30 m breit Alois H*** fuhr allein gegen 14 Uhr mit diesem LKW von Inning in Richtung Loosdorf. Während der Fahrt riß am Fahrzeug die Aufhängung vom Zwischengetriebe ab und schlug auf die Kipperpumpe, aus der Öl auf die Fahrbahn austrat. Alois H*** war auf das Gebrechen durch ein plötzlich auftretendes Geräusch aufmerksam geworden. Er hielt den LKW unmittelbar an dem rechten Fahrbahnrand mit der Front 66 m vor dem Kilometer 15 an. An die Fahrbahn grenzen Äcker. Eine Sichtbehinderung durch Bäume oder Buschwerk ist nicht gegeben. Alois H*** hatte das Fahrzeug etwa in der Mitte des gerade verlaufenden Straßenstücks abgestellt. Durch den LKW wurde die Fahrbahn auf 3,60 m eingeengt. Da eine Weiterfahrt unmöglich war, sicherte H*** den LKW mit einem Pannendreieck, das er 53 m vom Heck entfernt am rechten Fahrbahnrand aufstellte. Zu diesem Zeitpunkt bestand Tageslicht ohne witterungsbedingte Sichteinschränkung. Alois H*** unterließ es, den LKW zu beleuchten. Es fuhr per Autostopp nach Loosdorf, wo er telefonisch seine Lebensgefährtin ersuchte, ihn abzuholen und Werkzug mitzubringen, weil er eine notdürftige Reparatur am Fahrzeug durchführen wollte. Gegen 16,55 Uhr fuhr Johann S*** bei eingeschaltetem Abblendlicht auf derselben Landesstraße von Inning kommend in Richtung Loosdorf. Trotz Vollbremsung stieß er mit der Front seines Fahrzeuges gegen das Heck des abgestellten LKWs. Das Abblendlicht gewährt zumindest eine Sicht von 40 m. Das bedeutet, daß Johann S*** 93 m vor Erreichen des LKWs gewarnt war. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug etwa 50 km/h, die Bremseinsatzgeschwindigkeit ca. 60 km/h. Bei einer starken Betriebsbremsung ergibt sich aus 60 km/h ein Anhalteweg von 44.50 m. Nach 17 Uhr traf Alois H*** im Wagen seiner Lebensgefährtin an der Unfallstelle ein, wo er die Fahrzeuge noch in der Unfallsendlage vorfand. Der von der Staatsanwaltschaft St. Pölten beim Kreisgericht St. Pölten gegen Alois H*** gestellte Strafantrag wurde am 24. Jänner 1984 wieder zurückgezogen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zur Überprüfung des Verschuldens Alois H***'s nur jene Umstände beachtet werden dürften, die von den Parteien unter Beweis gestellt worden seien. Das Gericht habe sich daher nur mit der Frage der mangelnden Absicherung des LKWs zu befassen. Ob Alois H*** für die Entfernung des LKWs ehestmögliche Vorsorge getroffen habe, sei nicht näher zu erörtern. Gemäß § 89 Abs 2 StVO sei der Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, das auf einer Freilandstraße bei Dämmerung oder Dunkelheit zum Stillstand gelangt sei, verpflichtet, diesen Umstand den Lenkern von anderen Fahrzeugen anzuzeigen. Durch das Aufstellen des Pannendreiecks sei Alois H*** dieser Verpflichtung nachgekommen. Er sei nicht auch noch dazu verhalten gewesen, das Fahrzeug auch zu beleuchten. Aber auch für die Entfernung des Fahrzeuges von der Unfallstelle habe Alois H*** dadurch ausreichend Vorsorge getroffen, daß er durch einen Anruf daheim alles unternommen habe, um das Fahrzeug zu bergen. Ein provisorisches Abschleppen von der Stelle, die frei einsehbar sei und wo der LKW keinerlei Verkehrsbehinderung im engeren Sinn dargestellt habe, sei nicht notwendig gewesen. Das Alleinverschulden sei daher Johann S*** anzulasten.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Beleuchtungspflicht nach § 60 Abs 3 StVO nur für fahrbereite verkehrstüchtige Fahrzeuge gelte (ZVR 1970/245 ua), und Alois H*** in bezug auf den fahruntüchtig gewordenen LKW die Verpflichtungen der §§ 89 Abs 2 und 89 a Abs 1 StVO getroffen hätte. Entgegen der Ansicht der klagenden Partei habe die Absicherung des Fahrzeuges durch die Aufstellung eines Warndreiecks 53 m hinter dem Heck des LKWs durchaus ausgereicht, um nur annähernd vorschriftsmäßig fahrende Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu warnen. Der Hinweis, an der Unfallstelle habe mit 100 km/h gefahren werden dürfen, sei in dieser Allgemeinheit unzutreffend, dies vor allem, wenn die Berufungswerberin versuche, den zur Verfügung stehenden Anhalteweg von 93 m als für einen mit 100 km/h fahrenden Fahrzeuglenker unzureichend darzustellen. Der Anhalteweg von 93 m habe nach den Feststellungen einem mit Abblendlicht fahrenden Verkehrsteilnehmer zur Verfügung gestanden; reiche aber das Abblendlicht (mindestens) 40 m, so sei bei Annahme einer hohen Bremsverzögerung von 7 m/sec2 bloß eine Geschwindigkeit von ca. 65 km/h zulässig, um im Sichtbereich das Fahrzeug zum Stillstand bringen zu können. Bei 65 km/h habe aber eine Strecke von 93 m zu einem kollisionsfreien Anhalten hinter dem LKW bei einer Bremsung mit einer geringfügigen Verzögerung von nur 2 m/sec2 ausgereicht. dazu komme noch, daß das Hindernis nicht so beschaffen gewesen sei, daß S*** anzuhalten gezwungen gewesen sei. Die freie Fahrbahnbreite habe es ihm ohne weiteres erlaubt, am LKW links vorbei zu lenken. Wäre S*** (was nicht feststehe) schließlich mit Fernlicht gefahren, das nach § 14 Abs 1 KFG mindestens 100 m zu reichen habe, hätte er 153 m zur Verfügung gehabt, um hinter dem LKW anzuhalten. Bei 100 km/h hätte dazu eine Verzögerung von etwas mehr als 3 m/sec2 genügt. Aus all dem ergäbe sich, daß die Aufstellung des Warndreiecks 53 m hinter dem Heck des LKWs durchaus ausgereicht habe, um jeden anderen Verkehrsteilnehmer auf das vor ihm auf der Fahrbahn befindliche Hindernis rechtzeitig hinzuweisen. Alois H*** habe aber auch nicht gegen § 89 a Abs 1 StVO verstoßen. Nach den Feststellungen sei der Defekt derart gewesen, daß er ihn durch eine notdürftige Reparatur beheben zu können geglaubt habe. Er habe zu diesem Zwecke Maßnahmen ergriffen, die im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse nicht zu beanstanden gewesen seien. Er habe versucht, durch seine Lebensgefährtin zu seinem Werkzeug zu gelangen, was ihm schließlich - wenn dies auch einige Zeit erfordert habe - gelungen sei. Die Forderung der Berufungswerberin, H*** hätte sich um das Abschleppen des LKWs durch einen Abschleppdienst bemühen müssen, hieße die Sorgfaltspflicht eines Fahrzeuglenkers überspannen. Sprächen die Umstände dafür, das Fahrzeug mit billigen Mitteln in absehbarer Zeit wieder in Gang setzen zu können, so sei die Inanspruchnahme eines gewiß viel teureren Abschleppdienstes nicht zumutbar zumal dieser oft auch nicht zur sofortigen Entfernung eines LKW zur Verfügung stehe. "Für die eheste Entfernung zu sorgen", bedeute demnach nicht, unter Außerachtlassung jeder wirtschaftlichen Erwägung dieses Ziel zu erreichen suchen, sondern unter vernünftiger Abwägung der Umstände angemessene Vorsorge zu treffen, wozu noch komme, daß Abschleppmanöver an sich weit gefährlicher seien, als das Wegfahren mit wieder funktionsfähig gemachten Fahrzeugen. Den von der klagenden Partei ins Treffen geführten, in ZVR 1983/19 und ZVR 1984/37 veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes lägen Sachverhalte zugrunde, wonach Fahrzeuge auf der Fahrbahn durch ein schuldhaftes Verhalten ihres Lenkers zum Stillstand gelangt seien und Auffahrunfälle in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem "Vorunfall" gestanden seien. Eine Verletzung der Norm des § 89 a Abs 1 StVO sei damals nicht zur Beurteilung gestanden. Ein Verschulden des Alois H*** daran, daß der Defekt während der Fahrt aufgetreten sei, habe aber die klagende Partei nicht behauptet. Da somit dem LKW-Lenker kein Verschulden an dem Auffahrunfall anzulasten sei, der Unfall vielmehr allein vom Lenker des PKW zu verantworten gewesen sei, komme auch - wolle man den LKW als noch in Betrieb befindlich ansehen (was er zweifellos nicht mehr gewesen sei) - eine Ausgleichshaftung nach § 11 EKHG nicht in Betracht. Das Erstgericht habe daher zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.

Demgegenüber wiederholt die Klägerin in der Revision ihren Standpunkt, daß das Warndreieck von H*** in einem zu geringen Abstand vom LKW aufgestellt worden sei, H*** den LKW doch hätte beleuchten müssen und er für dessen eheste Entfernung zu sorgen gehabt habe. Ausgehend von dem die StVO vor allem beherrschenden Grundsatz der Sicherheit des Verkehrs sei es belanglos, ob ein verkehrstüchtiges oder ein nicht verkehrstüchtiges Fahrzeug behindernd abgestellt sei. In beiden Fällen gelte das Ingerenzprinzip (ZVR 1984/69). Wäre der den fließenden Verkehr behindernd abgestellt gewesene LKW fahrtüchtig gewesen, so hätte er beleuchtet werden müssen. Bei einem nicht verkehrstüchtigen Fahrzeug könne hinsichtlich der Sicherungspflichten kein geringerer Grad an Aufmerksamkeit verlangt werden. Da H*** gewußt oder doch in Kauf genommen habe, daß der LKW auch noch bei Dämmerung und Dunkelheit auf der Fahrbahn verbleiben werde, wäre H*** verpflichtet gewesen, alle möglichen Sicherungsmittel anzuwenden. Dem ist folgendes zu entgegnen:

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß die Beleuchtungspflicht nach § 60 Abs 3 StVO für stillstehende Fahrzeuge auf der Fahrbahn nur dann gilt, wenn diese fahrbereit und fahrtüchtig sind (ZVR 1970/245 ua), für betriebsunfähig gewordene Fahrzeuge hingegen die Vorschrift des § 89 Abs 2 StVO maßgebend ist (ZVR 1973/87, ZVR 1975/91, ZVR 1983/166 ua), eine zusätzliche Beleuchtung daher in einem solchen Fall vom Gesetz nicht gefordert wird (VwGH 9. Dezember 1968, ZVR 1969/287; ZVR 1970/245 ua). Die Unterlassung der Einschaltung der Fahrzeugbeleuchtung am LKW wurde daher von den Vorinstanzen H*** mit Recht nicht zum Vorwurf gemacht.

Wenn ein betriebunfähig gewordenes mehrspuriges Fahrzeug auf einer Freilandstraße auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, bei durch Witterung bedingter schlechter Sicht, Dämmerung oder Dunkelheit zum Stillstand gelangt ist, so hat der Lenker diesen Umstand gemäß § 89 Abs 2 StVO unverzüglich den Lenkern anderer, auf dem verlegten Fahrstreifen herannahender Fahrzeuge durch das Aufstellen einer nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften genehmigten Warneinrichtung anzuzeigen; dies gilt - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat - jedoch nur für einen länger dauernden Stillstand des Fahrzeuges (ZVR 1973/191, ZVR 1975/91, ZVR 1983/166 ua), was hier der Fall war. Die Warneinrichtung ist nach der genannten Bestimmung auf den verlegten Fahrstreifen in der Richtung des ankommenden Verkehrs in einer der Verkehrssicherheit entsprechenden Entfernung von dem zum Stillstand gelangten Fahrzeug aufzustellen, damit sich die Lenker herannahender Fahrzeuge rechtzeitig auf das Verkehrshindernis einstellen können (§ 89 Abs 2 zweiter Satz StVO; § 3 WarneinrichtungsV). Daraus folgt, daß bei Aufstellung der Warneinrichtung auf die im Einzelfall gegebenen Sicht- und Verkehrsverhältnisse Bedacht zu nehmen ist. Im vorliegenden Fall war der LKW etwa in der Mitte eines 740 m lang gerade verlaufenden asphaltierten Straßenstückes zum Stillstand gelangt; örtlich bedingte Sichtbehinderungen bestanden daher nicht. Da es sich dabei um eine Freilandstraße handelte, mußte H*** damit rechnen, daß dieses Straßenstück von Fahrzeugen mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit befahren werde. Er konnte aber davon ausgehen, daß Lenker solcher Fahrzeuge auf Sicht fahren, also ihre Fahrgeschwindigkeit so einrichten, daß sie beim Auftauchen eines Hindernisses rechtzeitig ihr Fahrzeug zum Stehen bringen oder zumindest das Hindernis umfahren können (ZVR 1971/147, ZVR 1972/6, ZVR 1978/60 uva). Durfte H*** aber davon ausgehen, daß die Lenker von Kraftfahrzeugen die von ihnen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit der durch die von ihnen gewählte Fahrzeugbeleuchtung (offenes oder abgeblendetes Scheinwerferlicht) gegebenen Sichtweite anpassen werden, so war die von H*** für die Aufstellung des Warndreieckes gewählte Entfernung entgegen der auch in der Revision vertretenen, jedoch nicht näher erläuterten Ansicht - wie von den Vorinstanzen für Fahrzeuge sowohl bei Verwendung von Abblendlicht als auch bei eingeschaltetem Fernlicht zutreffend dargelegt wurde - ausreichend, weil solche Verkehrsteilnehmer bei entsprechender Vorsicht und Aufmerksamkeit, die bei Nachtfahrten im besonderen Maß aufgewendet werden müssen (vgl. ZVR 1969/59, ZVR 1972/43 und 143) unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen jedenfalls in der Lage gewesen wären, sich rechtzeitig, also ohne Notwendigkeit, überstürzte Reaktionen zu setzen (vgl. Mayerhofer-Benes, Straßenverkehrsordnung6 Anm. 5 zu § 3 WarneinrichtungsV, S. 584) auf das durch den am rechten Fahrbahnrand abgestellten LKW gebildete Verkehrshindernis einzustellen, um entweder an diesem kollisionsfrei links vorbeizufahren, wozu die freibleibende Fahrbahn in einer Breite von 3,6 m auch ausreichend Platz bot, oder das Fahrzeug bei durchaus zumutbarer Bremsverzögerung noch vor dem abgestellten LKW anzuhalten. Die Ablehnung eines Verstoßes H***'s gegen § 89 Abs 2 StVO entspricht daher der Sach- und Rechtslage. Insofern die Revisionswerberin unter Hinweis auf die sich aus dem von Lehre und Rechtsprechung entwickelten "Ingerenzprinzip" ergebenden Pflichten ableiten möchte, H*** wäre doch verpflichtet gewesen, die Fahrzeugbeleuchtung einzuschalten oder einen günstigeren Standort für die Aufstellung des Warndreieckes zu wählen, übersieht sie, daß den diesbezüglichen Bestimmungen der StVO (§ 60 Abs 3 bzw. § 89 Abs 2 StVO) als Gesetz gewordene speziellere Regeln dem bloß von Lehre und Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsatz vorgeht.

Es erhebt sich allerdings die Frage, ob H*** verpflichtet gewesen wäre, doch auch noch Maßnahmen im Sinne des § 89 Abs 1 StVO zu ergreifen. Die Rechtsprechung hat nämlich gelegentlich in Fällen, in welchen durch ein zum Stillstand gekommenes Fahrzeug aufgrund der bestehenden Verkehrsverhältnisse eine besondere Gefahrenlage geschaffen wurde, dem Lenker des betriebsunfähigen Fahrzeuges über die Bestimmungen des § 89 Abs 2 StVO hinaus die Pflicht für eine Absicherung des Gegenverkehrs im Sinne der Vorschrift des Abs 1 des § 89 StVO auferlegt (vgl. ZVR 1964/69, ZVR 1966/275). Diese Entscheidungen betrafen aber völlig anders gelagerte Sachverhalte, die im übrigen nach den Bestimmungen der StVO in der Fassung vor dem Wirksamwerden der Novelle 1964, die eine Änderung der Gesetzeslage brachte, zu beurteilen waren. Der zuletzt genannten Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem eine besondere Gefahrenlage dadurch entstanden war, daß ein Tankwagenzug quer zur Fahrbahn einer Straße im Ortgebiet zum Stillstand gekommen war, wodurch zum Teil auch die andere Fahrbahnhälfte blockiert war. Auch im zweiten Fall war ein außerordentlich gefährlicher Zustand dadurch geschaffen worden, daß ein LKW quer zur Fahrbahn zum Stillstand gekommen war, und zwar im Bereich einer unübersichtlichen Stelle. Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen der in Fahrtrichtung am rechten Fahrbahnrand abgestellte LKW unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen keine derart außerordentliche Gefahrenquelle darstellte, sind die Voraussetzungen für Maßnahmen im Sinne des § 89 Abs 1 StVO etwa durch Aufstellen von Lampen hier nicht gegeben.

Damit bleibt nur mehr die Frage offen, ob H*** gegen die Bestimmung des § 89 a Abs 1 StVO verstoßen hat. Dies kann aber aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht abschließend beurteilt werden.

Nach der genannten Bestimmung hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn er wegen einer Betriebsstörung die Fahrt nicht fortsetzen kann und das Fahrzeug ein Hindernis bildet, für die eheste Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn zu sorgen. Da die beiden im Gesetz für die Auslösung der darin normierten Pflicht des Fahrzeuglenkers geforderten Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer Betriebsstörung am Fahrzeug und damit das Entstehen eines Hindernisses nach den Feststellungen der Vorinstanzen gegeben waren, ist bloß zu prüfen, ob H*** seiner Verpflichtung, für die eheste Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn zu sorgen, entsprochen hat.

Bei Auslegung dieser Bestimmung ist vorerst davon auszugehen, daß es sich dabei um eine Schutzvorschrift handelt, die insbesondere die Verhinderung von Auffahrunfällen bezweckt, also in erster Linie der Verkehrssicherheit dient (8 Ob 91/79).

Wirtschaftlichkeitsüberlegungen haben daher gegenüber den Erfordernissen der Sicherheit des Verkehrs in den Hintergrund zu treten. Welche Maßnahmen geeignet sind, der gesetzlichen Pflicht zu entsprechen, ist nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen. Die Maßnahmen können von der unverzüglichen Inangriffnahme einer Reparatur bis zur ehestmöglichen Erteilung eines Auftrags an ein Abschleppunternehmen reichen. Kriterien für die Beurteilung, welche von mehreren Maßnahmen geeignet ist, die Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn zu erreichen, werden wohl die Art des Fahrzeuges und die Möglichkeit, es ohne Maschinenkraft zu bewegen, die Ursachen für die Betriebsstörung, die begründete Annahme des Lenkers des Fahrzeuges oder seines Beifahrers, über die Fähigkeiten zu verfügen, eine provisorische Reparatur selbst durchzuführen, das Vorhandensein des für die Behebung des Schadens erforderlichen Werkzeuges und nicht zuletzt auch der Ort, wo die Betriebsstörung aufgetreten ist.

Im vorliegenden Fall meinte H***, den Schaden selbst beheben zu können. Es fehlte ihm allerdings das dafür erforderliche Werkzeug. Um dieses zu bekommen, mußte er erst unter Inanspruchnahme der Hilfe eines anderen Verkehrsteilnehmers in die nächste Ortschaft gelangen und telefonisch seine Lebensgefährtin ersuchen, ihm das notwendige Werkzeug zu bringen. Ob die Annahme H***'s den Schaden mit diesem Werkzeug zumindest notdürftig beheben zu können, sachlich begründet war, wurde im Verfahren nicht erörtert; dementsprechend fehlen dazu auch Feststellungen. Zwischen dieser - wohl die billigste Version darstellende - Maßnahme und der das Extrem auf der anderen Seite bildende Inanspruchnahme eines Unternehmens, das sich ausschließlich oder doch vorzüglich mit der Abschleppung von Kraftfahrzeugen befaßt, liegen auch noch andere Möglichkeiten, das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel zu erreichen. Es wäre etwa auch an die Möglichkeit zu denken, durch einen Blick in das amtliche Telefonbuch oder etwa mit Hilfe der Gemdarmerie eine in der näheren Umgebung etablierte Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätte ausfindig zu machen und deren Dienste in Anspruch zu nehmen, sei es bloß um das betriebunfähig gewordene Fahrzeug auf einen geeigneten Platz schleppen zu lassen, wo es ohne Behinderung des Verkehrs stehen bleiben könnte oder gleich eine notdürftige Reparatur in Auftrag zu geben. Ob im vorliegenden Fall eine andere als die von H*** gewählte Vorkehrung ihm zumutbar gewesen wäre und zu einer rascheren Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn hätte führen können, wurde bisher nicht geprüft. Im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Erreichung des Gesetzeszweckes ist sicherlich auch auf wirtschaftliche Erwägungen Bedacht zu nehmen. Dem Berufungsgericht ist daher insofern zuzustimmen, daß es zur Erfüllung des Gesetzes sicherlich nicht notwendig ist, "unter Außerachtlassung jeder wirtschaftlichen Erwägung dieses Ziel erreichen zu suchen, sondern daß bloß unter vernünftiger Abwägung der Umstände angemesssene Vorsorge zu treffen ist. Richtig ist auch, daß Abschleppmanöver mit höheren Gefahren verbunden sind als sie sich sonst im Straßenverkehr ergeben, es kann aber nicht gesagt werden, daß mit ihnen höhere Gefahren verbunden sind, als sie von einem Lastkraftwagen ausgehen, der betriebsunfähig am Fahrbahnrand abgestellt wird und dort auch bei Dunkelheit verbleibt. Damit ist aber die Rechtssache noch nicht spruchreif und die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen unumgänglich.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die noch offenen Fragen mit den Parteien im aufgezeigten Sinn zu erörtern und dazu auch Feststellungen zu treffen haben. Erst wenn sich herausstellen sollte, daß es keine andere Möglichkeit gegeben hat, die in einer H*** zumutbaren Weise im Vergleich zu der von ihm gewählten Lösung voraussichtlich rascher zu einer Entfernung des LKW von der Straße geführt hätte, wird gesagt werden können, daß H*** durch die von ihm ergriffenen Maßnahmen und Vorkehrungen der Verpflichtung des § 89 a Abs 1 StVO entsprochen hat. Abschließend wäre noch zu bemerken, daß ein Verstoß gegen die genannte Bestimmung jedenfalls solange nicht vorliegt, als eine im aufgezeigten Sinn zweckmäßige und erfolgversprechende Maßnahme noch im Gange ist und es zu einem Unfall kommt, noch bevor diese Maßnahme wirksam wird. Es mußte daher der Revision Folge gegeben und die Rechtssache nach Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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