OGH 15Os150/87

OGH15Os150/8724.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Doris H*** und Gerhard H*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.April 1987, GZ 20 i Vr 9.467/86-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, der beiden Angeklagten und der Verteidiger Dr. Gohn-Mauthner und Dr. Doczekal zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe bei Doris H*** auf 16 (sechzehn) Jahre und bei Gerhard H*** auf 20 (zwanzig) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden (zu I.) die Ehegatten Doris H*** und Gerhard H*** des (von letzterem "teilweise als Beteiligter nach der zweiten Alternative des § 12 StGB" begangenen) Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und (zu II) Gerhard H*** überdies des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben in Wien Doris H*** und Gerhard H*** ihr am 15.Mai 1986 geborenes Kind Jacqueline H*** vorsätzlich getötet, und zwar dadurch, daß sie ihm in der Zeit von Anfang Juli 1986 bis zum 15. August 1986 teils allein, teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, täglich zahlreiche, teils heftige Schläge auf Kopf und Körper versetzten, es mehrfach mit einer Windel knebelten und Gerhard H*** es zudem mit dem Kopf gegen einen Kasten stieß, wiederholt würgte und wiederholt einen Polster auf sein Gesicht drückte, bis sich dieses blau verfärbte, sowie dadurch, daß am 15.August 1986 Gerhard H*** die Doris H*** aufforderte, sie solle irgendetwas machen, damit es nicht mehr schreie, und Doris H*** aufgrund dieser Aufforderung das Kind aus dem Bett nahm sowie mit dem Kopf voraus zu Boden fallen ließ; und II. Gerhard H*** überdies am 15. und 29.August 1986 die Doris H*** durch Faustschläge vorsätzlich am Körper leicht verletzt.

Die Geschwornen haben jeweils stimmeneinhellig die diesen Schuldsprüchen zugrunde liegenden anklagekonformen Hauptfragen (fortlaufende Zahlen 1 bis 3) bejaht sowie die Eventualfragen 18 und 19 nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB) verneint. Weitere Eventualfragen (fortlaufende Zahlen 4 bis 17) blieben folgerichtig unbeantwortet.

Dieses Urteil wird von den Angeklagten im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes (I.) mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft, in welchen beide den Nichtigkeitsgrund der Z 6 und Gerhard H*** überdies die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO geltend machen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Beschwerden sind unbegründet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Doris H***

Diese Angeklagte rügt das Unterbleiben einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Vorliegen eines Zustandes der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) "aus biologischen Gründen, wegen Alkoholrausches, Hörigkeit gegenüber dem Ehegatten oder sonstigen tiefgreifenden Persönlichkeitsverzerrzungen zum Tatzeitpunkt" (gemeint offenbar: am 15. August 1986).

Ihr Einwand gegen die Fragestellung (Z 6) versagt.

Die Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführerin (auch) am 15. August 1986 zufolge einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung durch eine vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte volle Berauschung zurechnungsunfähig war, wurde den Geschwornen durch die Stellung einer Eventualfrage in Richtung § 287 StGB (fortlaufende Zahl 18) ohnedies ermöglicht; Anhaltspunkte für eine weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführte - also unverschuldete - Volltrunkenheit ihrerseits zu dieser Zeit aber bestanden nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung nicht.

Eine in der Beschwerde behauptete Hörigkeit der Angeklagten Doris H*** gegenüber ihrem Ehegatten indes würde für sich allein keinen der im § 11 StGB angeführten (biologischen) Zustände darstellen, der die Zurechnungsfähigkeit ausschließen könnte: als solche nennt das Gesetz ausdrücklich nur Geisteskrankheit, Schwachsinn, tiefgreifende Bewußtseinsstörungen oder andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störungen, derentwegen der Täter unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln: das Vorliegen eines derartigen Zustands der Angeklagten innerhalb des Tatzeitraums wurde im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen verneint (ON 27 iVm ON 63, Protokollseite 16; die Seitennumerierung ab ON 62 S 500 ist unrichtig), und auch sonst wurden in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht, welche die reklamierte Stellung einer Zusatzfrage im erläuterten Sinn indiziert haben würden, zumal sich die Angeklagte keineswegs damit verantwortet hat, daß sie die inkriminierten Tathandlungen etwa in einem durch ihre Zuckerkrankheit bedingten Dämmerzustand oder in der angeblich durch die Mißhandlungen des Angeklagten Gerhard H*** verursachten "Ohnmacht" begangen haben könnte.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagen Gerhard H***

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen (Z 6) erblickt dieser Angeklagte zunächst darin, daß sein Tatverhalten am 15.August 1986 allein nicht - sei es in Form einer "Teilung" der Hauptfrage (nach Mord) oder sei es durch Eventualfragen in Richtung § 92 Abs. 1 (allenfalls iVm Abs. 3 dritter Fall) StGB - gesondert erfaßt worden sei, sondern (wenn überhaupt) nur im Zusammenhang mit seinen Tathandlungen im Zeitraum von Anfang Juli 1986 bis zu diesem Tag; solcherart hätten die Geschwornen nicht die Möglichkeit gehabt, "die Vorfälle vom 15. August 1986 isoliert zu betrachten". Das wäre aber, so vermeint er, deshalb indiziert gewesen, weil zwischen den Tathandlungen vor dem 15.August 1986 und jenen an diesem Tag insofern kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, als sich aus den medizinischen Gutachten ergebe, daß einzig und allein das am 15.August 1986 erfolgte Zubodenfallenlassen des Kindes durch Doris H*** für dessen Tod kausal gewesen sei; hingegen könne aus den Vorfällen vor dem 15. August 1986 "keinesfalls eine vorsätzliche Tötungsabsicht abgeleitet" und (im Hinblick auf die Geschlossenheit der einzelnen Tathandlungen in sich sowie auf die zeitlichen Zäsuren zwischen ihnen) auch von einem fortgesetzten Delikt, das von einem einheitlichen Willensentschluß seinerseits getragen worden sei, nicht gesprochen werden.

Einer vom Beschwerdeführer reklamierten "Teilung" der - dem Anklagevorwurf zu Punkt I entsprechend - auf Mord gerichteten Hauptfrage 2 nach dem ihm angelasteten Tatverhalten bis zum 15. August 1986 einerseits und an diesem Tag andererseits stante jedoch entgegen, daß gemäß § 312 Abs. 1 StPO die Hauptfrage jeweils darauf zu richten ist, ob der Angeklagte die der Anklage zugrunde gelegte strafbare Handlung begangen hat; wird darin - wie hier - eine Mehrzahl von Tathandlungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Fortsetzung einer auf einem und demselben Entschluß beruhenden, auf die Verwirklichung des nämlichen verbrecherischen Vorhabens gerichteten Tat erfaßt, dann dürfen nicht einzelne von ihnen, welche die Anklage bloß als Teilakte des fortgesetzten Verbrechens ansieht, als selbständige Delikte behandelt und zum Gegenstand besonderer Hauptfragen gemacht werden (Mayerhofer-Rieder, StPO2, E 13 zu § 312). Darauf, ob für die Annahme eines solchen - dem Angeklagten Gerhard H*** schon für die Zeit ab dem Beginn der Mißhandlungen durch ihn im Juli 1986

vorgeworfenen, auf die Tötung des Kindes gerichtet gewesenen - einheitlichen Vorsatzes nach den Verfahrensergebnissen (hier insbesondere: nach den zur Frage des Kausalzusammenhanges zwischen den mehreren Tathandlungen innerhalb eines längeren Zeitraumes und dem eingetretenen Erfolg eingeholten Sachverständigengutachten) eine hinreichende Tatsachengrundlage gegeben war oder nicht, hatte der Schwurgerichtshof bei der Abfassung der Hauptfrage keine Rücksicht zu nehmen (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2, E 3 zu § 312). Die Möglichkeit zur Annahme einer ausschließlich das Verhalten des Beschwerdeführers am 15.August 1986 (entweder als Mord oder aber als Quälen eines Unmündigen mit oder ohne Todesfolge) erfassenden Tatvariante jedoch war den Geschwornen ohnedies insoweit geboten, als ihnen nach § 330 Abs. 2 StPO gestattet war, die (unter Einschluß seines inkriminierten Verhaltens im Zeitraum bis zu diesem Tag) auch darauf bezogenen Fragen, nämlich die Hauptfrage 2 oder die Eventualfragen 10 oder 6, auf die in Rede stehende Tatzeit (und damit auch auf das an diesem Tag gesetzte Tatverhalten) eingeschränkt zu bejahen, worauf sie in der allgemeinen (Pkt 3. b) gleichwie in der besonderen Rechtsbelehrung (S 9) ausdrücklich hingewiesen wurden.

Eine (der Übersichtlichkeit keineswegs zuträgliche) noch weitergehende Auffächerung des Fragenschemas (in bezug auf die Tatzeit) war im vorliegenden Fall umso weniger geboten, als es nach den Verfahrensergebnissen selbst dann, wenn man daraus (im Sinn der Beschwerdeargumente) einen über den gesamten Zeitraum von Anfang Juli bis zum 15.August 1986 hinweg vorgelegenen einheitlichen Vorsatz des Angeklagten Gerhard H*** (im Sinn eines fortgesetzten Delikts) nicht ableiten wollte, doch jedenfalls gerechtfertigt war, den seinem Verhalten am zuletzt relevierten Tag zugrunde gelegenen Vorsatz nicht ohne Zusammenhang mit Art, Intensität und Häufigkeit seiner vorausgegangenen Tätlichkeiten gegenüber dem Tatopfer zu beurteilen.

Aber auch die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Formulierung der Eventualfragen 5 und 6 (in Richtung des Vergehens des Quälens eines Unmündigen mit Todesfolge nach § 92 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Fall StGB), 9 und 10 (in Richtung des Vergehens des Quälens eines Unmündigen nach § 92 Abs. 1 StGB), 11 und 12 (in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB unter Ausklammerung des Vorfalles vom 15.August 1986) sowie 13 und 14 (in Richtung des Vergehens des Quälens eines Unmündigen nach § 92 Abs. 1 StGB unter Ausklammerung des Vorfalles vom 15.August 1986) sind nicht zielführend.

Zwar trifft es zu, daß in diesen (paarweise gestellten) Eventualfragen stets beide Angeklagten als Täter angeführt sind, wobei schon aus der grammatikalischen Fehlerhaftigkeit jener Formulierungen ("Ist Doris H*** und Gerhard H*** schuldig ..." sowie "Ist Gerhard H*** und Doris H*** schuldig ...") und aus der Inhaltsgleichheit der betreffenden Fragen-Paare erhellt, daß es sich hiebei durchwegs bloß um ein stilistisches Versehen handelt und daß sich in Wahrheit jeweils die erste Schuldfrage auf die Angeklagte Doris H*** (allein), die zweite aber auf den Angeklagten Gerhard H*** (allein) bezieht.

Inwieweit aus dieser fehlerhaften Formulierung von Eventualfragen - in Verbindung mit der (insoweit nicht gerügten) Rechtsbelehrung (S 9/10) - die Gefahr einer ungerechtfertigt pauschalen Beurteilung beider Angeklagten in Ansehung ihres darnach aktuellen Vorsatzes in Richtung §§ 92 oder 87 StGB durch die Geschwornen zu besorgen war, kann indessen hier unerörtert bleiben:

denn im Hinblick darauf, daß der gerügte Formulierungsfehler bei den von ihnen bejahten Hauptfragen 1 und 2 nicht unterlaufen ist, kann entgegen der Beschwerdeauffassung jedenfalls ausgeschlossen werden, daß sie in Ansehung eines - ausschließlich für diese fehlerfrei formulierten Hauptfragen maßgebenden - Handelns mit Tötungsvorsatz (§ 75 StGB) durch die Fragestellung "insgesamt betrachtet", insbesondere "durch die bezeichneten Eventualfragen" zur falschen Annahme verleitet worden sein könnten, eine gesonderte Beurteilung beider Angeklagten komme insoweit nicht in Frage; dies umso weniger, als die Laienrichter in der Rechtsbelehrung (S 6) ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, daß nach § 13 StGB jeder Beteiligte nach seiner Schuld haftet und daß speziell der Vorsatz des Bestimmungstäters auf die Vollendung der Tat gerichtet sein muß. Die in Rede stehende Formverletzung bei der Formulierung mehrerer Eventualfragen (Z 6) kann daher zum Vorteil des Angeklagten Gerhard H*** nicht geltend gemacht werden, weil unzweifelhaft erkennbar ist, daß sie auf die Entscheidung keinen ihm nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO).

Der im gegebenen Zusammenhang gegen die Rechtsbelehrung erhobene Vorwurf des Beschwerdeführers (Z 8) hinwieder, sie enthalte keine Ausführungen über die Begrenzung der Haftung des Bestimmungstäters im Fall einer Überschreitung des von ihm initiierten Tatplanes durch den unmittelbaren Täter ("excessus mandati") und über die insoweit für ersteren geltende Haftungsprämisse, daß sich sein Vorsatz auf den durch jenen herbeigeführten Erfolg erstrecken muß, ist deswegen nicht stichhältig, weil die Belehrung zu den Hauptfragen 1 und 2 nach dem zuvor Gesagten eben diese Hinweise ohnehin enthält (S 6 der Rechtsbelehrung).

Die Rechtsrüge schließlich, mit welcher der Angeklagte Gerhard H*** die Unterstellung der durch die Bejahung der Hauptfrage 2 als erwiesen angenommenen Tat unter das Tatbild des § 92 Abs. 1 - allenfalls iVm Abs. 3 (dritter Fall) - StGB statt unter jenes des § 75 StGB anstrebt, ist zur Gänze nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, weil der Beschwerdeführer damit nicht - wie hiezu erforderlich wäre - vom Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen ausgeht, sondern den darin festgestellten Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers in tatsächlicher Hinsicht negiert, indem er die dahingehende Konstatierung mit Bezug auf Tatumstände und Verfahrensergebnisse nach Art einer Schuldberufung unzulässigerweise beweismäßig zu widerlegen trachtet.

Aus den dargelegten Erwägungen waren beide Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Nur der Vollständigkeit halber sei zur Subsumtion noch vermerkt, daß die gesonderte rechtliche Beurteilung einer einzelnen - vom (Gesamt-) Tötungsvorsatz umfaßten (fortgesetzten) - Tathandlung des Angeklagten Gerhard H***, und zwar des Teilaktes vom 15.August 1986, als Bestimmung (§ 12 zweiter Fall StGB) zum (hierauf vollendeten) Mord, in Ansehung dessen ihm mit Rücksicht auf seine vorausgegangenen eigenen Ausführungshandlungen zu Recht unmittelbare Täterschaft angelastet wurde, angesichts der angenommenen Deliktseinheit zwar rechtlich verfehlt war (Leukauf-Steininger, Komm2, § 28 RN 68), daß dieser Rechtsirrtum jedoch im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 12 StGB und darauf, daß er nicht zu einer Doppelbeurteilung von Tathandlungen führte, auf sich beruhen kann.

Das Geschwornengericht verurteilte die Angeklagte Doris H*** nach § 75 StGB zu zwanzig Jahren, den Angeklagten Gerhard H*** nach §§ 28 Abs. 1, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es bei Doris H*** die zahlreichen Angriffe gegen das Kind, die für das Opfer qualvolle Handlungsweise durch einen längeren Zeitraum sowie die völlige Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers als erschwerend; hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, daß sie schwach an Verstand ist, den Beitrag zur Wahrheitsfindung durch die Aussage bei der Polizei sowie daß sie teilweise angestiftet wurde, als mildernd. Beim Angeklagten Gerhard H*** waren die teilweise Anstiftung seiner Ehegattin, der Umstand, daß er der brutalere Täter war, die zahlreichen Angriffe gegen das Kind, die für das Opfer qualvolle Handlungsweise durch einen längeren Zeitraum, die völlige Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie die einschlägigen Vorstrafen erschwerend; als mildernd wurde ihm kein Umstand zugute gehalten.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich die Berufungen der beiden Angeklagten, mit welchen sie eine Strafherabsetzung anstreben. Beide Berufungen sind berechtigt.

Zwar ist den sonst im wesentlichen richtig und vollständig erfaßten Erschwerungsgründen noch hinzuzufügen, daß die beiden Angeklagten durch ihre Tat auch ihre Garantenpflicht als Eltern des getöteten Kindes verletzt haben (§ 32 Abs. 3 StGB). Demgegenüber mißt aber der Oberste Gerichtshof bei der Angeklagten Doris H***

dem Milderungsgrund, daß sie ihre unmittelbar zum Tode des Kindes führende letzte Ausführungshandlung unter der Einwirkung des Zweitangeklagten Gerhard H*** begangen hat, angesichts ihrer besonderen psychischen Beschaffenheit, die in dieser Willfährigkeit auch Elemente der Furcht und des Gehorsams gegenüber dem dominanten Ehegatten erkennen lassen, doch eine höhere Bedeutung bei, als es das Geschwornengericht getan hat. Dazu kommt, daß sie zur Tatzeit zwar schon die strafsatzbeschränkende Altersgrenze von zwanzig Jahren (vgl § 36 StGB) überschritten, gleichwohl das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 34 Z 1 StGB).

Das Berufungsvorbringen des Angeklagten Gerhard H*** hinwieder ist zwar zum einen verfehlt, als er in dem von ihm am 15. August 1986 gesetzten Teilakt bloß einen psychischen Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB), statt - isoliert betrachtet - eine Bestimmungshandlung (§ 12 zweiter Fall StGB) zu der von der Erstangeklagten insoweit unmittelbar ausgeführten Tötung des gemeinsamen Kindes erblickt und damit eine minderschwere Verbrechensbeteiligung für sich reklamiert; zum anderen kann weder aus der behaupteten Zerrüttung der Ehe noch aus seiner durch Alkoholmißbrauch bedingten seelischen Depravation (vgl § 35 StGB) ein Milderungsgrund abgeleitet werden. Allerdings trifft zu, daß auch ihm in Ansehung des entscheidenden Tatgeschehens vom 15.August 1986 ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung durch seine diesbezüglich vor der Polizei gewählte Verantwortung (S 75/I) als weiterer Milderungsgrund zustatten kommt.

Bei gegenseitiger Abwägung der solcherart zu ergänzenden Strafbemessungsgründe und angesichts des objektiven Gewichts der jeweils unmittelbar gesetzten Ausführungshandlungen sowie der darauf bezogenen persönlichen Täterschuld der beiden Angeklagten, die selbst bei Gerhard H*** noch nicht den die Verhängung der absoluten Höchststrafe kategorisch gebietenden Grad erreicht hat, erscheint auch unter Bedacht auf die Erzielung eines ausgewogenen Verhältnisses der Strafen zueinander deren Reduktion auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß gerechtfertigt.

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