Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung der Angeklagten wird zurückgewiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe auf sechs Monate erhöht.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 19.Oktober 1972 geborene jugendliche Angeklagte Brigitte F*** A./ des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, B./ des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und C./ des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt der Schuldsprüche hat sie in Wien:
zu A./ am 28.Jänner 1987 dadurch versucht, mit Gewalt gegen eine Person der Sophie D*** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, daß sie die Genannte in einen Hausflur verfolgte, von hinten zu Boden stieß und ihr die Handtasche, in der sie Bargeld vermutete, gegen ihren spürbaren Widerstand entriß, zu B./ am 28.Jänner 1987 Sophie D*** dadurch vorsätzlich geschädigt, daß sie fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Dameneinkaufstasche mit einer Lesebrille im Werte von ca 4.000 S, eine Zeitung und Stoffhandschuhe aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, indem sie bei dem unter Faktum A/ des Urteilsspruches geschilderten Angriff die Tasche samt obgenanntem Inhalt an sich brachte, mitnahm und in der Folge wegwarf,
zu C./ am 12.Mai 1987 vorsätzlich im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Jugendlichen Andreas F*** die Andrea K*** gewürgt und ins Gesicht geschlagen, was zahlreiche Hautabschürfungen und Rötungen im Gesicht der Genannten zur Folge hatte.
Die Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gegen den Schuldspruch wegen versuchten Raubes wendet die Beschwerdeführerin ein, daß "alle Überlegungen und Vermutungen" des Urteiles über den "Überfall" auf Sophie D***, über ihre Absichten und die Tatausführung "weit hergeholt sind und mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben". Da sie D*** die Sachen nicht gewaltsam entzogen, sondern bloß gegen deren Willen "von rückwärts weggenommen" habe, habe sie nicht versuchten Raub, sondern räuberischen Diebstahl zu verantworten.
Mit diesem Vorbringen wird jedoch weder eine Mängelrüge (Z 5) noch eine Rechtsrüge (Z 10) zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht. Denn zum einen bleibt dabei unberücksichtigt, daß der Jugendschöffensenat die in der Nichtigkeitsbeschwerde bloß pauschal als unrichtig und "weit hergeholt" bezeichneten Feststellungen zum Tathergang und zur subjektiven Tatseite auf die geständige Verantwortung der Angeklagten vom 28.Jänner 1987 vor der Bundespolizeidirektion Wien (AS 11 f) im Zusammenhalt mit der Würdigung ihrer Persönlichkeit und den Angaben des Tatopfers stützt (AS 167 ff; 172) und ihre leugnende Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung auch durch die Angaben ihrer als Zeugin vernommenen Mutter und der Kriminalbeamtin Susanne R*** für widerlegt hält (AS 169), sodaß von einem förmlichen Begründungsmangel entscheidungswesentlicher Tatsachenfeststellungen keine Rede sein kann. Und zum anderen übergeht die Beschwerdeführerin jene Urteilsfeststellungen, denen zufolge sie mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Sophie D*** von hinten zu Boden stieß und der Wehrlosen in einem zweiten Angriff gegen deren Widerstand die Einkaufstasche entriß (AS 166, 172), in der sie (die Angeklagte) - tatsächlich allerdings nicht vorhandenes - Bargeld vermutete. Demnach hat die Beschwerdeführerin Gewalt angewendet, um sich in den Besitz einer fremden Sache zu setzen (§ 142 Abs. 1 StGB), nicht aber, um sich - bei einem Diebstahl auf frischer Tat betreten - im Besitz der schon weggenommenen Sache zu erhalten (§ 131 StGB). Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge erfordert aber - was die Beschwerdeführerin ersichtlich verkennt - ein Festhalten an dem gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis, daß dem Erstgericht bei der Beurteilung dieses als erwiesen angenommenen Sachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Verfehlt sei auch - so meint die Beschwerdeführerin - der Schuldspruch wegen des Vergehens der dauernden Sachentziehung. Diese stelle "eine Folgetat dar, welche durch den Schuldspruch nach § 142 Abs. 1 StGB konsumiert und daher straflos" sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerdeführerin übersieht, daß ihr nur versuchter Raub von Bargeld zur Last liegt, es sohin nach dem diesbezüglichen Schuldspruch zu einer darüber hinausgehenden vom Bereicherungsvorsatz getragenen gewaltsamen Sachwegnahme gar nicht kam. Durch die Bestrafung wegen versuchten Raubes von Bargeld ist daher bei wertabwägender Auslegung der Unrechtsgehalt, der sich in dem gleichzeitigen aber ohne Bereicherungsvorsatz erfolgten Zugriff auf weitere Gegenstände (eine Dameneinkaufstasche mit einer Lesebrille im Werte von ca 4.000 S, eine Zeitung, Stoffhandschuhe) manifestierte, nicht erfaßt. Damit erledigt sich aber auch der Einwand, die Entziehung der in Rede stehenden Sachen stelle eine straflose Nachtat ("Folgetat") dar. Denn vorliegend wurden - was die Beschwerdeführerin außer acht läßt - durch eine Handlung in auf der subjektiven Tatseite unterschiedlicher Form verschiedene Tatobjekte angegriffen (vgl SSt 46/34, 47/13 ua).
Unzutreffend ist schließlich die Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB insoweit, als die Beschwerdeführerin ersichtlich unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen (nicht unzureichenden) Begründung behauptet, das Jugendschöffengericht habe sich über "ihre Verantwortung hinweggesetzt". Denn das Erstgericht hat die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin vor der Polizei (AS 99) und in der Hauptverhandlung (AS 144, 145; 152) sowie ihre zwar nicht Schläge gegen Andrea K***, wohl aber daraus resultierende Verletzungsfolgen in Abrede stellende Darstellung des Vorfalles vom 12. Mai 1987 vor dem Untersuchungsrichter (AS 67 a verso) durch die als glaubwürdig erachteten gegenteiligen Angaben der Zeugin Andrea K*** (AS 96; 151, 152) für widerlegt angesehen (AS 170, 171). Mit der weiteren Behauptung, die - in Wahrheit gar nicht getroffene - Urteilsannahme, daß "der junge Hund der Andrea K*** so verspielt gewesen wäre", daß er sie gegen einen tätlichen Angriff nicht verteidigt hätte, widerspreche den Denkgesetzen, vielmehr hätte sie der Hund jedenfalls "angesprungen", wenn sie K*** tätlich angegriffen hätte, versucht die Beschwerdeführerin bloß in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise ihrer als unglaubwürdig abgelehnten Darstellung des Geschehens doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Denn ausgehend von der notorischen Prämisse, daß "junge Hunde verspielt sind und von ihnen schutzhundehaftes Verhalten nicht erwartet werden kann", hielt der Jugendschöffensenat im Einklang mit der Lebenserfahrung bloß den Einwand der Angeklagten für nicht überzeugend, daß "der junge Hund" (im Alter ca eines Jahres; AS 95) "Andrea K*** bei einem Angriff wohl verteidigt hätte" (AS 171). Insoweit entbehrt die Mängelrüge sohin einer gesetzmäßigen Darstellung.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Brigitte F*** war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach §§ 28, 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG und des § 41 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe, deren Vollzug es nach § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen hat. Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Delinquenz ungeachtet eines anhängigen Strafverfahrens und die Ausnützung der Gebrechlichkeit der Sophie D***, mildernd hingegen die durch die extrem ungünstigen Erziehungsverhältnisse verbunden mit dem Fehlen einer positiven Bezugsperson bewirkte hochgradige Verwahrlosung der Angeklagten, weiters daß es teilweise beim Versuch geblieben ist sowie das Alter von knapp über 14 Jahren insbesondere beim Verbrechen des Raubes.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft, welche die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB bekämpft und eine Erhöhung der Strafe anstrebt, kommt Berechtigung zu. Bei den vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründen kann nicht davon die Rede sein, daß die Milderungsgründe ihrem Gewichte nach die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Wie die Anklagebehörde auch mit Recht hervorhebt, besteht im Hinblick auf den sich aus den Tathandlungen ergebenden ausgeprägten Aggressionstrieb der Angeklagten keine begründete Aussicht auf ein künftiges Wohlverhalten. Unter Aufrechterhaltung des vom öffentlichen Ankläger nicht bekämpften Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht war sonach § 41 StGB auszuschalten und die Strafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß anzuheben.
Die Berufung der Angeklagten war zurückzuweisen, weil diese zwar ausgeführt, nicht aber innerhalb der im § 284 StPO bezeichneten Frist beim Gerichtshof erster Instanz angemeldet worden ist.
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