OGH 9ObA88/87

OGH9ObA88/8718.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Erika Hantschel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helga R***, Angestellte, Wien 19., Friedlgasse 52/7, vertreten durch Dr. Georg Griesser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C***-B***, Wien 1., Schottengasse 6, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 17.748,50 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Mai 1987, GZ. 31 Ra 31/87-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 29. August 1986, GZ. 4 Cr 2031/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1. Februar 1978 bei der Beklagten als Korrespondentin angestellt. Ab dem 2. November 1985 befand sie sich gemäß § 3 Abs 1 MSchG in der Schutzfrist vor der Geburt ihres Kindes. Die Schutzfrist gemäß § 5 Abs 1 MSchG nach der am 11. Dezember 1985 erfolgten Entbindung lief bis 22. Februar 1986. Aus dem Urlaubsjahr 1985 hatte sie noch sieben Arbeitstage Urlaub offen und für das Urlaubsjahr 1986, das mit 1. Jänner begonnen hatte, bestand ein Urlaubsanspruch von 25 Arbeitstagen. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von S 17.748,50 brutto sA an restlichem Urlaubsentgelt. Sie habe der Beklagten mit Schreiben vom 22. Jänner 1986 mitgeteilt, daß sie ihren gesamten Gebührenurlaub von 32 Arbeitstagen in Anschluß an die am 22. Februar 1986 endende Schutzfrist verbrauchen wolle und sie ihren Karenzurlaub gemäß § 15 Abs 1 MSchG erst ab 11. April 1986 antreten werde. Die Beklagte habe ihr jedoch nur einen Gebührenurlaub von 12 Arbeitstagen zuerkannt, da sie von einer Aliquotierung des Urlaubsanspruches für das Jahr 1986 ausgegangen sei. Zu einer solchen Vorgangsweise sei die Beklagte aber nicht berechtigt gewesen, da eine Aliquotierung des Gebührenurlaubs nur dann erfolgen dürfe, wenn dieser vor Antritt des Karenzurlaubs noch nicht verbraucht worden sei. Es stehe ihr daher noch Urlaubsentgelt für die Zeit vom 12. März bis 10. April 1986 zu.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe den ihr zustehenden Karenzurlaub im gesetzlichen Höchstausmaß bis 11. Dezember 1986 in Anspruch genommen. Demzufolge sei ihr neben dem Resturlaub von 7 Arbeitstagen noch ein aliquoter Gebührenurlaub für das Jahr 1986 von 5 Arbeitstagen zugestanden. Diesen Urlaub habe die Klägerin im Einverständnis mit der Beklagten bis 11. März 1986 konsumiert und habe dafür Urlaubsentgelt erhalten. Zu einer darüber hinausgehenden Urlaubsvereinbarung sei es nicht gekommen. Die Klägerin habe sich daher ab 12. März 1986 in Karenzurlaub befunden. Im übrigen widerspreche es den Erfordernissen des Betriebs, allen Arbeitnehmerinnen der Beklagten bei Wegfall der Arbeitskraft das volle Urlaubsentgelt zu zahlen. Müßte allen weiblichen Arbeitnehmerinnen der Beklagten noch vor Beginn des Karenzurlaubs zwangsläufig der volle Gebührenurlaub gewährt werden, hätte dies eine finanzielle Mehrbelastung der Beklagten von durchschnittlich rund S 2,125.000 zur Folge.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Mit Schreiben vom 22. Jänner 1986 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie beabsichtige, ihren gesamten Urlaub von 32 Arbeitstagen im Anschluß an die Schutzfrist zu konsumieren und daß sie erst danach ab 11. April 1986 den Karenzurlaub gemäß § 15 Abs 1 MSchG antreten werde. Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 27. Jänner 1986 den Wunsch der Klägerin auf Inanspruchnahme des Karenzurlaubes zur Kenntnis und stimmte lediglich einem aliquot errechneten Gebührenurlaub für das Jahr 1986 von 5 Arbeitstagen und den Verbrauch des Resturlaubs, sohin einem Gebührenurlaub vom 23. Februar bis 11. März 1986 zu. Die Klägerin verbrauchte den von der Beklagten genehmigten Urlaub und erhielt das entsprechende Urlaubsentgelt. Eine Urlaubsvereinbarung übr den 11. März 1986 hinaus wurde nicht getroffen. Vom 12. März bis 11. Dezember 1986 befand sich die Klägerin im Karenzurlaub.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin zwar einen vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 1986 erworben habe, der Urlaub aber gemäß § 15 Abs 3 MSchG nur in dem Ausmaß gebühre, das dem um die Dauer des Karenzjahres verkürzten Dienstjahr entspreche. Diese ex lege eintretende Verkürzung des Anspruches sei mit der Inanspruchnahme des Karenzurlaubes wirksam geworden. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß der Arbeitnehmerin nur hinsichtlich des Antritts und des Ausmaßes des Karenzurlaubes ein einseitiges Gestaltungsrecht zukomme. Hingegen müsse der Antritt und die Dauer eines Gebührenurlaubs gemäß § 4 Abs 1 UrlG zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber vereinbart werden. Die Beklagte habe einem Urlaubsverbrauch der Klägerin aber nur zum Teil zugestimmt und damit ihrem Offert zum Abschluß einer Urlaubsvereinbarung nicht zur Gänze entsprochen. Dabei habe es die Klägerin bewenden lassen, ohne den ihr nach § 4 Abs 4 UrlG offenstehenden Weg zu beschreiten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wiederholt im wesentlichen ihre bereits im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente, daß dem Arbeitgeber kein Einfluß auf die Gestaltung des Karenzurlaubs durch die Arbeitnehmerin zustehe und es auf den Rechtsstandpunkt der Beklagten über die Zuordnung des Urlaubs nicht ankomme. Entscheidend sei, daß die Klägerin einen Gebührenurlaub beantragt habe und ein Einverständnis der Beklagten zum Urlaubswunsch der Klägerin zu unterstellen sei. Mit diesen Ausführungen verläßt die Revisionswerberin aber schon zum Teil die Feststellungen der Vorinstanzen.

Im übrigen ist davon auszugehen, daß gemäß § 15 Abs 3 MSchG dann, wenn in das jeweilige Dienstjahr Zeiten eines Karenzurlaubs fallen, ein Urlaub, soweit dieser noch nicht verbraucht worden ist, nur in dem Ausmaß gebührt, das dem um die Dauer des Karenzurlaubs verkürzten Dienstjahr entspricht. Ergeben sich bei der Berechnung des Urlaubsausmaßes Teile von Werktagen, so sind diese auf ganze Werktage aufzurunden. Dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zur Novelle zum Mutterschutzgesetz, BGBl. 1960/240, ist dazu zu entnehmen, daß es im Hinblick auf die Erweiterung des Karenzurlaubsanspruchs gerechtfertigt erscheine, die Dauer des Gebührenurlaubs im aliquoten Ausmaß um jene Zeiten zu verkürzen, die im betreffenden Urlaubsjahr dem durch den Karenzurlaub in Anspruch genommenen Teil entsprechen. Eine ähnliche Regelung sehe auch das Arbeitsplatzsicherungsgesetz vor (299 BlgNR 9.GP). In den Erläuternden Bemerkungen zu § 16 Abs 2 ArbPlSichG wird ausgeführt, daß für die Ermittlung der Dauer des Urlaubs in dem Dienstjahr, in das Präsenzdienstzeiten fallen, jene Zeiten des Dienstjahres heranzuziehen seien, in denen kein Präsenzdienst geleistet wurde (25 BlgNR 8.GP, 10). Diese ex lege eintretende Verkürzung des Urlaubsanspruchs wird entgegen der Ansicht der Revisionswerberin bereits mit der Inanspruchnahme des Karenzurlaubs, sohin spätestens mit dessen Antritt wirksam (Arb. 9.643 = ZAS 1978/30 mit insoweit zustimmender Besprechung von Schön 234). Insoferne trifft es daher nicht zu, daß generell nur hinsichtlich des nach Beendigung des Karenzurlaubs verbleibenden Urlaubs eine Aliquotierung stattfinden dürfe. Es kommt vielmehr auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Karenzurlaubs an.

Für den Verbrauch des Gebührenurlaubs enthält § 15 Abs 3 MSchG zwar eine Einrechnungsvorschrift, nicht aber eine Bestimmung dahin, daß etwa der Gebührenurlaub vor Antritt des Karenzurlaubs als verbraucht zu gelten habe. Für den Gebührenurlaub ist weiterhin § 4 Abs 1 UrlG maßgeblich, wonach die Urlaubsfestsetzung zwingend einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bedarf (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 162;

Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 273; Mayer-Maly/Marhold Österreichisches Arbeitsrecht 150; Cerny Urlaubsrecht4 62 f;

Klein-Martinek Urlaubsrecht 59 ff; Basalka in Kommentar zum Urlaubsgesetz § 4 Anm. 1; Arb. 10.332 ua.). Der Einwand, es bedürfe deshalb keiner Vereinbarung des Urlaubs, weil der Arbeitgeber in jedem Fall mit der betrieblichen Abwesenheit der Arbeitnehmerin rechnen müsse und dem Urlaubswunsch der Arbeitnehmerin keine Erfordernisse des Betriebes entgegenstehen könnten (Knöfler-Martinek Mutterschutzgesetz7 Erl. 1.3.1), läßt die den einseitigen Urlaubsantritt regelnde Bestimmung des § 4 Abs 4 UrlG unberücksichtigt und führt im Ergebnis dazu, daß sowohl die Aliquotierungsvorschrift des § 15 Abs 3 MSchG als auch die Bestimmung des § 4 Abs 1 UrlG weitgehend bedeutungslos würden (vgl. Klein in RdW 1986, 117 f; Andexlinger in ZAS 1985, 186). Eine einseitige vorweggenommene Abwägung der Interessen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist in § 4 Abs 1 UrlG nicht vorgesehen. Das Verfahren bei Nichtzustandekommen einer Einigung über den Urlaubsantritt (vgl. Kuderna in ZAS 1977, 83 ff.) kann daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht von vorneherein als sinnlos angesehen werden (vgl. Kuderna aaO 89; ferner DRdA 1985, 433). Fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers, wird der Urlaubswunsch der Arbeitnehmerin ohnehin durchgesetzt werden können. Da eine Urlaubsvereinbarung somit erforderlich ist, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätte mit der Anmeldung ihres Urlaubswunsches bereits einen Anspruch auf Verbrauch des Gebührenurlaubs erworben. Mit ihrem Schreiben vom 22. Jänner 1986 gab die Klägerin der Beklagten einerseits bekannt, daß sie einen Karenzurlaub in der nach § 15 Abs 1 MSchG höchstzulässigen Dauer in Anspruch nehmen und daß sie andererseits ihren Gebührenurlaub nach dem Ablauf der Schutzfrist antreten wolle. Der Klägerin kam aber lediglich hinsichtlich des Karenzurlaubs Gestaltungsfreiheit zu (Arb. 9.639, 7.943), nicht aber bezüglich der Festlegung des Gebührenurlaubs. Mit ihrem Schreiben vom 27. Jänner 1986 lehnte die Beklagte den Wunsch der Klägerin, noch vor deren Karenzurlaub den Gebührenurlaub zu verbrauchen, im wesentlichen ab und bot der Klägerin lediglich den Verbrauch des bereits aliquot ermittelten Urlaubsanspruchs für 1986 und des Resturlaubs an. Dieses Schreiben der Beklagten ist nicht bedeutungslos, wie die Revisionswerberin meint, und es kann daraus auch keine Zustimmung zum Urlaubswunsch der Klägerin abgeleitet werden. Der weiteren Ansicht, die Klägerin sei immerhin berechtigt gewesen, den Beginn ihres Karenzurlaubs mit 11. April 1986 festzulegen und bis dahin müsse ihr Fernbleiben vom Dienst als Gebührenurlaub gewertet werden, ist entgegenzuhalten, daß sie nicht berechtigt war, ihren Gebührenurlaub einseitig zu verlängern (RdW 1985, 159 ua.), und hinsichtlich des Zeitpunktes des Beginns des Karenzurlaubs an die Vorschriften des § 15 Abs 1 MSchG gebunden war (siehe dazu Knöfler-Martinek aaO, Erl. 1.3. zu § 15). Da sich die Klägerin in der Folge nicht weiter äußerte und ihren Dienst nach Verbrauch des von der Beklagten angebotenen Gebührenurlaubs nicht wieder antrat, konnte die Beklagte mit Recht annehmen, die Klägerin sei mit ihrem Angebot einverstanden und sie befinde sich ab dem 12. März 1986 im Karenzurlaub. Eine allfällige Aufforderung zum Arbeitsantritt wäre schon deshalb überflüssig gewesen, da die Klägerin in keinem Fall eine Arbeitspflicht traf. Zu der Annahme, die Klägerin sei der Arbeit unbegründet ferngeblieben, bestand für die Beklagte keine Veranlassung. Es kann daher auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Beklagte hätte der Klägerin den Gebührenurlaub tatsächlich gewährt.

Was die Berechnung des aliquoten Urlaubsanspruchs für das Jahr 1986 betrifft, ist entscheidend, daß die Klägerin im Zeitpunkt der einseitigen Inanspruchnahme und Bekanntgabe ihres Karenzurlaubs mit Schreiben vom 22. Jänner 1986 noch keinen Urlaub im Sinne des § 15 Abs 3 MSchG verbraucht hatte. Soweit die Beklagte daraufhin den Gebührenurlaub aliquot ermittelte und ihn der Klägerin als nunmehrigen Gesamturlaub zum Verbrauch anbot, kann ihr dies nicht insoferne zum Nachteil gereichen, daß die Differenz zum bereits ex lege gekürzten Anspruch von 20 Tagen neuerlich aliquotiert werden müßte.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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