OGH 4Ob599/87

OGH4Ob599/8717.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Priska (geboren am 24. September 1974), Pia (geboren am 13. Jänner 1976), Lucia und Agnes (beide geboren am 11. August 1981) H***, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Dr. Felix H***, Richter, Jennersdorf, Hauptstraße 51, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 20. August 1987, GZ R 234/87-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom 3. Juni 1987, GZ P 1/87-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem im Scheidungsverfahren 4 Cg 167/86 des Landesgerichtes Eisenstadt am 28. November 1986 geschlossenen Vergleich einigten sich die Eltern der vier Minderjährigen, daß die elterlichen Rechte künftig der Mutter allein zustehen sollten. Der Vater und nunmehrige Revisionrekurswerber verpflichtete sich, für die mj. Priska und Pia monatlich je S 3.500,-- und für die mj. Lucia und Agnes monatlich je S 3.000,-- sowie für seine Ehefrau monatlich S 2.000,-- als Unterhalt zu zahlen. Dieser Vereinbarung wurde ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen des Vaters von S 29.000,-- (einschließlich der Sonderzahlungen) und der Umstand zugrundegelegt, daß er sonst keine Sorgepflichten hat. Der Vater verzichtete auf die Herabsetzung der für die Minderjährigen zu zahlenden Unterhaltsbeträge auf die Dauer von 5 Jahren für den Fall, daß er eine neue Ehe eingehe. Die Ehe der Eltern wurde am 28. November 1986 gemäß § 55 a EheG geschieden. Der im Zuge des Scheidungsverfahrens geschlossene Vergleich wurde in Ansehung der Minderjährigen vom Erstgericht als Pflegschaftsgericht am 30. Jänner 1987 genehmigt. Der Rekurswerber ist auch der Vater des am 27. November 1985 von Maria H*** (nunmehr verehelichte H***) geborenen David Josef T***; Maria H*** war damals noch mit Josef H*** verheiratet. Das Bezirksgericht Fürstenfeld stellte mit Urteil vom 9. Dezember 1986 fest, daß dieser Minderjährige kein eheliches Kind des Josef H*** ist. Das den Parteien dieses Verfahrens am 11. Dezember 1986 zugestellte Urteil blieb unbekämpft. Maria H*** bezeichnete den Revisionsrekurswerber am 16. November 1985 vor dem Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld als den Vater des mj. David Josef T*** und erklärte, daß sie eine monatliche Unterhaltsleistung von S 2.000,-- für dieses Kind anspreche. Am 18. November 1986 anerkannte der Revisionsrekurswerber die Vaterschaft zu diesem Kind. Am selben Tag wurde auch eine Niederschrift über die Verpflichtung zur Zahlung des Unterhalts aufgenommen, die der Revisionsrekurswerber jedoch erst am 15. Dezember 1986 unterfertigte, nachdem das Urteil im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß zugestellt worden war. Der Revisionsrekurswerber hatte den Unterhalt für David Josef T*** tatsächlich schon seit Dezember 1985 gezahlt.

Der Revisionsrekurswerber leidet seit 1985 an Diabetes; er steht deshalb auch in regelmäßigen ambulanten Kontrollen. Am 11. März 1987 beantragte der Vater, die im Vergleich vom 28. November 1986 festgesetzten Unterhaltsbeträge für die Minderjährigen Priska und Pia auf monatlich je S 2.750,-- und für die mj. Lucia und Agnes auf monatlich je S 2.250,-- herabzusetzen. Er sei in der Zwischenzeit für den mj. David Josef T*** sorgepflichtig geworden und habe für diesen einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- zu zahlen. Als Diabetiker habe er jetzt überdies einen krankheitsbedingten Mehraufwand von außerdem mindestens S 1.500,-- im Monat für Fahrten in die Erste Medizinische Universitätsklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien und zu seinem Hausarzt sowie für die erforderliche Diät. Die Mutter sprach sich gegen die Herabsetzung des Unterhaltes für die Minderjährigen aus. Der Vater stütze den Herabsetzungsantrag auf Umstände, die ihm schon beim Abschluß des Unterhaltsvergleiches bekannt gewesen seien.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab. Beim Abschluß des Unterhaltsvergleiches sei ihm bekannt gewesen, daß er auch der Vater des mj. David Josef T*** sei und für diesen Unterhalt zahlen müsse; auch von seiner Erkrankung und dem dadurch bedingten Mehraufwand habe er damals schon Kenntnis gehabt. Die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse seien somit nach dem Abschluß des Unterhaltsvergleiches nicht verändert worden. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig. Offenbar gesetzwidrig sei nach Ansicht des Revisionsrekurswerbers die Auffassung des Rekursgerichts, daß er am 18. November 1986 (Zeitpunkt der Unterfertigung des Protokolls über die Anerkennung der Vaterschaft zu David Josef T***) bereits für ein weiteres Kind unterhaltspflichtig gewesen sei. Das Anerkenntnis der Vaterschaft zu David Josef T*** und die sich daraus ergebende Unterhaltsverpflichtung seien erst nach der Rechtskraft des Urteils im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren (sohin nach dem Abschluß des gegenständlichen Unterhaltsvergleiches) wirksam geworden. Diese Rechtsmittelausführungen sind nicht schon nach § 14 Abs 2 AußStrG unzulässig, weil die vom Revisionsrekurswerber aufgeworfene Frage, ob seine weitere Sorgepflicht von der Bereinigungswirkung des am 28. November 1986 geschlossenen Unterhaltsvergleichs erfaßt ist, nicht zum Bemessungskomplex gehört. Nach dem Jud 60 neu = SZ 27/177 gehört zur Unterhaltsbemessung die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die noch vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (EFSlg 49.862). Auch die Beurteilung, ob geänderte Verhältnisse vorliegen, ist dem Bemessungskomplex zuzuordnen (EFSlg 46.693, 47.168 uva). Ob und wie weit die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt, steht aber der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof offen (Jud 60 neu; EvBl 1967/391 = EFSlg 9333; EFSlg 47.167). Dazu gehört auch die Prüfung der Frage, ob ein zum Bemessungskomplex gehöriger Sachverhalt von der Bereinigungswirkung eines Unterhaltsvergleiches erfaßt ist oder nicht.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Nur in Ermangelung einer konkreten Norm kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit auch darin liegen, daß eine Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechts in Widerspruch steht (SZ 23/289 ua). Nur besonders krasse Fehler bei der materiellrechtlichen Beurteilung, nicht aber auch verfahrensrechtliche Unrichtigkeiten können aufgegriffen werden (EvBl 1971/168 ua). Die Frage, wann die Unterhaltspflicht des außerehelichen Vaters für ein von der Mutter im Ehebruch empfangenes Kind beginnt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Auferlegung von Unterhaltsleistungen an den Ehemann der Mutter für deren im Ehebruch emfpangenes Kind bis zu dem Zeitpunkt, in dem dessen Unehelichkeit rechtskräftig festgestellt wurde, nicht offenbar dem Gesetz widerspricht (EFSlg IX/2; EFSlg 37.397). Da das Urteil, mit dem festgestellt wird, daß ein Kind, das bisher als ehelich gegolten hat, tatsächlich nicht aus der Ehe stammt, rückwirkende Kraft hat (SZ 29/69; SZ 34/24), ist auch die Auffassung, daß der außereheliche Vater, der tatsächlich den Unterhalt für ein in eine fremde Ehe geborenes Kind leistet, bevor noch dessen Unehelichkeit festgestellt wurde, in Erfüllung einer Unterhaltspflicht gezahlt hat, wenn die Bestreitungsklage (später) Erfolg hatte, nicht offenbar gesetzwidrig. Eine Aktenwidrigkeit erblickt der Revisionsrekurswerber darin, daß das Rekursgericht von der Feststellung ausgegangen sei, mit ihm sei am 18. November 1986 vor der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld neben dem Anerkenntnis der außerehelichen Vaterschaft eine weitere Niederschrift begonnen worden, nach deren Inhalt er sich als außerehelicher Vater des mj. David Josef T*** zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.000,-- ab 1. Dezember 1986 habe verpflichten sollen; aus der Aussage des Jugendamtsleiters ergebe sich dies jedoch nicht. Das Rekursgericht habe daraus den unrichtigen Schluß gezogen, daß er schon damals den geforderten Unterhaltsbetrag akzeptiert habe. Eine Aktendwidrigkeit liegt jedoch nur vor, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und solcherart ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hat, oder wenn für eine Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage vorhanden ist (EvBl 1950/13; ZfRV 1980, 149 uva). Entgegen der vom Revisionsrekurswerber vertretenen Auffassung hat das Rekursgericht aber nicht in aktenwidriger Weise aus der Aussage des Leiters des Jugendamtes der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld abgeleitet, daß er schon am 18. November 1986 den geforderten Unterhaltsbetrag akzeptiert hätte; es hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, daß die Festsetzung des Unterhaltes erst am 15. Dezember 1986 erfolgt ist. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Eine Nichtigkeit soll nach Ansicht des Revisionsrekurswerbers im Übergehen der in seinem Rekurs aufgestellten Tatsachenbehauptung liegen, er habe sich beim Abschluß des Vergleiches vom 28. November 1986 ausdrücklich vorbehalten, den krankheitsbedingten Mehraufwand bei einer späteren neuen Unterhaltsfestsetzung geltend zu machen. Da er diese Behauptung nicht schon im Verfahren erster Instanz aufgestellt hat, macht er damit einen Verstoß gegen § 10 AußStrG geltend. Dieser könnte aber nur dann eine Nichtigkeit begründen, wenn er von einschneidender Bedeutung wäre; gewöhnliche Verfahrensverstöße begründen hingegen keine Nichtigkeit (SZ 19/77). Die Nichtbeachtung von Neuerungen im Rekursverfahren kann nur dann eine Nichtigkeit begründen, wenn sie geeignet ist, die gesamten Entscheidungsgrundlagen zu verändern (EFSlg 37.359). Das ist hier schon wegen der behaupteten Höhe der krankheitsbedingten Aufwendungen von monatlich S 1.500,-- im Vergleich zu den übrigen Bemessungsgrundlagen nicht der Fall.

Aus den dargelegten Gründen war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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