OGH 10ObS122/87

OGH10ObS122/8717.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichthofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Claus Bauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria H***, Wassergasse 8/15, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** D*** A***, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Juni 1987, GZ 34 Rs 46/87-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 31. Oktober 1986, GZ 6 C 96/86-20 (nunmehr 6 Cgs 96/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 31.Juli 1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens einer Invalidität ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es ging auf Grund des Vorbringens der am 2.Februar 1934 geborenen Klägerin davon aus, daß diese keinen Beruf erlernt hat und in den letzten 15 Jahren vor Antragstellung als Verkäuferin tätig war. Es stellte fest, daß die Klägerin nach ihrem Gesundheitszustand noch in der Lage ist, leichte Arbeiten in vorwiegend sitzender Körperhaltung nicht unter ständigem besonderem Zeitdruck und an gefährdenden Arbeitsplätzen in der üblichen Arbeitszeit und mit den üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Arbeiten in Nässe und Kälte, über Kopf und ständig in gebückter Haltung sind ebenso auszuschließen wie das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Die Fingerbeweglichkeit ist voll erhalten, eine Umstellung kommt im Sinne einer Anlernung oder Unterweisung in Frage, die Klägerin kann den Arbeitsplatz unter städtischen Bedingungen erreichen.

Auf Grund dieses Leistungskalküls bestehen für die Klägerin noch eine Reihe von zumutbaren Verweisungstätigkeiten, so Tischarbeiten in der Werbemittelbranche, mit dem Packen und Sortieren von Werbegeschenken, Prospekten und Warenproben, Tischarbeiten in der Lederwarenerzeugung mit Abschneiden überstehender Fäden und dem Umbiegen geschärfter Lederränder sowie dem Aufbringen von Beschlägen auf Lederwaren und schließlich Tätigkeiten als Hilfsarbeiterin in der Spielwarenerzeugung mit Sortieren, Verpacken, Zusammenstecken von Spielzeugartikeln sowie Adjustier- und Klebearbeiten. Die Klägerin sei daher nicht invalide nach § 255 Abs.3 ASVG. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, gab daher der Berufung keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Revision macht die Klägerin nur geltend, die rechtliche Beurteilung der Untergerichte sei unzutreffend, weil nicht geprüft worden sei, ob die Klägerin auf Grund ihres festgestellten Leidenszustandes in den ihr zugemuteten Tätigkeiten tatsächlich in der Lage sei, mehr als die Hälfte dessen, was ein gesunder Versicherter ins Verdienen bringe, zu erwirtschaften. Eine solche Prüfung ist jedoch regelmäßig nicht erforderlich. Nach § 255 Abs.3 ASVG gilt ein Versicherter, der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalide, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist daher als Vergleichsmaßstab nicht das bisherige Einkommen des Versicherten heranzuziehen sondern nur zu prüfen, welches Einkommen der Versicherte durch die konkret in Frage kommende Verweisungstätigkeit zu erzielen in der Lage ist und welches Einkommen ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch diese Tätigkeit zu erzielen pflegt. Damit ist (arg: "regelmäßig") auf den Durchschnittsverdienst gleichartig Beschäftigter abzustimmen. Einzelne Spitzenverdienste haben außer Betracht zu bleiben. Nur wenn der Versicherte nicht in der Lage ist, zumindest die Hälfte dieses Durchschnittsverdienstes zu erreichen, liegen die Voraussetzungen des § 255 Abs.3 ASVG vor.

Ist ein Versicherter in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, so ist davon auszugehen, daß er in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes zu erzielen. Gesichert kann davon ausgegangen werden, daß in den hier in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten das Durchschnittseinkommen gleichartig Beschäftigter einen Betrag des doppelten Kollektivvertragslohnes nicht übersteigt, da über dem Kollektivvertrag bezahlte "Istlöhne" regelmäßig allen Beschäftigten einer Berufssparte bezahlt werden (10 Ob S 20/87). Da die Klägerin imstande ist, die Verweisungstätigkeiten voll und ohne Einschränkungen zu verrichten, kann sie daher jedenfalls die Lohnhälfte erzielen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Ein Kostenersatzanspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin im Hinblick auf die ihr bewilligte Verfahrenshilfe Kosten für eine Vertretung nicht zu tragen hat (vgl. Kuderna ASGG 413).

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