OGH 14Os135/87

OGH14Os135/8711.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafvollzugssache betreffend Johann K*** wegen bedingter Entlassung über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 9.Juni 1987, GZ 23 BE 91/86-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Der am 5.September 1959 geborene Johann K*** verbüßte bis zum 22.August 1986 einen Teil der über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26.März 1986, GZ 21 E Vr 394/86-17, wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, der teils vollendeten, teils versuchten Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 15 StGB sowie der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Dem in Form eines Protokolls- und Urteilsvermerks beurkundeten Schuldspruch wegen der beiden erstgenannten Vergehen lag zugrunde, daß Johann K*** in Wagrain am 2.Februar 1986 seine Lebensgefährtin Anneliese B*** wiederholt mit dem Umbringen bedroht und durch unzählige Schläge am Körper leicht verletzt hatte. Am 22.August 1986 wurde K*** auf Grund des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Linz vom 7. August 1986, AZ 10 Bs 321/86 (ON 9 der Akten 23 BE 91/86) aus der erwähnten Freiheitsstrafe und einer weiteren, mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 13.Februar 1984, GZ U 25/84-29, wegen Vergehens des Betruges nach § 146 StGB über ihn verhängten Freiheitsstrafe von 14 Tagen gemäß § 46 Abs. 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr bedingt entlassen. Hiebei wurde ihm nach §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 StGB ein Bewährungshelfer bestellt und die Weisung erteilt, für die Dauer der Probezeit das Gemeindegebiet von Wagrain (den Wohnsitz seiner ehemaligen Lebensgefährtin) nicht zu betreten und sich einer ambulanten Alkoholentwöhnungskur zu unterziehen.

Bereits am 31.August 1986 - also nur neun Tage nach der bedingten Entlassung - wurde Johann K*** rückfällig, indem er seine ehemalige Lebensgefährtin (telefonisch) abermals gefährlich bedrohte. Nach Verbüßung der deshalb im Verfahren des Landesgerichtes Salzburg, AZ 21 E Vr 2394/86 wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB über ihn verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten wurde er am 22.Dezember 1986 aus der Haft entlassen (ON 21, 29 und 31 in 21 E Vr 2394/86 des Landesgerichtes Salzburg).

Auf Grund der Verurteilung wegen dieser in der Probezeit begangenen strafbaren Handlung widerrief das Landesgericht Salzburg mit Beschluß (erst) vom 9.Juni 1987, GZ 23 BE 91/86-31, gemäß § 53 Abs. 1 StGB die bedingte Entlassung. Dieser Beschluß wurde Johann K*** am 15.Juni 1987 zu eigenen Handen zugestellt. Seine erst am 6.Juli 1987 zur Post gegebene Beschwerde (ON 33 der Akten 23 BE 91/86) ist daher verspätet.

Nach Auffassung der Generalprokuratur steht der genannte Widerrufsbeschluß mit dem Gesetz insofern nicht im Einklang, als im Hinblick auf die Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes des Verurteilten in ein anderes Bundesland mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen (Weisungserteilung und Bestellung eines Bewährungshelfers) gemäß § 179 StVG die weitere Zuständigkeit als Vollzugsgericht auf das Landesgericht für Strafsachen Graz übergegangen sei. Angesichts des Inhaltes des an das Oberlandesgericht Linz erstatteten Berichtes des Bewährungshelfers vom 17. Juli 1987 - wonach Johann K*** seit seiner Rückkehr in die Steiermark zu seinen Eltern ein sehr arbeitsames, "klar strukturiertes und ausgewogenes Leben" führe und sich seine Lebenssituation "sehr stabilisiert" und "eine klare Struktur" angenommen habe - könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß das örtlich zuständige Vollzugsgericht allenfalls zu einer günstigeren Zukunftsprognose für den Verurteilten gelangt wäre und im Sinne des § 53 Abs. 1 zweiter Satz StGB von einem Widerruf der bedingten Entlassung abgesehen haben würde.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Bei der Einführung der gegenständlichen Zuständigkeitsregelung ging der Gesetzgeber davon aus, daß Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr übersteigt, häufig in Strafvollzugsanstalten vollzogen werden, die außerhalb des Bundeslandes liegen, in dem der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Werde der Verurteilte aus dem Vollzug einer solchen Freiheitsstrafe bedingt entlassen und kehre er wieder an seinen früheren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zurück, so sei die große Entfernung zwischen diesem Ort und dem Vollzugsgericht dann mißlich, wenn das Gericht dem Verurteilten Weisungen erteilt oder einen Bewährungshelfer bestellt habe. Es solle daher in diesen und ähnlichen Fällen ein Zuständigkeitswechsel von Gesetzes wegen eintreten (vgl EB 1973, 17).

Grundlegend ist ferner, daß für den Übergang der Zuständigkeit der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen maßgebend ist, wogegen etwa ein späterer Wohnsitzwechsel die Zuständigkeit nicht mehr berührt und nur gemäß §§ 62, 63 StPO berücksichtigt werden kann (LSK 1980/200).

Vorliegend befand sich nun der Verurteilte, der vor seiner Verhaftung im Verfahren AZ 21 E Vr 394/86 in Wagrain wohnhaft gewesen war (vgl S 11, 31 im bezeichneten Akt), im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung in Strafhaft beim Landesgericht Salzburg. Nach seiner Entlassung am 22. August 1986 begab er sich im Widerspruch zu der von ihm im Entlassungsverfahren einem Justizwachebeamten gegenüber abgegebenen Erklärung keineswegs zu seinen Eltern in die Steiermark, sondern gemeinsam mit seinem Schwager - der ihn abgeholt hatte - in dessen Hotel nach Obertauern, wo er ersichtlich in der Absicht, von dort aus der erteilten Weisung zuwider mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind Kontakt aufzunehmen, Aufenthalt nahm (vgl S 171, 173 im Akt 21 E Vr 394/86 des Landesgerichtes Salzburg). Nachdem er von dort aus seine ehemalige Lebensgefährtin noch am 22.August 1986 angerufen und diese die Gendarmerie über dieses Telefonat informiert hatte, wurde K*** von Gendarmeriebeamten des Postens Mauterndorf auf die ihm vom Oberlandesgericht Linz erteilte Weisung, das Gemeindegebiet von Wagrain nicht zu betreten, hingewiesen. Daraufhin verließ er das Hotel des Schwagers und kehrte in der Folge im benachbarten Hotel Z*** ein (vgl abermals S 173 ff des oben genannten Aktes). Erst danach fuhr er in die Steiermark zu seinen Eltern, wo er am 1.September 1986 nach einer am 31.August 1986 der Anneliese B*** gegenüber telefonisch geäußerten Drohung in Haft genommen und in das Gefangenhaus des Landesgerichtes Salzburg eingeliefert wurde. Zieht man sein gesamtes Verhalten - mehrfache Anrufe bei der früheren Lebensgefährtin mit dem erkennbaren Bestreben, mit ihr und dem gemeinsamen Kind Kontakt aufzunehmen ins Kalkül und berücksichtigt man in diesem Zusammenhang auch, daß er sein Begehren um bedingte Entlassung unter anderem damit gerechtfertigt hatte, er wolle seinen "weiteren Lebensabschnitt" seiner Frau und seinem Sohn widmen (ON 7 im Akt 23 BE 91/86 des Landesgerichtes Salzburg) dann rechtfertigt dies den Schluß, daß K*** in dem für den Zuständigkeitsübergang maßgebenden Zeitpunkt den Zuständigkeitsbereich des Landesgerichtes Salzburg keineswegs verlassen hatte und auch nicht verlassen wollte, sondern dort vorerst mit der Absicht zu bleiben, Aufenthalt nahm und daß er den Entschluß, zu seinen Eltern zu fahren, erst nach der eindringlichen Belehrung durch die Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Mauterndorf (vgl S 173 f des Aktes 21 E Vr 394/86 des Landesgerichtes Salzburg) faßte. Der Wahrungsbeschwerde mußte sohin ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte