OGH 3Ob570/87 (3Ob571/87)

OGH3Ob570/87 (3Ob571/87)11.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Edith Gottfride W***, geborene K***, geboren am 1. Jänner 1945 in Salzburg, Hausfrau, Grödig, Eichetstraße 19, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei Maximilian W***, geboren am 21. Mai 1941 in Salzburg, Elektromonteur, Grödig, Eichetstraße 18, vertreten durch Dr. Alois Bixner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1987, GZ 2 R 78, 79/87-44, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. April 1986, GZ 12 Cg 125/85-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile begehrten in Klage vom 17. April 1985 und Widerklage wechselseitig die Ehescheidung wegen schwerer Eheverfehlungen des anderen Teils.

Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe aus

beiderseitigem gleichteiligen Verschulden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Beide Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden

Tatsachenfeststellungen aus:

Die Streitteile schlossen ihre Ehe im Jahr 1969, sie haben drei Kinder, geboren 1966, 1969 und 1975. Von Anfang an gab es in ihrer Ehe Streitigkeiten, ohne daß festgestellt werden könnte, wer sie mehr verursacht hätte. In den letzten Jahren fanden ausgelöst durch eher geringfügige Anlässe lautstarke Dispute auch in der Öffentlichkeit statt. Die temperamentvolle, leicht aufbrausende und manchmal unbeherrschte Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden: Klägerin) beschimpfte den Beklagten und Widerkläger (im folgenden: Beklagten) mit Ausdrücken wie "Schwein, Trottel". Einmal sagte sie in Anwesenheit des Beklagten zu den Kindern "redet nicht mit diesem Schwein". Gelegentlich warf sie Gegenstände auf den Beklagten. Der Beklagte verhielt sich eher passiv, ging auf erhobene Vorwürfe nicht ein oder reagierte in der Form, daß er die Wohnung verließ. Der Beklagte begann in den letzten Jahren, seine Freizeit vorwiegend allein zu verbringen. Die Abende und das Wochenende verbrachte er außerhalb des Hauses. Er suchte vor allem Gasthäuser auf, ohne daß die von der Klägerin behauptete Trunksucht erwiesen ist, und führte Bergwanderungen durch.

Das Berufungsgericht führte zu den behaupteten ehewidrigen Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen und zum Zeitpunkt der eingetretenen Zerrüttung eine Beweiswiederholung durch und stellte teils vom Erstgericht abweichend, teils ergänzend noch folgendes fest:

Der Beklagte nahm im Herbst 1984 an einem Abend bei einer Kegelrunde eine Kellnerin auf seinen Schoß, legte den Arm um sie und streichelte ihr Knie. An einem anderen Tag küßte oder umarmte er im selben Gastlokal die Kellnerin während des Bieraustragens. Im Frühjahr 1985 "turtelte" er mit Frauen herum. Eine intime Beziehung zwischen dem Beklagten und einer anderen Frau ist nicht erwiesen. Schon im Jahr 1984 suchte die Klägerin einmal einen Anwalt auf, um sich scheiden zu lassen, es kam aber nochmals zu einer Versöhnung der Streitteile. Der letzte geschlechtliche Verkehr fand im März 1985 statt. Kurz danach erreichten die ehelichen Auseinandersetzungen aber ein Ausmaß, wonach mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden konnte. In rechtlicher Hinsicht war das Berufungsgericht der Auffassung, daß beide Streitteile schwere Eheverfehlungen begangen hätten, ohne daß das Verschulden eines Teiles erheblich überwiege. Der Beklagte habe die Klägerin allein gelassen, seine Freizeit ohne sie verbracht und zumindest den Schein von nicht mehr ganz harmlosen Beziehungen zu anderen Frauen erweckt. Die Klägerin habe den Beklagten oft beschimpft, ihm Gegenstände nachgeworfen und ihn vor den Kindern beleidigt. Die der Klägerin schon im Jahr 1984 bekannt gewordenen Kontakte des Beklagten zu einer Kellnerin habe die Klägerin nicht von vorneherein als ehezerstörend empfunden, was schon daraus hervorkomme, daß sie sie in der Scheidungsklage gar nicht erwähnt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die nur von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Soweit in der Revision auf widersprüchliche oder übergangene Beweisergebnisse hingewiesen wird, wird nur der auch im Ehescheidungsverfahren unzulässige Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung in dritter Instanz unternommen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf ihre Parteienaussage vor dem Berufungsgericht, der Beklagte habe ihr kurz vor Einbringung der Scheidungsklage gesagt, er habe eine andere, sie solle sich auch einen anderen suchen, was die Klägerin sehr getroffen habe und zum eigentlichen Anlaß der Einbringung der Scheidungsklage geworden sei (S. 235 f dA), stellt eine nicht auch im Scheidungsverfahren unzulässige Neuerung dar, so daß das Berufungsgericht über diesen Vorfall mit Recht keine Feststellungen traf.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend. Nach dem festgestellten Gesamtverhalten wiegen die Eheverfehlungen des Beklagten nicht erheblich schwerer als jene der Klägerin. Auf die Szenen der Klägerin reagierte der Beklagte nur durch immer göäßere innere und äußere Abwendung von der Klägerin. Es sind keine intimen Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen erwiesen, sondern er ließ es durch sein Verhalten gegenüber anderen Frauen in der Öffentlichkeit nur wiederholt an der der Klägerin geschuldeten Achtung fehlen. Andererseits war aber auch das Verhalten der Klägerin gegenüber dem Beklagten schon seit langer Zeit nicht von der nötigen Achtung getragen. Die Herabsetzung des Ehemanns und Vaters vor den eigenen Kindern, die wiederholten Beschimpfungen und die Mißachtung, die in den im einzelnen festgestellten Szenen zu erkennen ist, stellen ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe der Streitteile dar. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nur dann gerechtfertigt, wenn die Schuld des einen Teils erheblich schwerer ist als die des anderen und neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg. 43.692, 46.242, 48.832). Diese Voraussetzung liegt im vorliegenden Fall nicht vor, zumal nicht etwa festgestellt werden konnte, daß es sich beim ehewidrigen Verhalten der Klägerin um bloße Reaktionen gehandelt habe.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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