Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch laut Punkt III unberührt bleibt, im übrigen - Punkt I und aus Gründen des Zusammenhangs (§ 289 StPO) auch Punkt II - aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 2.Jänner 1972 geborene Hauptschüler Christian S*** und der am 22.Juni 1970 geborene Hilfsarbeiter Severin K*** von der wider sie erhobenen Anklage, (I.) das Verbrechen des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB dadurch begangen zu haben, daß sie am 1.Juni 1986 in Untermarkt im bewußten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter die (am 10.November 1972 geborene) Schülerin Natalie P*** mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie das Mädchen in eine Wiese zerrten, zu Boden warfen, festhielten und ihr die Bluse hochrissen, widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand durch Betasten an der Brust zur Unzucht mißbraucht hätten (Punkt I), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Darüber hinaus wurde Severin K*** auch von dem weiteren (ihn allein betreffenden) in Richtung der Vergehen der (II.) Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der
(III.) Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB erhobenen Anklagevorwurf, er habe im Zuge des zu Punkt I angeführten Vorfalles die beiden (im Jahr 1973 geborenen) Schülerinnen Anita W*** und Dunja P*** mit Gewalt zum Unterlassen der Hilfeleistung für die (durch Christian S*** bedrängte) Natalie P*** genötigt, indem er die beiden Mädchen wegstieß und zu Boden warf (Punkt II), und hiebei Dunja P*** überdies am Körper (durch Zufügen von Prellungen und Blutunterlaufungen am linken Oberschenkel) leicht verletzt (Punkt III), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der von der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch - ausgenommen jenen des Angeklagten K*** vom Vorwurf der an Dunja P*** begangenen (leichten) Körperverletzung laut Punkt III - allein aus dem Grund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu. Gegen den Freispruch von der Anklage wegen des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht (Punkt I) führt die Anklagebehörde ins Treffen, daß die beiden Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen, wenngleich das Erstgericht bei ihnen einen auf sexuellen Mißbrauch der Natalie P*** gerichteten Vorsatz wie auch schon ein objektiv dem Begriff der Unzucht zuzuordnendes Tatverhalten verneint hat, zumindest das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB zu verantworten hätten.
Rechtliche Beurteilung
Tatsächlich sprechen - wie die Staatsanwaltschaft insoweit im Ergebnis zutreffend aufzeigt - die Feststellungen des Jugendschöffengerichts dafür, daß der Angeklagte S***, indem er Natalie P*** (gegen ihren Willen) auf einer Wiese zu Boden stieß, sich auf sie setzte, ihr einen Gürtel und die Schuhe wegnahm und sie dadurch wiederholt am Fortlaufen hinderte, daß er sie mehrmals festhielt und zu Boden zog, wobei er sich auch auf sie kniete (S 129), die Bewegungsfreiheit des Mädchens - beurteilt man das Tatverhalten in seiner Gesamtheit - nicht bloß ganz unerheblich (und unbedeutend) beeinträchtigte bzw. erschwerte, wie dies etwa bei einem bloßen Abdrängen, Bedrängen einmaligen kurzfristigen Festhalten udgl. der Fall wäre. Aus dem geschilderten Verhalten ist auf eine Intensität und Dauer der Einwirkung auf die Freiheit des Mädchens zu schließen, die bereits über die Erheblichkeitsschwelle des § 99 StGB liegt (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 8, Kienapfel BT I2 RN 15, 16 je zu § 99) und demnach geeignet erscheint, den objektiven Tatbestand des § 99 StGB zu erfüllen. Allerdings hat es das Jugendschöffengericht unterlassen, entsprechende Konstatierungen (auch) zur subjektiven Tatseite des in Rede stehenden Vergehens zu treffen, sodaß insoferne ein Feststellungsmangel vorliegt.
Gleiches gilt für den von der Staatsanwaltschaft auch hinsichtlich des Angeklagten K*** bekämpften Freispruch zu Punkt I des Urteilssatzes. Denn das Erstgericht stellte diesbezüglich fest, daß dieser Angeklagte Natalie P*** im Zuge des Tatgeschehens kurzfristig an einer Hand am Boden festhielt; darin könnte ein sonstiger Tatbeitrag des Angeklagten K*** (im Sinn des § 12 dritter Fall StGB) zu der vom Mitangeklagten S*** als unmittelbarem Täter begangenen Freiheitsentziehung an Natalie P*** erblickt werden. Dem Ersturteil mangeln jedoch auch insoweit hinreichende Feststellungen (vor allem) zur subjektiven Tatseite. Da die von der Beschwerde insoweit der Sache nach zu Recht aufgezeigten Feststellungsmängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, ist zunächst schon hinsichtlich dieses Faktums (I) eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Der Freispruch des Angeklagten K*** zu Punkt II des Urteilssatzes hinwieder wird von der Staatsanwaltschaft zwar nur unter dem Aspekt der Nötigung angefochten, wiewohl nach dem gesamten Ablauf des Geschehens naheliegt, daß K*** dadurch, daß er Dunja P***, die Natalie P*** helfen wollte, "wegschupfte", gleichermaßen einen sonstigen Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zu der im Gange befindlichen Freiheitsentziehung durch den Angeklagten S*** leistete bzw. leisten wollte.
In diese Richtung hin wurde der Freispruch (zu Punkt II) von der Staatsanwaltschaft zwar nicht wirksam bekämpft - (auch) von der Staatsanwaltschaft geltendgemachte Feststellungsmängel und Fehler der rechtlichen Beurteilung dürfen nicht in eine andere Richtung umgedeutet werden (vgl. hiezu ÖJZ-LSK 1987/50) - doch sind die beiden Freisprüche (Punkt I und II) angesichts des ihnen zugrundeliegenden einheitlichen Vorganges und des daraus resultierenden untrennbaren Zusammenhanges (§ 289 StPO) von einander nicht zu trennen, sodaß wegen des Fehlens von tragfähigen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zum Freispruch laut Punkt I des Urteilssatzes der diesen Sachverhalt betreffende Freispruch insgesamt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren (§ 285 e StPO).
Im fortgesetzten Verfahren wird das Jugendschöffengericht bei der Beurteilung des dem Angeklagten K*** (zu Punkt II) als Nötigung angelasteten Verhaltens allenfalls zu beachten haben, daß für den Tatbestand nach § 105 StGB zwar auch willensbrechende Gewalt genügt, die Nötigung aber erst vollendet ist, wenn dadurch das Opfer zu einem seinem Willen widersprechenden Verhalten tatsächlich gezwungen ("genötigt") worden ist, während andernfalls versuchte Nötigung vorläge (9 Os 59/87).
Es war daher in Stattgebung der staatsanwaltlichen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu entscheiden.
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