OGH 4Ob591/87

OGH4Ob591/873.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Heinz H***, Beamter, 2.) Elisabeth H***, Angestellte, beide Wien 10., Troststraße 74/1/6, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Angerer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Johann J***, Werkzeugmacher, Wien 15., Reuenthalgasse 2-4/1/19, vertreten durch Dr. Heinz Barazon und Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, 2.) Erika J***, Angestellte, Wien 12., Pohlgasse 10/1/5, wegen Einverleibung eines Wohn- und Mitbenützungsrechtes infolge Rekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31. Juli 1987, GZ 14 Nc 20/87-20, womit der Antrag der erstbeklagten Partei auf Delegierung der Rechtssache vom Bezirksgericht Oberwart an das Bezirksgericht Fünfhaus abgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Bezirksgerichtes Oberwart das Bezirksgericht Fünfhaus bestimmt. Die Rekurskosten der erstbeklagten Partei sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger begehren die Feststellung, daß ihnen an der den Beklagten gehörigen Liegenschaft EZ 148 des Grundbuches über die KG Schreibersdorf mit dem Grundstück Nr.622/3 Baufläche in Gfang, Acker I, das alleinige Wohnrecht an allen im Parterre des auf dieser Liegenschaft errichteten Hauses (zu ergänzen: gelegenen Räumen) einschließlich der Terrasse sowie das Mitbenützungsrecht an den im ersten Stock dieses Hauses befindlichen Räumen, und zwar Küche, Vorzimmer und Stiegenaufgang zum Vorzimmer, sowie am Garten, an der Toreinfahrt, der Kläranlage mit Kanal und der Wasserleitung zustehe (Punkt 1.), sowie die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohn- und Benützungsrechtes nach Punkt 1. des Urteils für die beiden Kläger (Punkt 2.). Die Beklagten hätten ihnen diese Rechte mündlich eingeräumt und zugesagt,daß das näher geschilderte Wohnungs- und Benützungsrecht durch grundbücherliche Einverleibung sichergestellt werde.

Nur der Erstbeklagte beantragt die Abweisung der Klage (ON 3 und 5), während die Zweitbeklagte den eingeklagten Anspruch nicht bestreitet (ON 5 S.28).

Der Erstbeklagte beantragte, daß das Oberlandesgericht Wien die Rechtssache aus Gründen der Zweckmäßigkeit an das Bezirksgericht Fünfhaus übertrage. Sämtliche Parteien hätten ihren Wohnsitz, beide Parteienvertreter ihren Kanzleisitz in Wien; auch alle bisher namhaft gemachten Zeugen befänden sich in Wien. Die Durchführung des Verfahrens vor einem Wiener Bezirksgericht erfordere daher einen geringeren Kostenaufwand.

Die Kläger sprachen sich gegen diesen Antrag aus. Möglicherweise sei ein Lokalaugenschein durchzuführen; allenfalls seien weitere Zeugen namhaft zu machen, die ihren Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Oberwart haben (ON 5 S.28)

Das Bezirksgericht Oberwart hielt hingegen die Delegierung für zweckmäßig (ON 21).

Vor der Entscheidung über den von den Klägern zur Sicherung ihres Klagebegehrens gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bezirksgericht Oberwart in der Tagsatzung vom 23.2.1987 beide Kläger, beide Beklagte sowie die Zeugen Dr. Norbert S*** und Sabine J*** vernommen (ON 15). Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Wien den Delegierungsantrag des Erstbeklagten ab. Im Zuge des Provisorialverfahrens seien mit Ausnahme der Zeugin Helene F*** alle zum Beweis des beiderseitigen Prozeßvorbringens geführten Personen einvernommen worden. Die Kläger hätten es bisher unterlassen, Zeugen aus dem Sprengel Oberwart namhaft zu machen und einen Lokalaugenschein zu beantragen. Allein die Tatsache, daß fast alle Beweise zur Dartuung oder Widerlegung des Hauptanspruches bereits vom Bezirksgericht Oberwart aufgenommen worden seien, spreche gegen die Bewilligung der Delegierung. Das angerufene Bezirksgericht müsse zur Beweisaufnahme im Hauptverfahren neben der Einvernahme der Zeugin F*** nur noch ergänzende Fragen an die bereits vernommenen Personen stellen, deren persönlicher Eindruck ihm zweifellos noch gegenwärtig sein müsse. Die Delegierung an ein anderes Gericht würde zu einer unnützen Wiederholung dieser Beweisaufnahme führen. Bei einem derart umfangreichen, für die Entscheidung in der Hauptsache voll verwertbaren Beweissubstrat wäre daher die beantragte Delegierung nicht mehr zweckmäßig. Diesen Beschluß bekämpft der Erstbeklagte mit Rekurs. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern,daß seinem Delegierungsantrag stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (JBl 1986, 53 uva) und berechtigt. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichtes ein anderes im Sprengel desselben Oberlandesgerichtes gelegenes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Was unter "Gründen der Zweckmäßigkeit" zu verstehen ist, führt das Gesetz nicht näher aus. Nach ständiger Rechtsprechung soll die Delegierung eines anderen Gerichtes die Ausnahme bilden, um die Zuständigkeitsordnung nicht in einem unvertretbaren Maße zu lockern. Läßt sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten einer Partei lösen, so ist der Partei, die der Delegierung widerspricht, der Vorzug zu geben (Fasching I 232; EvBl 1966/380; 2 Ob 589/87 uva). Die Zweckmäßigkeit der Delegierung ist aber dann zu bejahen, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand erledigt werden kann (EvBl 1968/144; 1 Nd 2/87 uva). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Durchführung des Beweisverfahrens vor dem erkennenden Gericht gegenüber der Zuständigkeitsordnung der Vorrang gebührt (4 Ob 73/77 ua). Für die Zweckmäßigkeit der Zuweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht ist demnach insbesondere der Wohnort der Parteien und der namhaft gemachten Zeugen maßgebend (1 Nd 503/87 uva). Dem Erstbeklagten ist darin zuzustimmen, daß hier die Voraussetzungen für die beantragte Delegierung zweifelsfrei gegeben sind: Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt von der Lösung der Beweisfrage ab, ob zwischen den Streitteilen die von den Klägern behauptete Vereinbarung zustande gekommen ist. Beide Parteien haben sich zum Beweis ihrer Prozeßbehauptungen bisher - neben Urkunden - nur auf die Vernehmung von Zeugen und Parteien berufen, die in Wien wohnen. Im Provisorialverfahren wurde - entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichtes Wien - bisher noch kein einziger Zeuge vernommen, der im Hauptverfahren geführt wurde; sowohl Dr. Norbert S*** als auch Sabine J*** waren nur zur Bescheinigung der im Sicherungsantrag behaupteten Anspruchsgefährdung beantragt worden (ON 1 S.6). Im Hauptverfahren wurde nicht nur die Vernehmung der - im 12.Wiener Gemeindebezirk wohnhaften - Zeugin Helene F*** (ON 1 S.3), sondern auch die Vernehmung der in Wien ansässigen Zeugen Margarethe J*** und Johann Alfred J*** sen. (ON 15 S.66) beantragt. Auch sämtliche Parteien und ihre Rechtsvertreter haben ihren (Wohn- oder Kanzlei-)Sitz in Wien. Dafür, daß allenfalls ein Ortsaugenschein auf der Liegenschaft der Beklagten stattzufinden hätte, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die Kläger haben bis jetzt auch nur von der "Möglichkeit" gesprochen, daß sie "allenfalls" im Sprengel des Bezirksgerichtes Oberwart wohnende Zeugen führen würden; sie haben aber nicht erklärt, um wen es sich dabei handeln könnte. Das Bezirksgericht Oberwart könnte die bisher geführten, in Wien wohnenden Zeugen, wenn dies im Interesse der Wahrheitsfindung als erforderlich angesehen würde, zu sich laden; das wäre aber mit einem höheren (Gebühren-)Aufwand verbunden als eine Befragung der Zeugen vor einem Wiener Gericht. Ließe jedoch das erkennende Gericht die Zeugen im Rechtshilfeweg vernehmen, dann hätte es nicht den für die Beweiswürdigung wichtigen unmittelbaren Eindruck von diesen Personen. Die Delegierung an ein Wiener Gericht erscheint demnach zweckmäßig.

Daß das Bezirksgericht Oberwart die vier Parteien im Provisorialverfahren schon selbst vernommen hat, spricht nicht dafür, daß die Rechtssache bei diesem Gericht weitergeführt werden solle. Auch das Oberlandesgericht Wien geht von der Erwartung aus, daß noch zusätzliche Fragen an die Parteien zu stellen sein werden; das würde aber eine neuerliche Ladung der Parteien vor das Bezirksgericht Oberwart oder eine Rechtshilfevernehmung erforderlich machen. Wird die Rechtssache hingegen in Wien verhandelt,dann ist es den Parteien ohne Schwierigkeiten möglich, vor dem erkennenden Gericht zu erscheinen und - unter Hinweis auf das schon vorliegende Protokoll - ihre Aussagen zu wiederholen und zu ergänzen. Im Hinblick auf den Kanzleisitz beider am Verfahren beteiligter Rechtsanwälte wird der Kostenaufwand für ein in Wien geführtes Verfahren geringer sein als für ein außerhalb Wiens stattfindendes Verfahren (vgl. § 23 Abs 5 RATG).

Aus diesen Erwägungen erscheint es zweckmäßig, anstelle des zuständigen Bezirksgerichtes Oberwart ein Wiener Bezirksgericht zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen. Da beide Beklagten und die Zeugin Helene F*** im Sprengel des Bezirksgerichtes Fünfhaus wohnen, bestehen keine Bedenken, die Delegierung gerade an dieses Bezirksgericht vorzunehmen.

Demgemäß war dem Rekurs des Erstbeklagten Folge zu geben und im Sinne seines Antrages zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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