OGH 7Ob43/87

OGH7Ob43/8729.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Arbeiter, Werfen, Tenneck 25, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M*** W*** V***, Graz, Neutorgasse 57, vertreten

durch Dr. Harald Heinrich, Rechtsanwalt in Salzbug, wegen S 200.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. Mai 1987, GZ 2 R 58/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. November 1986, GZ 3 Cg 150/86-11, abgeändert wurde,

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.360,60 (darin S 669,10 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Vater des Klägers, Franz F***, war bei der beklagten Partei gegen Unfall versichert. Die Versicherung für den Todesfall betrug S 200.000,--. Als begünstigte Person im Falle des Todes war der Kläger in der Versicherungspolizze angeführt. Dem Versicherungsverhältnis lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1965) zugrunde. Am 30. Oktober 1985 stürzte Franz F*** kurz nach 21 Uhr auf der Stiege im Vorhaus seines Wohnhauses. Er erlitt eine Fraktur der oberen Halswirbelsäule. Der herbeigerufene Arzt Dr. Hubert R*** stellte den Tod des Franz F*** fest.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 200.000,-- s.A. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Sturz des Versicherungsnehmers sei durch einen Gehirnschlag infolge Bluthochdruckes ausgelöst worden. Unfälle infolge eines Schlaganfalles seien von der Versicherung ausgeschlossen. Die beklagte Partei sei darüber hinaus gemäß Art. 13 der AUVB leistungsfrei, weil der Kläger seiner Verpflichtung nach Art. 7 AUVB, den Tod des Versicherungsnehmers dem Versicherer binnen 3 Tagen telegrafisch anzuzeigen, grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die beklagte Partei habe erst am 11. November 1985 von dem Tod des Versicherungsnehmers durch Zufall Kenntnis erlangt. Da der Leichnam zu diesem Zeitpunkt bereits feuerbestattet gewesen sei, sei eine Obduktion zur eindeutigen Feststellung der Todesursache nicht mehr möglich gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende Feststellungen:

Der Sprengelarzt Dr. Hannes F***, der über Ersuchen des Dr. R*** die Totenbeschau vornahm, stellte als Todesursache eine Fraktur der oberen Halswirbelsäule fest und trug dies in den Totenbeschaubefund ein. Da er dem Behandlungsbericht des Dr. R*** entnahm, daß der Verstorbene Jahre zuvor einen Gehirnschlag erlitten und unter Bluthochdruck gelitten habe, vermerkte er zu Punkt 9 a des Totenbeschaubefundes "Leiden, welche den Tod oder die zum Tod führenden Folgekrankheiten verursacht haben": "Apoplektischer Insult bei hypertonia gravis", ohne allerdings Untersuchungen darüber angestellt zu haben, ob der Sturz tatsächlich durch vorherigen Gehirnschlag herbeigeführt worden war.

Am Nachmittag des 31. Oktober 1985 fand der Kläger in der Wohnung seines Vaters die Polizze, der Anschrift und Telefonnummer der beklagten Partei entnommen werden konnten. Er versuchte gleichwohl, die Geschäftsstelle der beklagten Partei in Schwarzach/Pongau anzurufen, erreichte dort aber erst am Montag, dem 4. November 1985, den Angestellten Heinrich L*** und teilte diesem mit, daß er ihn im Zusammenhang mit dem Tode seines Vaters benötige. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger L*** bei diesem Telefongespräch auch sagte, daß sein Vater durch einen Sturz über die Stiege verunglückt sei. Am 5. November 1985 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und Heinrich L***. Der Kläger händigte L*** die von diesem gewünschten Unterlagen, darunter den Totenbeschaubefund und die Originalpolizze, aus. L*** entnahm dem Befund, daß es sich um einen Unfallstod gehandelt habe. Er teilte dem Kläger mit, daß es keine Schwierigkeiten gebe, die Versicherungssumme an den Kläger ausgezahlt werden würde und er alles weitere regeln werde. Auf die Notwendigkeit einer telegrafischen Anzeige an die beklagte Partei wurde der Kläger weder bei dem Telefongespräch am 4. November 1985, noch bei dem Gespräch am 5. November 1985 hingewiesen. Er wurde von L*** auch nicht aufgefordert, eine Unfallsanzeige auszufüllen, weil L*** der Ansicht war, eine Übersendung der erhaltenen Unterlagen sei ausreichend.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1985 machte die beklagte Partei dem Kläger gegenüber Leistungsfreiheit geltend, weil die auf den Totenbeschaubefund angeführten Erkrankungen die Todesursache seien. Die Leiche des Franz F*** wurde am 2. November 1985 zur Feuerbestattung nach Salzburg überstellt. An welchem Tag die Feuerbestattung stattfand, kann nicht festgestellt werden. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es stelle zwar keine Obliegenheitsverletzung dar, daß der Kläger den Todesfall nicht telegrafisch der Direktion der beklagten Partei, sondern telefonisch dem Versicherungsvertreter gemeldet habe, doch sei die Mitteilung nicht rechtzeitig innerhalb der Frist von 3 Tagen erfolgt. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil er den Sinn der Fristsetzung - allfällige Vornahme einer Obduktion vor der Bestattung - erkannt habe.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Der Kläger sei seiner Anzeigepflicht rechtzeitig nachgekommen. Die dreitägige Frist habe am Sonntag, dem 3. November 1985, geendet. Gemäß § 903 ABGB sei daher der letzte Tag der dem Kläger gesetzten Frist Montag, der 4. November 1985, gewesen. An diesem Tage habe sich der Kläger mit dem Versicherungsvertreter der beklagten Partei telefonisch wegen des Todes seines Vaters in Verbindung gesetzt. Der Kläger habe seiner Anzeigepflicht damit genügt, auch wenn er die näheren Umstände des Unfalls nicht erwähnt haben sollte. Eine Obliegenheitsverletzung - die im übrigen nach den Umständen des Falls keineswegs grob fahrlässig begangen worden wäre - liege daher nicht vor. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Berechnung der Frist zur Anzeige des Versicherungsfalles und der Verpflichtung des Begünstigten, dem Versicherer den Versicherungsfall anzuzeigen, nicht vorliege.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Die klagende Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, da eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliege, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sind nicht gegeben.

Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag, so tritt gemäß § 903 Satz 3 ABGB an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag. Nach dem Bundesgesetz vom 1. Februar 1961, BGBl. Nr. 37, tritt, soweit auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften der Ablauf einer Frist durch einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag gehemmt wird, diese Hemmung auch dann nicht ein, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag oder Karfreitag fällt. Die in Art. 7 Z 2 der AUVB genannte Frist von drei Tagen hat daher, da der 1. November 1985 ein Feiertag, der 2. November 1985 ein Samstag und der 3. November 1985 ein Sonntag war, erst am Montag, dem 4. November 1985, geendet. Es ist gleichgültig, welcher Art die Erklärungen sind, ob es sich also um Willenserklärungen (etwa eine Kündigung) oder Wissenerklärungen (eine Anzeige wie im vorliegenden Fall) handelt (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 349). Ein derartiges Verständnis der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB ist in der österreichischen Rechtsprechung nicht in Frage gestellt worden. Auch Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz23, Anm. 4 zu § 7 (Verweisung in Anm. 3 zu § 33), heben hervor, daß dann, wenn die Dauer, der Beginn oder das Ende von Fristen in Frage steht, die §§ 187, 188 und 193 des deutschen BGB - diese Bestimmungen enthalten eine gleichartige Regelung wie die §§ 902, 903 ABGB - gelten. Eine von § 903 Satz 3 ABGB abweichende Vereinbarung - etwa aus den vom Erstgericht angeführten Gründen - ist zwar ohne weiteres möglich und zulässig, da die gesetzliche Bestimmung keineswegs zwingend ist ("vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung"). Doch wurde eine solche nicht behauptet und kann auch den AUVB nicht entnommen werden. Eine iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage bildet aber auch nicht die Frage, ob die vom Kläger telefonisch erstattete Mitteilung der Anzeigepflicht iS des § 33 VersVG, Art. 7 Z 2 AUVB entsprochen hat. Die Anzeigepflicht ist von der Auskunftspflicht iS des § 34 VersVG (Art. 7 Z 4 AUVB) zu unterscheiden. Aus dem Inhalt der Anzeige muß sich lediglich ergeben, daß ein Versicherungsfall eingetreten ist durch den der Versicherer nach Auffassung des Anzeigenden leistungspflichtig wird. Als objektiver Verletzungstatbestand kommt deshalb praktisch nur die Nichtanzeige des Versicherungsfalls in Frage. Anders verhält es sich dann, wenn im besonderen Fall genauere Angaben gefordert werden (RdW 1987, 13). Doch sind derartige Angaben in Art. 7 Z 2 AUVB nicht vorgesehen. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, daß der Kläger mit dem Telefongespräch vom 4. November 1985 seiner Anzeigepflicht genügt habe, auch wenn er die näheren Umstände des Unfalls nicht erwähnt haben sollte.

Die Revision war aus den dargestellten Gründen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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