OGH 6Ob624/86

OGH6Ob624/8629.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Julius S***, Hauseigentümer, Mönichkirchen 255, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Harald C***, Kaufmann, Eichgraben, Annenhof, vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 65.027,54 samt Nebenforderungen, welchem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf der Seite der beklagten Partei Dkfm. Erich H***, Angestellter, Wien 14., Penzinger Straße 93, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, beigetreten ist, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 19. März 1986, GZ 48 R 81/86-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 13. September 1985, GZ 4 C 1070/85-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, sowohl dem Beklagten als auch dem Nebenintervenienten deren mit jeweils S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 308,85) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer einer städtischen Liegenschaft mit einem Althaus. Er vermietete (gemeinsam mit einer weiteren Vermieterin) dem Beklagten im Souterrain des Hauses gelegene Betriebs- und Nebenräumlichkeiten zur Nutzung im Rahmen eines Erzeugungsbetriebes für chemisch-technische Produkte; diese Geschäftsraummiete wurde für die Zeit ab 1. September 1974 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Mit einem im darauffolgenden Jahr geschlossenen Mietvertrag mietete der Beklagte für die Zeit ab 1. Dezember 1975 auf unbestimmte Zeit einen im selben Gebäude gelegenen Magazinraum dazu. Der Beklagte verwendete die Mieträumlichkeiten als Standort seines Handelsbetriebes, den er als Einzelkaufmann unter einer seit 1887 protokollierten Gesellschaftsfirma führte. Nachdem das Unternehmen drei Jahre lang in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft betrieben worden war, führte es ab September 1979 wieder der Beklagte als Einzelkaufmann.

Im Herbst 1979 (so das Prozeßvorbringen des Beklagten) oder Frühjahr 1980 (so die Prozeßbehauptung des Klägers) veräußerte der Beklagte das in den Mieträumlichkeiten geführte Unternehmen an einen Diplomkaufmann. Dieser führte den Handelsbetrieb unter der Gesellschaftsfirma, die schon der Beklagte übernommen hatte, fort (nach den Prozeßbehauptungen des Beklagten habe der Kläger durch die von ihm betraute Hausverwaltung der mit der Unternehmensveräußerung verbundenen Mietrechtsübertragung auf den Unternehmenserwerber zugestimmt, nach dem Prozeßvorbringen des Klägers seien er und sein Hausverwalter von der Unternehmensveräußerung nichteinmal in Kenntnis gesetzt worden).

Im Jahre 1982 verkaufte und übergab der Unternehmensnachfolger des Beklagten seinerseits das in den Mieträumlichkeiten geführte Unternehmen an einen Dritten. Auch dieser führte das Unternehmen unter der protokollierten Gesellschaftsfirma fort.

Der Kläger begehrte zuletzt vom Beklagten die für die Jahre 1983 und 1984 sowie für die ersten vier Monate des Jahres 1985 aufgelaufenen Mietzinse im eingeklagten Gesamtbetrag von S 65.027,54 samt Prozeßzinsen.

Der Beklagte bestritt jede Zahlungsverpflichtung, da er, sollte er nicht bereits im beiderseitigen persönlichen Einvernehmen anläßlich seiner Unternehmensveräußerung an den Diplomkaufmann aus dem Mietverhältnis entlassen worden sein, jedenfalls infolge der Unternehmensveräußerung durch seinen Rechtsnachfolger an den Nebenintervenienten kraft gesetzlicher Vertragsübernahme durch diesen gemäß § 12 Abs 3 MRG seit Herbst 1982 nicht mehr Mieter sei und für die ab 1. Jänner 1983 aufgelaufenen Mietzinse nicht hafte. Das Erstgericht nahm einen Vertragseintritt gemäß § 12 Abs 3 MRG und damit den Mangel der sogenannten passiven Klagslegitimation des Beklagten für die eingeklagten Mietzinsrückstände an.

Das Berufungsgericht bestätigte das klagsabweisende Urteil des Gerichtes erster Instanz. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Das Berufungsgericht ging in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erfolgte Unternehmensveräußerung durch den Beklagten an den Diplomkaufmann zu einem sogenannten gespaltenen Mietverhältnis geführt habe, das auch nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes als solches aufrecht geblieben sei. Das Berufungsgericht vertrat aber in einer erweiternden Auslegung die Regelung nach dem § 12 Abs 3 MRG auf eine nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung erfolgte Unternehmensveräußerung seitens eines Unternehmers für anwendbar, der noch unter der Geltung des Mietengesetzes das in den gemieteten Geschäftsräumlichkeiten geführte Unternehmen (samt allen Befugnissen aus dem Mietverhältnis) vom Hauptmieter in einer Rechtsform erworben gehabt habe, die zu einem gespaltenen Mietverhältnis geführt habe.

Zur analogen Anwendung des § 12 Abs 3 MRG führte das Berufungsgericht wörtlich aus:

"Mit der Unternehmensübertragung hat der Unternehmenswerber vom Unternehmensveräußerer alle Verfügungsrechte über den Bestandgegenstand endgültig erhalten, die auch schon dem Unternehmensveräußerer als Hauptmieter zustanden. Seine Stellung unterscheidet sich vom Hauptmieter nur dadurch, daß er nicht Vertragspartner des Vermieters wird. Alle dem Hauptmieter zustehenden Rechte aus dem Mietvertrag kann der Unternehmenserwerber nur über den Unternehmensveräußerer durchsetzen. Der Mieter ist aber auch verpflichtet, diese Rechte gegenüber dem Vermieter geltend zu machen, da er (zu ergänzen: sich) im Innenverhältnis zwischen sich und dem Unternehmenserwerber aller Verfügungsrechte über den Mietgegenstand bei der Unternehmensveräußerung endgültig begeben hat. Die Stellung des Unternehmenserwerbers ist demnach trotz des Fehlens der unmittelbaren Vertragsbindung an den Vermieter bei der Weiterveräußerung des Unternehmens eine ähnliche, wie die des Hauptmieters, der sein Unternehmen veräußert. Denn auch er überträgt mit der Veräußerung des Unternehmens ohne Zustimmung des Vermieters endgültig die Benützungsrechte an den Gesschäftsräumen, in denen das Unternehmen geführt wird, an den Unternehmenserwerber. Da die Bestimmung des § 12 MRG einerseits die schrittweise und bestmögliche Angleichung der bestehenden Hauptmietverträge beabsichtigt und andererseits das gespaltene Schuldverhältnis bei Veräußerung des Unternehmens auch ohne Zustimmung des Vermieters vermieden wissen will, kann die Vorschrift des § 12 Abs 3 MRG auch auf den hier zu beurteilenden Fall analog angewendet werden. Denn der Gesetzgeber des MRG hat in § 12 Abs 3 MRG nur den Regelfall der Unternehmensveräußerung beschrieben, nicht aber die analoge Anwendbarkeit für den hier zu beurteilenden Fall ausgeschlossen."

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil über den im sogenannten Zulassungsbereich gelegenen Streitgegenstand wegen einer im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO qualifizierten unrichtigen rechtlichen Beurteilung zur analogen Anwendbarkeit des § 12 Abs 3 MRG mit einem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Beklagte und sein Nebenintervenient streben in getrennten Rechtsmittelschriften die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber aus den zutreffenden Gründen des Berufungsgerichtes nicht berechtigt.

In der strittigen Frage einer analogen Anwendung des § 12 Abs 3 MRG ist davon auszugehen, daß der gesetzlichen Neuregelung folgende erkennbare Zielsetzungen zugrundegelegen sind:

Soweit der sondergesetzliche Mieterschutz eine Geschäftsraummiete erfaßt, soll er bei einer Veräußerung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens nicht verloren gehen. Die Versagung eines Kündigungsgrundes allein, wie sie die Rechtsprechung in jahrzehntelanger teleologischer Reduktion des Kündigungsgrundes nach dem § 19 Abs 2 Z 10 MG übte, vermag zwar die bestehenden Vertragsverhältnisse als rechtliche Grundlage für die Fortführung des in den Mieträumen betriebenen Unternehmens durch dessen Erwerber aufrecht zu erhalten, die Rechtsverhältnisse aber nicht sinnvoll auch gegen den Willen des Vermieters an die durch die Unternehmensveräußerung veränderten Gegebenheiten anzupassen. Um die auf Dauer als inpraktikabel erkannten Folgerungen aus einer sogenannten Spaltung des Mietverhältnisses zu vermeiden, entschied sich der Gesetzgeber zur gesetzlichen Vertragsübernahme auf Mieterseite durch den Unternehmenserwerber. Einen solchen weiteren Eingriff in die privatautonome Gestaltung von Raummieten erachtete der Gesetzgeber sachlich aber nur dort als gerechtfertigt, wo das mietvertragliche Nutzungsrecht des Unternehmers an den dem Unternehmen gewidmeten Räumlichkeiten kraft sondergesetzlichen Schutzes als relativ rechtsbeständiger Unternehmensbestandteil angesehen werden kann, also nur bei Vorliegen einer Hauptmiete. Schutzwürdig ist eine solche Hauptmiete nur als (mitveräußerter) Bestandteil des Unternehmens, weil gerade die Erhaltung dieser organisierten Erwerbsgelegenheit - aus einzel- und gesamtwirtschaftlichen Rücksichten - als Zweck des sondergesetzlichen Schutzes für Geschäftsraummieten überhaupt anzusehen ist. Als nahezu ausnahmsloser Regelfall für die als schutzwürdig erachtete Mitveräußerung der Vertragsstellung eines Geschäftsraummieters im Zuge der Veräußerung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens stellt sich der Fall dar, daß der Hauptmieter sein Unternehmen veräußert. Dieser Fall ist Gegenstand der ausdrücklich formulierten Regelung nach dem § 12 Abs 3 MRG. Die Regelung ist aber nach dem dargestellten Vorverständnis und ihrem wesentlichen gesetzespolitischen Anliegen im folgenden Sinn zu lesen:

"Wer auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes ein in gemieteten Geschäftsräumlichkeiten betriebenes Unternehmen zur Weiterführung übernimmt, tritt dadurch in die Vertragsstellung des Hauptmieters ein, wenn das Hauptmietrecht als Unternehmensbestandteil von der Veräußerung mitumfaßt war."

Der in diesem Sinne verstandene Tatbestand ist auch erfüllt, wenn der Hauptmieter von Geschäftsräumlichkeiten vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes sein im Mietgegenstand betriebenes Unternehmen in Erfüllung eines Veräußerungsgeschäftes einem Erwerber samt allen Befugnissen aus der Geschäftsraummiete übertrug (nach der damaligen Rechtslage gegenüber dem Vermieter aber Mieter blieb, woran auch durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes mangels Anordnung einer Rückwirkung nichts geändert wurde) und der Erwerber nun seinerseits das Unternehmen, und mit diesem als Bestandteil auch die mietrechtlichen Befugnisse, zur Fortführung weiterveräußert.

Diese Betrachtungsweise stimmt tendenziell mit der Beurteilung überein, die zuletzt zur Erfüllung des Kündigungsgrundes nach dem § 19 Abs 2 Z 10 MG vertreten wurde (MietSlg 31.393/25 und MietSlg 32.369).

Der vom Revisionswerber mit dem Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO bekämpften berufungsgerichtlichen Beurteilung einer analogen Anwendung des § 12 Abs 3 MRG ist beizutreten. Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Voraussetzungen nach § 15 RATG für den vom Nebenintervenienten verzeichneten Streitgenossenzuschlag bestehen allerdings nicht.

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