OGH 3Ob93/87

OGH3Ob93/8728.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei mj. Roger H***, geb. 26. April 1974, Jenaz, Schweiz, vertreten durch die Mutter Lilly H***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wieder die verpflichtete Partei Helmut S***, Arbeitnehmer, Bad Vöslau, Oberkirchengasse 10/8, vertreten durch Dr. Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt wegen Unterhalt (Rückstand: 1.500,-- sfr, laufender Unterhalt: 300,-- sfr monatlich) infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 22. September 1986, GZ 12 R 40/86-14, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 16. Jänner 1986, GZ 1 Nc 27/85-8, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 8. Jänner 1986 beantragte die betreibende Partei auf Grund eines Urteiles des Bezirksgerichtes Oberlandquart, Kanton Graubünden, vom 22. September 1976 die Bewilligung der Fahrnisexekution und der Lohnpfändungsexekution im Sinne des § 294 a EO zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom 1. September 1985 bis 31. Jänner 1986 in Höhe von 1.500,-- sfr samt Zinsen und des laufenden Unterhaltes von 300,-- sfr monatlich ab 1. Februar 1986.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab, weil die Verurteilung zu einem bestimmten Unterhaltsbetrag, der je nach einem bestimmten Index in einem bestimmten Verhältnis zu erhöhen oder herabzusetzen sei, zu unbestimmt sei. Für die Zinsen fehle es überhaupt am Exekutionstitel.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes teilweise dahin ab, daß die Fahrnisexekution zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes von 1.500,-- sfr und die Lohnpfändungsexekution zur Hereinbringung dieses Rückstandes und des laufenden Unterhaltes von 300,-- sfr ab 1. Februar 1986 im Sinne des § 294 a EO bewilligt wurden. Die Abweisung des Mehrbegehrens (Zinsen, Fahrnisexekution auch für den laufenden Unterhalt) erwuchs teils schon in erster Instanz, teils in zweiter Instanz in Rechtskraft.

Die zweite Instanz war der Auffassung, daß der Exekutionstitel hinsichtlich eines Unterhaltsbetrages von 300,-- sfr monatlich ausreichend bestimmt sei. Zu einer Erhöhung oder Herabsetzung dieses Betrages komme es nicht automatisch, sondern erst auf Grund eines behördlichen Aktes. Art. 286 Abs. 1 des schweizerischen ZGB sei auf den vorliegenden Exekutionstitel noch nicht anzuwenden, weil dieser vor Inkrafttreten dieser Bestimmung erlassen worden sei. Andere Abweisungsgründe lägen nicht vor. Wenn es sich auch um ein Urteil auf Grund von Kontumaz handle, so stehe doch fest, daß die verpflichtete Partei am Titelverfahren beteiligt gewesen sei, weshalb es keines Zustellnachweises bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz sprach über Auftrag des Obersten Gerichtshofes aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Dieser Ausspruch ist zutreffend, weil zu Exekutionstiteln mit einer Wertsicherungsklausel nach schweizerischem Recht eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

Der somit zulässige Revisionsrekurs des Verpflichteten ist aber nicht berechtigt.

Bei dem Urteil des schweizerischen Bezirksgerichtes Oberlandquart handelt es sich nicht um ein "Versäumungsurteil" gemäß Art. 1 Abs. 1 Z 4 und Art. 6 Abs. 1 Z 3 des Vertrages vom 16. Dezember 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl. 1962 Nr. 125, oder eine "Versäumnisentscheidung" gemäß Art. 2 Z 2 oder Art. 4 Z 3 des Übereinkommens vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, BGBl. 1961 Nr. 294. Darunter sind nur Urteile zu verstehen, welche ergehen, ohne daß sich der Beklagte in den Prozeß eingelassen hat (Wolff, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechtes Band III/2 Kapital IV Rz 421 und Anm. 1174; vgl. auch Heller-Berger-Stix 869, Anm. 5). Im vorliegenden Fall steht durch die vorgelegten Urkunden fest, daß sich der Beklagte in den Prozeß eingelassen hat. Gemäß den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung für Graubünden (dazu Guldener, Schweizerisches Zivilprozeßrecht3 461) fand zunächst eine Art Vorverfahren vor dem sogenannten Instruktionsrichter statt, in welchem der Beklagte alle seine Einwendungen vortrug und die nötigen Beweise aufgenommen wurden, während im Anschluß daran die sogenannte Hauptverhandlung durchgeführt wurde, für die der Grundsatz der Mittelbarkeit gilt und in welcher die von den Parteien eingebrachten Schriftsätze und die Protokolle über die vom Instruktionsrichter aufgenommenen Beweise verlesen wurden. Nur zu dieser Hauptverhandlung erschien der Beklagte nicht.

Ob der Verpflichtete in der Folge die sogenannte Wiederherstellung (eine Art Wiederaufnahme) beantragte und den ihm für dieses Verfahren aufgetragenen (ersten oder zweiten) Kostenvorschuß erlegte, muß wegen der eingetretenen und bestätigten Rechtskraft des Exekutionstitels nicht untersucht werden, so daß auf die diesbezüglichen Ausführungen des Revisionsrekurses nicht einzugehen ist, die zudem unzulässigerweise weitgehend auf Neuerungen gestützt werden.

Es war daher nicht erforderlich, daß eine Abschrift der den Prozeß einleitenden Verfügung oder Ladung und eine Bescheinigung über die Art und Zeit ihrer Zustellung an die nicht erschienene Partei im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Z 3 des österreich-schweizerischen Vollstreckungsabkommens oder eine beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung und die Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemäße Zustellung dieser Ladung oder Verfügung ergibt, im Sinne des Art. 4 Z 3 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vorgelegt wurden. Ein Verstoß gegen den inländischen ordre public liegt in diesem Zusammenhang nicht vor. Von diesem Vorbehalt kann als Ausnahmeregel nur sparsamst Gebrauch gemacht werden, wenn die Vorgangsweise der ausländischen Behörde mit inländischen Rechtsauffassungen völlig unvereinbar ist, etwa wenn der Exekutionstitel auf eine Weise zustande gekommen wäre, daß man überhaupt nicht von einem justizförmigen Verfahren sprechen könnte (Heller-Berger-Stix 782;

Scheuchter, ZfRV 1960, 15 bes. 21; Herz, JBl. 1954, 213 bes. 214;

RdW 1986, 114). Das geschilderte Verfahren vor dem Bezirksgericht Oberlandquart fällt nicht unter solche Kriterien. Auch in einem mittelbaren Beweisverfahren kann die materielle Wahrheit ermittelt werden, und auch dem österreichischen Recht ist es nicht fremd, daß weitere Verfahrensschritte von einer Partei zu bevorschussen sind. Der nach österreichischem Recht geltende Grundsatz der Amtswegigkeit ist mit einem solchen Verfahren nicht unvereinbar. Die Verbindung der Feststellung der Vaterschaft und der Festsetzung des Unterhalts in einem Prozeß ist auch nach dem österreichischen Recht möglich. Der Exekutionstitel ist entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers in dem Umfange, der jetzt noch strittig ist, auch hinreichend bestimmt und zur sofortigen Bewilligung der Exekution geeignet:

Die Formulierung, der Vater habe 300,-- sfr "zuzüglich allfälliger Kinderzulagen" zu entrichten, drückt unmißverständlich aus, daß 300,-- sfr ohne jeden Abzug oder Vorbehalt geschuldet werden und daß zusätzlich zu diesem auf jeden Fall zu entrichtenden Betrag unter einer gewissen Bedingung noch etwas Weiteres zu leisten ist. Der Exekutionstitel ist also für den Betrag von 300,-- sfr bestimmt, und nur für den allenfalls zusätzlich geschuldeten Kinderzulagenbetrag kann das Problem der Unbestimmtheit auftauchen. Von einer bestimmten Lohnhöhe wird der dem Verpflichteten auferlegte Unterhaltsbetrag gemäß dem Spruche nicht abhängig gemacht. Unbestimmtheiten in den Entscheidungsgründen führen aber nicht zu einer Unbestimmtheit des Spruches selbst, wenn mit unbestimmten Tatsachenfeststellungen eine im Spruch ersichtliche bestimmte Unterhaltshöhe begründet wird.

Mit Recht macht der Verpflichtete in seinem Revisionsrekurs allerdings geltend, daß die Fassung des strittigen Urteiles dafür spricht, daß der Unterhaltsbetrag schon gemäß dem Exekutionstitel wertgesichert geschuldet wird, ohne daß für die Herbeiführung einer Erhöhung oder Herabsetzung der Unterhaltsverbindlichkeit noch ein weiterer behördlicher Akt (Abänderungsklage im Sinne des Art. 320 ZGB vor dem Bezirksgericht vom 25. Juni 1976, Slg. der eidg. Ges. 1977, 237, oder Art. 286 Abs. 2 ZGB in der jetzigen Fassung) erforderlich ist.

Zutreffend führt zwar das Gericht zweiter Instanz aus, daß das neue Kindschaftsrecht gemäß dem schon zitierten schweizerischen Bundesgesetz vom 25. Juni 1976 erst nach Erlassung des Exekutionstitels in Kraft trat, nämlich am 12. Jänner 1977, mit der Wirkung vom 1. Jänner 1978 (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweiz, 28 Anm. 36). Gemäß § 12 Abs. 1 iVm § 13 a Abs. 1 der Anwendungs- und Einführungsbestimmungen im Schlußtitel des ZGB idF des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1976 bleiben aber vor Inkrafttreten des neuen Rechts ergangenen gerichtliche Entscheidungen über eine Verpflichtung des Vaters zu Vermögensleistungen an ein Kind wirksam, und dem Kind und dem Vater steht nur unter gewissen Voraussetzungen das Recht zu, eine Klage einzubringen, welche zur Anpassung an das neue Recht führt (Bergmann/Ferid aaO 28 Anm. 36 und 30 Anm. 40).

Die neue Bestimmung des Art. 286 Abs. 1 ZGB, wonach die Wirkung der Wertsicherung "ohne weiteres", also automatisch, eintritt (Entscheidung des Obergerichtes Zürich vom 23. Juni 1981, Blätter für Zürcherische Rechtsprechung Bd. 86/1987 Nr. 27; Hegnauer, Grundriß des Kindschaftsrechtes2 122), ist also auf das Urteil des Bezirksgerichtes Oberlandquart noch nicht anzuwenden. Die schweizerische Rechtsprechung hat allerdings auch schon vor dem Inkrafttreten des neuen Rechtes die Möglichkeit von automatisch wirkenden Indexklauseln bei Unterhaltsbeiträgen anerkannt (Hegnauer, SJZ 1977, 149 und 165, dort 167, mit Hinweis auf die Grundsatzentscheidung BGE 98 II 257 vom 23. November 1972). Die Formulierung des vorliegenden Exekutionstitels entspricht dieser Rechtsprechung. Damit ist aber für den Verpflichteten im Ergebnis nichts gewonnen.

Gemäß Art. 11 des Österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsabkommens und Art. 6 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens richtet sich das Vollstreckungsverfahren im vorliegenden Fall nach österreichischem Recht. In Anwendung der Grundsätze des § 7 Abs. 1 EO kann aber dann bei Exekutionstiteln mit einer Wertsicherungsklausel der im Exekutionstitel genannte Betrag sofort und ohne zusätzliche Behauptungen oder Beweise betrieben werden (Stanzl in Klang2 IV/1 740; Heller-Berger-Stix 190; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 898; SZ 47/82 ua). Für den sich aus der Wertsicherung ergebenden Erhöhungsbetrag muß ein zusätzlicher Exekutionstitel erwirkt werden (SZ 50/30 ua). Dies gilt auch für ausländische Exekutionstitel (vgl. etwa EvBl. 1975/22), sofern nicht durch einen zusätzlichen Bestandteil des ausländischen Exekutionstitels das Ausmaß der Wertsicherungsbeträge ziffernmäßig bestimmt wird (vgl. den Fall eines schwedischen Titels JBl. 1986, 594 = EvBl. 1987/70). Für den umgekehrten Fall einer sich aus der Wertsicherung ergebenden Herabsetzung des geschuldeten Geldbetrages steht hingegen der Weg der Oppositionsklage offen. Dies wurde zwar, soweit ersichtlich, bisher nie ausgesprochen, weil es praktisch immer nur um Fälle der Inflation, nie um Fälle der Deflation ging, ergibt sich aber indirekt aus dem allgemein anerkannten Rechtssatz (siehe oben), daß ein Exekutionstitel, der eine Wertsicherungsklausel enthält, grundsätzlich vollstreckbar ist. Eine nach Entstehung des Exekutionstitels eintretende Erhöhung des inneren Wertes der benützten Währung ist nämlich eine Tatsache iSd § 35 Abs. 1 EO, die zu einer teilweisen Aufhebung des in einem bestimmten Geldbetrag ausgedrückten Anspruches führt, ähnlich wie auch bei sonstigen Änderungen der Verhältnisse bei einem Unterhaltstitel (vgl. Heller-Berger-Stix 378). Es ist nicht erforderlich, schon bei der Exekutionsbewilligung den Nachweis zu erbringen, daß keine Herabsetzung eingetreten sei, sondern gerade für Unterhaltsverpflichtungen ist im Zweifel immer anzunehmen, daß der Exekutionstitel ohne weiteres vollstreckbar sein soll (Heller-Berger-Stix 197). Bedenkt man zudem den Zweck des Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommens, tunlichst sicherzustellen, daß Unterhaltsansprüche auf Grund ausländischer Exekutionstitel durchgesetzt werden können (Art. 1 Abs. 1), so muß die Exekution auf Grund eines Exekutionstitels der vorliegenden Art auch für den Fall einer nicht von vorneherein auszuschließenden Deflation (die zwar in der Schweiz in letzter Zeit fallweise gegeben sein mag, sicher aber nicht bei einem Vergleich mit dem Jahr 1976, was als gerichtsbekannt zugrundegelegt werden kann) sofort und ohne weitere Nachweise zunächst bewilligt werden (vgl. dazu in anderem Zusammenhang kürzlich Schütz, ÖA 1987, 44 mit Bespr. der Entscheidungen RZ 1985/79, JBl. 1986, 594 und JBl. 1986, 595).

Die Bestimmung des § 294 a EO war noch in der Fassung vor der Zivilverfahrens-Novelle 1986 anzuwenden; denn gemäß Art. VIII § 1 der Zivilverfahrens-Novelle 1986 trat die neue Fassung (Art. III Z 3) erst am 1. September 1986 in Kraft und gemäß Art. VIII § 2 Z 3 der Zivilverfahrens-Novelle 1986 ist die alte Fassung auch noch auf alle Exekutionsanträge anzuwenden, die nicht nach dem 31. August 1986 eingebracht werden. Es kommt also nicht auf das Datum der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz an.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf den § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.

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