OGH 1Ob46/87

OGH1Ob46/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ewald K***, Landwirt, 2.) Maria K***, Landwirtin, beide Waisenberg 16, Mittertrixen, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Mag. Franz D***, Lehrer, Fürholz 5, Mittertrixen, vertreten durch Dr. Hannes Zieger und Dr. Norbert Moser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung des Umfangs einer Dienstbarkeit (Streitwert: S 20.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 30. April 1987, GZ 2 R 153/87-18, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 18. Dezember 1986, GZ 2 C 698/85-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Erstkläger ist zu drei Viertelanteilen, die Zweitklägerin ist zu einem Viertelanteil Miteigentümer der Liegenschaft EZ 23 KG Waisenberg mit dem Grundstück 545 Acker. Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstückes 226 KG Korb, auf dem ein Hochbehälter errichtet ist. Etwa 50 m westlich des Hochbehälters wird auf dem Grundstück der Kläger Wasser unterirdisch gesammelt und mittels unterirdisch verlegter Rohrleitungen unter Ausnutzung des Gefälles von 5 bis 7 % zum Hochbehälter geleitet. Von dort fließt das Wasser in unterirdisch verlegten Plastikrohren zum Anwesen des Beklagten. Die Kläger stellen das Begehren festzustellen, daß dem Beklagten mit Ausnahme des Rechts zum Nutzwasserbezug für eine Viehtränke kein Recht zum alleinigen und uneingeschränkten Wasserbezug aus der im Eigentum der Kläger stehenden Quelle, gelegen am Grundstück 545 KG Korb (richtig: KG Waisenberg), zustehe und sie somit keine Einschränkungen durch den Beklagten in der Nutzung dieses Grundstückes zu dulden haben. Die Kläger brachten vor, ihr Rechtsvorgänger Franz K*** habe dem Rechtsvorgänger des Beklagten Franz D*** sen. im Zuge der Durchführung eines Entwässerungsprojektes durch das Wasserbauamt Klagenfurt mündlich zugesagt, daß er aus der auf seinem Grundstück 545 gelegenen Quelle Wasser zum Zwecke der Viehtränke beziehen könne. Franz K*** habe auch die zur Ableitung des Wassers erforderliche Quellfassung herstellen lassen und bezahlt. Im Zeitpunkt dieser Vereinbarung habe Franz D*** sen. noch über einen Hausbrunnen verfügt, der in der Folge zugeschüttet worden sein dürfte. Im April 1982 habe Franz D*** sen. gegen den Erstkläger Strafanzeige erstattet, weil er durch Ausführen von Jauche auf sein Grundstück das Trinkwasser, das der Beklagte beziehe, verunreinigt habe. Im Zuge des Strafverfahrens habe sich ergeben, daß Franz D*** sen. nicht nur Nutzwasser, sondern auch Trinkwasser für sich und Gäste, die ihren Urlaub bei ihm auf dem Hof verbringen, aus der Quelle beziehe. Die Kläger beabsichtigten, einen im Zuge der Entwässerungsarbeiten trockengelegten Teich wieder zu füllen und als Fischteich zu verwenden. Sie seien hiezu auf das Quellwasser angewiesen. Der Beklagte beharre auf dem Standpunkt, daß ihm auch das Recht zum Bezug von Trinkwasser zustehe.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Richtig sei, daß es aus Anlaß der Trockenlegungsarbeiten zwischen Franz K*** und Franz D*** sen. zu einer Vereinbarung über den Wasserbezug gekommen sei, doch treffe es nicht zu, daß Franz D*** sen. nur das Recht zum Bezug von Wasser für eine Viehtränke eingeräumt worden sei. Franz D*** sen. habe Wasser nicht für eine Viehtränke, sondern zur Versorgung seiner Liegenschaft, die nunmehr in seinem, des Beklagten, Eigentum stehe, benötigt. Wäre lediglich Wasser für die Viehtränke benötigt worden, hätte keine Notwendigkeit bestanden, die Quelle zu fassen, einen Hochbehälter zu errichten und eine Leitung zum Anwesen zu verlegen; für Zwecke der Viehtränke wäre ein Oberflächenkanal ausreichend gewesen. Ein Anschluß an die Ortswasserleitung sei ihm nicht möglich, weil diese über keine ausreichende Kapazität verfüge.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Juli 1986 (ON 8) brachten die Kläger vor, im Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Vereinbarung sei ihre Liegenschaft im Miteigentum des Franz K*** und der Maria K*** sen. gestanden. Eine rechtsverbindliche Vereinbarung hätte daher nur mit beiden Miteigentümern geschlossen werden können. Der Vertreter des Beklagten bestritt dieses Vorbringen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest:

Im Zuge der Entwässerungsarbeiten im Jahre 1958 habe der Rechtsvorgänger der Kläger Franz K*** dem Rechtsvorgänger des Beklagen Franz D*** sen. dafür, daß dieser ihm gestattete, das in Dränagen zusammengefaßte Wasser über sein Grundstück abzuleiten, das Recht eingeräumt, eine auf dem Grundstück 545 vorhandene Quelle zu fassen, das Wasser zu dem im Zuge der Entwässerungsarbeiten am Grundstück 226 KG Korb errichteten Hochbehälter zu leiten und das Wasser sowohl zum Tränken von Vieh als auch zur Versorgung des Anwesens mit Trinkwasser zu nutzen. Franz D*** sen. habe das Wasser für sein Anwesen benötigt, weil der auf seinem Grundstück vorhandene Tiefbrunnen im Zuge der Entwässerungsarbeiten, allerdings nicht verursacht durch diese, eine immer geringere Schüttung ergeben habe und schließlich zur Gänze versiegt sei. Eine auf dem Grundstück des Franz D*** sen. vorhandene Quelle sei von Peter H*** benützt worden und führe nur soviel Wasser, daß dessen Bedarf gedeckt sei; bei Trockenheit versiege diese Quelle. Die Kläger beabsichtigten nunmehr das trockengelegte Teichbett wieder mit Wasser zu füllen und für Zwecke der Fischzucht zu verwenden. Gegen den Erstkläger sei zu 9 E Vr 1417/82 des Landesgerichtes Klagenfurt ein Strafverfahren wegen § 181 StGB eingeleitet worden, weil er den Quellbereich durch Ausführen von Jauche verschmutzt habe und das Wasser demzufolge als Trinkwasser nicht mehr geeignet gewesen sei. Nach einem im Jahre 1984 eingeholten Gutachten sei das Wasser nunmehr wieder zur Verwendung als Trinkwasser geeignet.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, daß nach der zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile getroffenen Vereinbarung dem Beklagten auch das Recht zum Bezug von Trinkwasser zustehe, so daß das Klagebegehren nicht gerechtferigt sei. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es feststellte, daß dem Beklagten das Recht zum Wasserbezug aus der auf dem Grundstück 545 KG Waisenberg der Kläger befindlichen Quelle nur zur Nutzung für Zwecke der Viehtränke zustehe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt. Es erklärte die Revision für nicht zulässig. In der mündlichen Berufungsverhandlung stellte das Berufungsgericht auf Grund der beim Bezirksgericht Völkermarkt gepflogenen Erhebungen fest, daß das Grundstück 545 der Kläger der EZ 23 KG Waisenberg zugehört. Eigentümer dieser Liegenschaft seien im Jahre 1958 Franz K*** und Maria K*** geb. D*** je zur Hälfte gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, nach dem im Berufungsverfahren ergänzten Sachverhalt stehe fest, daß das Grundstück 545 der Kläger im Jahre 1958, als die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung getroffen worden sei, je zur Hälfte im Miteigentum des Franz K*** und der Maria K*** sen. gestanden sei. Der Beklagte habe seinen Prozeßstandpunkt, daß das Wasserbezugsrecht nicht auf Zwecke der Viehtränke beschränkt eingeräumt worden sei, nur darauf gestützt, daß die entsprechende Vereinbarung zwischen seinem Vater Franz D*** sen. und Franz K*** als "Rechtsvorgänger des Klägers" geschlossen worden sei. Obwohl zunächst auch die Kläger davon ausgegangen seien, daß die Liegenschaft im Alleineigentum des Franz K*** gestanden sei, hätten sie doch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Juli 1986 ausdrücklich geltend gemacht, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auch Maria K*** sen. Miteigentümerin des Grundstücks gewesen sei und eine rechtswirksame Vereinbarung daher nur von beiden Miteigentümern hätte getroffen werden können. Der Beklagte habe kein Vorbringen erstattet, das die Beurteilung zulasse, die Vereinbarung sei auch namens der Miteigentümerin Maria K*** sen. geschlossen worden. Für das Vorliegen einer weitergehenden als der von den Klägern akzeptierten Rechtseinräumung wäre aber der Beklagte behauptungs- und beweispflichtig gewesen. Eine gesetzliche Vertretungsbefugnis des Franz K*** zum Abschluß der in Rede stehenden Vereinbarung auch namens seiner Gattin Maria K*** sei auch im Jahre 1958 nach der damaligen Rechtslage nicht gegeben gewesen. Als bloßer Hälfteeigentümer sei Franz K*** aber nicht berechtigt gewesen, ein Wasserbezugsrecht einzuräumen. Demzufolge sei das Klagebegehren, dem nur eine deutlichere Fassung zu geben sei, gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Beklagten kommt Berechtigung zu. Nicht gefolgt werden kann den Revisionsausführungen, mit denen geltend gemacht wird, daß es sich beim bücherlichen Eigentum am Grundstück der Kläger nicht um eine offenkundige Tatsache handle und das Berufungsgericht daher eine Ergänzung des Sachverhalts ohne Beweisergänzung nicht habe vornehmen dürfen. Gemäß § 269 ZPO bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises, das Berufungsgericht darf sie daher ergänzend auch ohne Beweisaufnahme seiner Entscheidung zugrundelegen (SZ 55/116; Fasching, Komm. III 270); es hat den Sachverhalt aber mit den Parteien zu erörtern, sofern der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der offenkundigen Tatsache nicht geradezu aussichtlos erscheinen muß (SZ 55/116; Fasching a.a.O. 265, 269). Das Berufungsgericht hat auch die Ergebnisse seiner Erhebungen über die Eigentumsverhältnisse am Grundstück 545 KG Waisenberg in der mündlichen Berufungsverhandlung bekanntgegeben. Einwendungen gegen die Richtigkeit würden in der mündlichen Berufungsverhandlung nach dem Inhalt des hierüber aufgenommenen Protokolls nicht erhoben; das Berufungsgericht konnte damit von der Richtigkeit seiner Erhebungen ausgehen; auch die Revision zieht die Richtigkeit der ergänzenden Feststellung des Berufungsgerichtes nicht in Zweifel.

Mit der zulässigen Ergänzung des Sachverhalts in der aufgezeigten Richtung war jedoch die Frage, ob die in Rede stehende Vereinbarung über die Einräumung einer Servitut vom Rechtsvorgänger des Beklagten mit beiden Miteigentümern des belasteten Grundstücks getroffen wurde, noch nicht beantwortet. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß eine Dienstbarkeit nur von sämtlichen Miteigentümern des dienenden Gutes eingeräumt werden kann (JBl. 1960, 441; MietSlg. 7.800). Mit dieser Rechtsauffassung wurde der Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht überrascht, hatten doch die Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Juli 1986 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Grundstück 545 KG Waisenberg im Zeitpunkt der behaupteten Vereinbarung im gemeinsamen Eigentum von Franz K*** und Maria K*** sen. gestanden sei und eine rechtsverbindliche Vereinbarung demnach nur mit beiden Miteigentümern hätte getroffen werden können. Dieses Vorbringen war aber widersprüchlich, weil die Kläger selbst zunächst eine wirksam zustande gekommene Vereinbarung behauptet hatten und auch im weiteren Verlauf die Gestattung des Bezugs von Nutzwasser aufrecht erhielten. Der Rechtsstreit ging also gar nicht um die Einräumung eines Wasserbezugsrechts, sondern nur um dessen Umfang. Es scheint auch nach dem Inhalt des Klagebegehrens nicht darum zu gehen, daß dem Beklagten überhaupt kein Recht zustehe. Der Beklagte hat sich darauf beschränkt, das Vorbringen der Kläger zu bestreiten; ein eigenes Sachvorbringen hat er nicht erstattet. Die Bestreitung des Sachvorbringens der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Juli 1986 mußte sich aber nicht nur auf das Vorbringen über die Eigentumsverhältnisse beziehen, es kann auch dahin verstanden werden, daß entgegen dem Prozeßstandpunkt der Kläger eine voll wirksame Vereinbarung mit dem vom Beklagten behaupteten Inhalt (Wasserbezugsrecht auch zu Zwecken der Trinkwasserversorgung) unter Einbindung der Maria K*** sen. zustandegekommen sei. Bei der gegebenen Sachlage wäre es Pflicht des Erstrichters gewesen, auf eine Ergänzung des Vorbringens der Parteien hinzuwirken, zumal, wie das Berufungsgericht hervorhob, eine gesetzliche Vertretungsbefugnis des Mannes zur Einräumung einer Dienstbarkeit namens der Ehegattin nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bestand (vgl. Ehrenzweig, System, Familien- und Erbrecht2 136, 173; Weiß in Klang, Kommentar2 V 836). Das Berufungsgericht wiederum durfte nicht den gegebenen Feststellungsmangel mit dem bloßen Hinweis auf den seinerzeitigen Grundbuchsstand verneinen. Demnach ist der außerordentlichen Revision, mit welcher erhebliche Verfahrensmängel, so auch die Verletzung der Erörterungspflicht des § 182 ZPO, als die Rechtssicherheit verletzend geltend gemacht wurde, stattzugeben und die Rechtssache zur Ergänzung des Sachverhaltes in der aufgezeigten Richtung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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