OGH 9ObA137/87

OGH9ObA137/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Harald Voglar-Deinhardstein und Adolf Klement als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Othmar H***, Kfz-Mechanikermeister, 8413 Stiefing 4, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei W***- UND

L*** Ehrenhausen reg.Gen.m.b.H., Ehrenhausen,

vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 286.093,17 brutto s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Mai 1987, GZ 8 Ra 1056/87-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Februar 1987, GZ 36 Cga 25/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 286.093,17 brutto samt 4 % Zinsen seit 21.5.1986 zu zahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.004,90 (darin S 8.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 20.198,65 (darin S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der Mechanikermeister ist, war bei der Beklagten seit 1.Jänner 1977 als Werkstättenleiter, Werkmeister und Lehrlingsausbilder im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Am 24. März 1986 wurde er entlassen.

Mit der Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt, begehrte der Kläger von der Beklagten den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von S 286.093,17 brutto s.A. an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Entlassung des Klägers sei zu Recht erfolgt. Dieser habe öfters abfällige Äußerungen über Mitglieder und Kunden der Beklagten gemacht und am 17. März 1985 den Geschäftsführer der Beklagten im alkoholisierten Zustand als "Schwein" bezeichnet. Wegen dieser Vorfälle und wegen Trunkenheit im Dienst sei er in Anwesenheit des Obmanns der Beklagten verwarnt worden. Der Kläger habe weiters eine Privatbestellung im Namen der Beklagten getätigt, worauf diese gemahnt worden sei. Schließlich habe er im März 1986 während seines Urlaubs seine Vertrauensstellung dazu mißbraucht, daß er einen Traktormotor in der Werkstätte privat repariert habe. Er habe versucht, Ersatzteile zum Hauspreis zu erhalten, habe heimlich andere Arbeitnehmer der Beklagten zur Reparatur herangezogen und sie aufgefordert, ihre Arbeitsleistungen zu Lasten der Werkstätte aufzuschreiben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beschimpfung des Direktors der Beklagten lediglich eine Ermahnung nach sich gezogen habe. Der Vorwurf der Untreue sei nicht haltbar, da der Kläger die Absicht gehabt habe, nach der Rückkehr aus dem Urlaub die nötigen Schritte zur Erstellung einer Rechnung zu unternehmen und die Auftragskarte stets erst nach Beendigung der Reparatur in das Büro der Beklagten gelangt sei. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es traf nach Beweiswiederholung folgende Feststellungen:

Im März 1985 äußerte sich der stark alkoholisierte Kläger bei einer Maschinenausstellung in Anwesenheit des Geschäftsführers über diesen mit den Worten "Wo ist der K***, das Schwein". Wegen dieses Vorfalls wurde der Kläger verwarnt.

Am 31.Jänner 1986 bestellte der Kläger im Namen der Beklagten für eigene Zwecke einen Frontspoiler. Als der Kaufpreis von S 3.238,80 nicht bezahlt wurde, erging eine Mahnung an die darüber nicht informierte Beklagte. Der Kläger zahlte den Kaufpreis und die Frachtkosten wurden mit seinem Lohn verrechnet. Im Unternehmen der Beklagten war es üblich, daß Arbeitnehmer die von ihnen benötigten Ersatzteile im Namen der Beklagten bestellen konnten, wobei sie die jeweiligen Rechnungen selbst bezahlten.

Unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers war der Leiter der Maschinenabteilung, Heinrich H***, der zwar die Oberaufsicht über die Werkstätte hatte, aber selbst überwiegend im Maschinenhandel tätig war. In der Werkstätte, in der lediglich Landmaschinenersatzteile geführt wurden, arbeiteten noch vier Gesellen und vier Lehrlinge. Da der Kläger darauf hingewiesen hatte, daß die Lehrlinge nicht nur an Landmaschinen, sondern auch an PKW ausgebildet werden müßten, reparierten die Arbeitnehmer der Beklagten in der Werkstätte außerhalb der Arbeitszeit auch ihre eigenen PKW. H*** duldete es, daß der Kläger hin und wieder PKW von Freunden und Bekannten reparierte. Die Unternehmensleitung der Beklagten wußte davon aber nichts. 1985 arbeitete der Kläger privat, aber mit Wissen seines Vorgesetzten an einem Traktor, um ein Abwandern des Kunden zur Konkurrenz zu vermeiden. Wenn es notwendig war, kam der Kläger andererseits auch fallweise während seines Urlaubs in die Werkstätte, wofür ihm Zeitausgleich gewährt wurde. Es bestand eine Dienstanweisung, daß für jede in der Werkstätte vorhandene Maschine ein Auftrag vorliegen müsse. Der Kläger nahm die Reparaturaufträge entgegen und vermerkte sie auf einer Auftragskarte, die vorerst beim Mechaniker blieb und erst nach Erledigung der Reparatur im Büro abgegeben wurde.

Vom 6.März 1986 bis 23.März 1986 befand sich der Kläger auf Urlaub. Über Ersuchen des Wilhelm Ö***, ihm einen Motorschaden, dessen Reparatur in einer Werkstätte nicht rentabel gewesen wäre, an seinem Traktor zu beheben, bestellte der Kläger beim Magazineur der Beklagten die erforderlichen Ersatzteile; er erteilte den Auftrag, diese Teile auf einem Zettel zu notieren, damit später eine Abrechnung erfolgen könne. Weiters ersuchte der Kläger den Mechaniker Johann M***, den beschädigten Motor mit einem LKW der Beklagten von Wilhelm Ö*** abzuholen. M*** entsprach dem Ersuchen und brachte den Motor nach einer Fahrtstrecke von etwa 2,5 km in die Werkstätte. Zu dieser Reparatur zog der Kläger zwei Lehrlinge heran, die insgesamt vier Stunden daran arbeiteten. Über Auftrag des Klägers schrieben die Lehrlinge ihre Arbeitszeit auf "Werkstätte"; das bedeutete, daß diese Zeit nicht verrechnet werden konnte. Von dieser Reparatur machte der Kläger seinem Vorgesetzten H*** gegenüber keine Mitteilung. Dieser sah ihn jedoch bei der Arbeit. Einen Auftrag nahm der Kläger deshalb nicht auf, da er die Kosten der Ersatzteile und der Arbeitnehmer dem Wilhelm Ö*** bei einer anderen Maschine in Rechnung stellen wollte.

Als der Magazineur dem Leiter der Maschinenabteilung H*** am 19. oder 20.März 1986 berichtete, daß der Kläger die Bestandteile für den Traktormotor zum Hauspreis haben wollte, setzte H*** den Geschäftsführer Norbert K*** davon in Kenntnis. K*** informierte sich über die Vorgänge und sprach am darauffolgenden Montag, dem 24.März 1986, als der Kläger nach dem Urlaub wieder die Arbeit antrat, die Entlassung aus. Auch das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das Verhalten des Klägers nicht als eine schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten zu werten sei. Der Kläger habe nicht gegen die Interessen der Beklagten gehandelt; es sei dieser kein Auftrag entgangen und sie habe durch den Ankauf von Ersatzteilen einen finanziellen Vorteil gehabt. Die Kosten für die Arbeit der Arbeitnehmer der Beklagten hätten ohnehin später an Wilhelm Ö*** verrechnet werden sollen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand, weniger auf die tatsächliche Schädigung des Arbeitgebers an, sondern vor allem darauf, ob für ihn vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, daß seine Belange durch den Angestellten gefährdet sind. Das Verhalten des Arbeitnehmers muß in seiner Gesamtheit nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise als so schwerwiegend angesehen werden, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, wobei bei an Angestellte in leitender Stellung im allgemeinen strengere Anforderungen zu stellen sind (Kuderna, Entlassungsrecht 88 f; Arb 5813, 7687, 7909 ua).

Nach den maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichtes benützte der Kläger seine Vertrauensstellung als Leiter der Werkstätte, Werkmeister und Lehrlingsausbilder dazu, eigenmächtig eine Privatreparatur an einem Traktormotor durchzuführen, wobei er noch Sach- und Arbeitsleistungen von Arbeitnehmern der Beklagten in Anspruch nahm. Er ließ den Motor von einem Arbeitnehmer der Beklagten mit einem LKW der Beklagten abholen und beauftragte die ihm zur Ausbildung anvertrauten Lehrlinge, die Mitarbeit an der Privatreparatur fälschlich auf Werkstattkosten aufzuschreiben. Von dieser Privatreparatur informierte er weder vorher noch nachher seine Vorgesetzten, sodaß es rechtlich belanglos ist, daß er die "Absicht" hatte, die aufgelaufenen Arbeitskosten dem Auftraggeber "bei einer anderen Maschine" in Rechnung zu stellen, ein Vorhaben, daß bei bereits endgültig erfolgter Widmung als Werkstattkosten ohnehin bestenfalls einer späteren zeitlich unbestimmbaren Schadensgutmachung unterstellt werden könnte.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß eine solche Vorgangsweise von der Beklagten bisher geduldet worden sei. Die Reparatur der PKW betraf keine für die Werkstatt spezifischen Landmaschinen, war durch den Ausbildungszweck mitmotiviert und erfolgte ebenso mit Wissen des vorgesetzten Leiters der Maschinenabteilung wie die ausnahmsweise gestattete Arbeit an einem Traktor im Jahr 1985, die überdies den festgestellten Zweck hatte, das Abwandern des Kunden von der Beklagten zur Konkurrenz zu verhindern. Diese Voraussetzungen lagen bei dem zur Entlassung führenden Vorfall nicht vor. Der Kläger wurde nie ermächtigt, in Konkurrenz zur Beklagten privat Landmaschinen zu reparieren und dazu noch Arbeitnehmer der Beklagten auf deren Kosten in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn H*** den Kläger bei der Arbeit an dem Traktormotor gesehen hatte, hatte er deshalb noch keine Veranlassung, diese Reparatur als Privatarbeit zu erkennen und dagegen einzuschreiten. Nach den Feststellungen war der Kläger nämlich auch während seines Urlaubs fallweise in der Werkstätte tätig und die Inanspruchnahme von Sach- und Arbeitsleistungen der Beklagten durch den Kläger hatte H*** ohnehin nicht bemerkt. Richtig ist, daß nicht jeder geringfügige Vertrauensmißbrauch unter allen Umständen eine Entlassung rechtfertigt (Arb 7824), doch ist das Verhalten des Klägers entgegen der Ansicht der Vorinstanzen doch nicht mehr als bloße Ordnungswidrigkeit zu qualifizieren. Es ist nicht entscheidend, ob der Kläger in Schädigungsabsicht gehandelt hat und ob der Beklagten ein Schaden entstanden ist. Der Kläger hat unabhängig davon in seiner Stellung als Werkstättenleiter und Leiter der Lehrlingsausbildung ein Verhalten gesetzt, das bei der Beklagten die Befürchtung erwecken mußte, daß ihre dienstlichen Interessen dadurch gefährdet seien. Die Beklagte konnte zu Recht befürchten, daß der Kläger ihre Werkstätte und ihre Arbeitnehmer zu eigenen Zwecken verwendet. Damit wurde das Vertrauen in den Kläger derart erschüttert, daß der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden konnte. Dem Kläger stehen daher die von ihm geltend gemachten und allein auf die zu Unrecht erfolgte Entlassung gestützten Ansprüche nicht zu. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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