OGH 14ObA77/87

OGH14ObA77/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Harald Foglar-Deinhardstein und Adolf Klement als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Regina S***, Sängerin, Traun, Siedlerstraße 20, vertreten durch Dr. Arno Figl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Helmut H***, Kapellmeister, Wallerfing, Neusling 22, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Richard Heller, Rechtsanwalt in Baden, wegen S 35.496 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 31. Oktober 1986, GZ. 4 Cg 9/85-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiener Neustadt vom 22. Dezember 1982, GZ. Cr 199/80-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.069,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer und S 240 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte leitete im Jahre 1980 eine Musikkapelle, die sogenannten "Salzkammergut-Musikanten", die aus rund 15 Orchestermusikern und einer Sängerin bestand. Über Vermittlung der Konzertagentur Brigitte W*** in Strasskirchen trat diese Kapelle in verschiedenen Orten der Bundesrepublik Deutschland bei Kirmesveranstaltungen und Volksfesten auf. Die Auswahl der Mitwirkenden oblag allein dem Beklagten, der den Musikern auch die von den Festwirten entrichteten Entgelte auszahlte. Als die Gattin des Beklagten, welche die Kapelle bisher als Sängerin begleitet hatte, schwanger wurde und für den 4. August 1980 die Geburt ihres Kindes erwartete, war der Beklagte genötigt, sich um eine Ersatzsängerin zu kümmern. Es kam im Februar 1980 in Traun zwischen den Streitteilen zu einer Besprechung, bei welcher vereinbart wurde, daß die Klägerin die Kapelle gegen ein Auftrittsentgelt von DM 170 zu begleiten habe und daß sie sich bei bestimmten Auftritten von Florentina H*** vertreten lassen dürfe. Als Endtermin für das Engagement der Klägerin wurde der 15. September 1980 festgelegt. Bis zu diesem Termin sollte die Ehegattin des Beklagten wieder in der Lage sein, selbst aufzutreten. Bei einer weiteren Zusammenkunft der Streitteile im März 1980 wurden die einzelnen Auftritte terminlich fixiert und zwischen der Klägerin und Florentina H*** aufgeteilt. Mit der Behauptung, der Beklagte habe diese Vereinbarung dadurch rechtswidrig gebrochen, daß er ihr am 8. August 1980 mitgeteilt habe, er benötige sie nicht mehr, verlangt die Klägerin den der Höhe nach nicht strittigen Betrag von S 35.496 sA für 29 entgangene Auftritte in der Zeit vom 8. August 1980 bis 15. September 1980. Während die Klägerin den Beklagten im ersten Rechtsgang als ihren ehemaligen Arbeitgeber in Anspruch nahm, brachte sie im zweiten Rechtsgang neu und ergänzend vor, daß sie als freischaffende Künstlerin ohne persönliche Abhängigkeit aufgetreten sei und nach der Auskunft eines deutschen Arbeitsamtes keine Arbeitserlaubnis benötigt habe. Ihre Darbietungen seien von besonderem künstlerischen Wert gewesen. Sie sei auch nicht regelmäßig, sondern nur mit Unterbrechungen, während derer sie stets nach Österreich zurückgekehrt sei, aufgetreten. Sie stütze ihren Anspruch auch auf den Titel des Schadenersatzes.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er wendete für das Revisionsverfahren noch im wesentlichen ein, daß für die Tätigkeit der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland eine Arbeitserlaubnis erforderlich gewesen sei. Die Klägerin sei lediglich Folkloresängerin gewesen und je nach Witterung entweder in Bierzelten oder im Freien aufgetreten. Da sie sich nie um eine Arbeitserlaubnis als Voraussetzung ihrer Tätigkeit bemüht habe, stehe ihr das begehrte Entgelt nicht zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Klägerin der Beweis für die Vereinbarung eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses nicht gelungen sei.

Das Berufungsgericht führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und änderte nach Aufhebung seiner ersten Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof auch im zweiten Rechtsgang das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es traf noch folgende Feststellungen:

Vereinbarungsgemäß sollte die Klägerin in der Zeit von April 1980 bis 15. September 1980 insgesamt an 90 Tagen auftreten. Bis 8. August 1980 hatte sie davon schon 61 Auftritte absolviert, wobei sie, vom Orchester des Beklagten begleitet, Volksmusik im weitesten Sinn darbot. Sie war nicht durchgehend tätig, sondern trat jeweils durchschnittlich an vier, einmal an elf Tagen hintereinander auf. Zwischen ihren Auftritten war sie in der Bundesrepublik Deutschland nicht beruflich tätig.

Am 8. August 1980 sollte die Klägerin in Straubing singen. Die Gattin des Beklagten war jedoch der Kapelle nachgereist und wollte selbst wieder auftreten. Der Beklagte versuchte vorerst eine Einigung zwischen seiner Gattin und der ebenfalls zum Auftritt erschienenen Klägerin herbeizuführen. Da es aber zwischen den beiden Sängerinnen zu keiner Einigung kam, teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er sie für weitere Auftritte nicht mehr benötige. Die Klägerin hätte vereinbarungsgemäß bis 15. September 1980 noch elf Tage in Straubing (8. August bis 18. August), zehn Tage in Regensburg (25. August bis 28. August und 2. September bis 7. September) und acht Tage in Nürnberg (8. September bis 15. September) auftreten sollen, wozu es jedoch auf Grund der eindeutigen Absage des Beklagten nicht mehr kam. Die Klägerin hatte für ihre Auftritte in der Bundesrepublik Deutschland keine Arbeitsbewilligung; sie war der Meinung, daß eine solche Bewilligung für sie nicht erforderlich sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß im Sinne des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes auf das vorliegende Rechtsverhältnis gemäß § 44 IPRG deutsches Recht anzuwenden sei. Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ohne wichtigen Grund vorzeitig gelöst, sodaß seine Auflösungserklärung gemäß § 626 BGB unwirksam sei. Der Klägerin stünden alle Ansprüche zu, die sie bei regulärer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf gehabt hätte. Ihren Ansprüchen stehe auch das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis nicht entgegen. Gemäß § 9 Arbeitserlaubnisverordnung bedürften Personen, die nur gelegentlich mit Tagesdarbietungen auftreten, keiner solchen Erlaubnis. Dies treffe auf die Klägerin zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Nichtigkeitsgrund des § 503 Abs 1 Z 1 (§ 477 Abs 1 Z 9) ZPO liegt nicht vor. Ein Widerspruch im Spruch des Berufungsurteils besteht nicht (Fasching ZPR Rz 1760). Soweit das Berufungsgericht die festgestellten Auftritte der Klägerin als "gelegentliche Tagesdarbietungen" qualifizierte, setzte es sich zu den Feststellungen nicht in Widerspruch, sondern unterzog diese im Sinne des § 9 der Arbeitserlaubnisverordnung einer rechtlichen Beurteilung. In seiner Rechtsrüge führt der Beklagte im wesentlichen aus, daß die Klägerin für ihre Auftritte gemäß § 19 ArbeitsförderungsG eine Arbeitsgenehmigung einholen hätte müssen. Da von gelegentlichen Auftritten keine Rede sein könnte, die Klägerin vielmehr über vier Monate einer regelmäßigen und intensiven Beschäftigung nachgegangen sei, die ihr ein gutes Einkommen ermöglicht habe, sei ihre berufliche Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht genehmigungsfrei gewesen. Da sie keine Arbeitserlaubnis eingeholt habe, habe sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht erfüllt; der Arbeitsvertrag sei gemäß § 134 BGB nichtig und ihren Lohnansprüchen sei der Boden entzogen.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten: Nach der Aktenlage sind die Streitteile österreichische Staatsbürger. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Österreich hatten sie beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Auf Grund des vom ersten Rechtsgang abweichenden und zulässigen Neuvorbringens und den nunmehrigen Feststellungen des Berufungsgerichtes ist daher die Frage des anzuwendenden Rechts neuerlich zu prüfen. Der kollisionsrechtliche Tatbestand "Arbeitsverträge" ist in § 44 IPRG nicht definiert. Die Qualifikationsfrage ist nach den Vorstellungen des österreichischen Rechts zu beantworten. Danach ist für private Arbeitsverhältnisse die grundsätzlich entgeltliche persönliche Dienstleistung der einen Partei in persönlicher Abhängigkeit von der anderen kennzeichnend. Die weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers äußert sich darin, daß er über seine Leistung nicht frei bestimmen kann, sondern in Unterordnung in den Organismus des Betriebes prinzipiell unbeschränkten Weisungen und der Kontrolle des Arbeitgebers unterworfen ist (Schwimann, Grundriß des Internationalen Privatrechts, 137; Schwimann in Rummel, § 44 IPRG Rz 1; Spielbüchler in Floretta - Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 15 ff; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 99 ff; Kuderna, ASGG § 50 Anm. 4). Der wesentliche Unterschied zum Werkvertrag, bei welchem der Werkunternehmer nicht bloß eine bestimmte Bemühung, sondern einen bedungenen Erfolg schuldet (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts7 I 349), liegt ungeachtet der Möglichkeit, daß eine arbeitnehmerähnliche Stellung dessen angenommen werden kann, der die Arbeit leistet (Kuderna aaO § 51 Anm. 10 S 276; Arb. 9.628), darin, daß bei diesem das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit fehlt. Der auf Grund eines Werkvertrages Verpflichtete bestimmt weitgehend selbst die Lebensordnung seines Betriebes sowie die näheren Umstände der Erbringung seiner Leistung und trägt das wirtschaftliche Risiko. Hier kommt es auf das Ergebnis der Arbeitsleistung an, für das er haftet und Gewähr zu leisten hat (Arb. 9.845 mwH, 9.405, 9.228). Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Einordnung von Künstlern für Aufgaben, bei denen sie weitgehend weisungsfrei arbeiten, schwierig. Hier ist die Grenze zum Werkvertrag fließend (Schwimann aaO).

Nach den Feststellungen wurde die Klägerin für bestimmte Auftritte als "Solosängerin" engagiert; ihr Entgelt war von den Auftritten abhängig. Zwischen den Auftritten kehrte sie jeweils wieder nach Österreich zurück und absolvierte nach dem vom Berufungsgericht zur Feststellung der einzelnen Darbietungen herangezogenen Terminkalender weitere Auftritte. Da ein Gesangssolist bei seinen Darbietungen nicht die Musikkapelle begleitet, sondern von dieser begleitet wird, war die Klägerin in die Musikkapelle nicht eingegliedert. Sie konnte sich überdies von einer anderen Sängerin vertreten lassen, was ebenfalls gegen ihre persönliche Abhängigkeit spricht. Auch wenn nähere Feststellungen darüber fehlen, inwieweit die Klägerin den Inhalt ihrer Leistungen selbst bestimmen konnte, beschränkte sich die Weisungsbefugnis des Beklagten wohl nur auf die Auswahl der Musiknummern aus dem Repertoire der Klägerin für die Zeit ihres Auftritts. Nach dem Schwergewicht des Vertragsinhaltes überwiegen daher die Elemente des Werkvertrages, sodaß sich die Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht nach dem Arbeitsvertragsstatut, sondern nach dem allgemeinen Geschäftsstatut richtet. Nach § 36 IPRG sind gegenseitige Verträge, nach denen die eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da die Klägerin die "charakteristische" Leistung des Werkvertrages zu erbringen (Schwimann aaO 122) und sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, kommt auf der Grundlage des im zweiten Rechtsgang neu festgestellten Sachverhalts auf den vorliegenden Fall österreichisches Sachrecht zur Anwendung.

Liegt aber ein Vertrag vor, der auch nach deutschem Recht als Werkvertrag anzusehen ist (vgl. dazu § 631 BGB; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch5 154 f; Übersicht in RdA Stand 1.1.1981, 31 ff), war die Klägerin nicht "Arbeitnehmerin" im Sinne des § 19 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetzes und sie konnte durch ihr Auftreten als Sängerin nicht gegen dieses Verbotsgesetz verstoßen. Die vom Berufungsgericht und in der Revision erörterte Frage des Erfordernisses der Einholung einer Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes kann daher dahingestellt bleiben. Die Qualifikation des Engagements der Klägerin als Werkvertrag begründet ihren Anspruch im Sinne des Klagebegehrens. Wird nämlich die Werkerstellung durch den leistungsbereiten Unternehmer durch Umstände verhindern, die auf der Bestellerseite liegen, bleibt dem Unternehmer gemäß § 1168 Abs 1 ABGB der vertragliche Werklohnanspruch erhalten. Die einseitige Weigerung des Beklagten, die Klägerin zu den vereinbarten Terminen auftreten zu lassen, war somit auf ihren Entgeltanspruch ohne Einfluß (Koziol-Welser aaO 355; Krejci in Rummel, ABGB § 1168 Rz 13). Eine Behauptung dahin, was sich die Klägerin konkret anrechnen lassen müsse, das sie wegen des Unterbleibens der Leistung erspart, durch andere Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe, stellte der Beklagte nicht auf.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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