Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung seines unangefochten gebliebenen Teiles und des Teilanerkenntnisurteiles vom 3. Oktober 1984 (ON 5) als Teilurteil zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 102.035,12 samt 4 % Zinsen aus S 150.528,12 vom 10. Februar 1982 bis 15. Oktober 1984, aus S 101.667,12 vom 16. Oktober 1984 bis 23. April 1985 und aus S 102.035,12 seit 24. April 1985 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 26. April 1981 zu zwei Dritteln ersatzpflichtig ist. Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 131.156,07 s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren der klagenden Partei und ihre Feststellungsmehrbegehren wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Im übrigen, somit im Umfang der Abweisung des Leistungsbegehrens der klagenden Partei mit einem Betrag von S 10.000,-- samt 4 % Zinsen seit 10. Februar 1982 und im Kostenpunkt, wird das angefochtene Urteil ebenso wie das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 26. April 1981 ereignete sich gegen 8.20 Uhr auf der Gasteiner Bundesstraße im Bereich der Kreuzung mit der Angertalstraße (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Halterin und Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen S 164.737 und Josef S*** als Radfahrer beteiligt waren. Der gegenüber der Klägerin benachrangte Josef S*** bog mit seinem Fahrrad aus der Angertalstraße nach links in die Gasteiner Bundesstraße ein und wurde dabei von dem auf der Bundesstraße in Richtung Bad Hofgastein fahrenden PKW der Klägerin niedergestoßen. Dabei wurde S*** getötet; die Klägerin wurde verletzt, ihr Fahrzeug beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde zu 25 Vr 2088/81 des Landesgerichtes Salzburg gegen die Klägerin ein Strafverfahren eingeleitet; es wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 15 S 58) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 258.191,19 s.A.; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Diesem Feststellungsbegehren wurde mit Teilanerkenntnisurteil vom 3. Oktober 1984 (ON 5) in Ansehung eines Drittels der künftigen Schäden der Klägerin stattgegeben.
Das Leistungsbegehren der Klägerin setzt sich wie folgt zusammen:
Schmerzengeld S 220.000,--
Verunstaltungsentschädigung S 50.000,--
Fahrzeugschaden S 20.792,19
"Aushilfskosten" für die Zeit vom
Unfall bis 31. Mai 1981 S 15.000,--
Besuchskosten S 1.260,--
S 307.052,19
abzüglich einer Zahlung am
15. Oktober 1984 von S 48.861,--
S 258.191,19
Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Radfahrer, der den der Klägerin zukommenden Vorrang mißachtet habe. Daß die Bremsen am PKW der Klägerin nicht optimale Verzögerungswerte erreicht hätten, könne ihr nicht als Verschulden angelastet werden, weil sie sich darauf verlassen habe dürfen, daß die Bremsen nach einem kurz vor dem Unfall durchgeführten Service in Ordnung seien und überdies die im § 3 KDV normierten gesetzlichen Mindestbremsverzögerungswerte nicht unterschritten worden seien. Die der Klägerin zugefügten Verletzungen rechtfertigten die Bemessung des ihr zustehenden Schmerzengeldes mit S 220.000,--. Die von ihr verlangten "Aushilfskosten" begründete die Klägerin damit, daß sie vom 26. April bis 31. Mai 1981 arbeitsunfähig gewesen sei. In dieser Zeit hätte sie im Haushalt für ihren berufstätigen Ehegatten und ihre acht Kinder im Alter zwischen einem Jahr und achtzehn Jahren sorgen müssen. Es sei ihr daher während ihrer Arbeitsunfähigkeit nichts anderes übrig geblieben, als daß ihr Gatte unbezahlten Urlaub genommen habe, um ihren Ausfall im Haushalt einigermaßen zu ersetzen. Ihr Mann hätte in dieser Zeit als Mineur ca. S 15.000,-- netto verdient; diesen Betrag begehre sie daher ersetzt. Die Klägerin sei auf Grund interner Verabredung verpflichtet, ihrem Mann den von ihm erlittenen Einkommensverlust zu ersetzen, wobei der Ersatz bis zur Leistung durch die Versicherung der Beklagten gestundet sei.
Die Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß wohl den Getöteten ein mit einem Drittel zu bewertendes Verschulden getroffen habe, daß aber der Klägerin ein mit zwei Dritteln zu bewertendes Mitverschulden anzulasten sei. Infolge eines Wartungsfehlers hätten am PKW der Klägerin die beiden rückwärtigen Räder nicht gebremst. Bei optimal funktionierenden Bremsen hätte der Unfall zwar nicht vermieden werden können, doch wäre die Anstoßgeschwindigkeit deutlich geringer gewesen. Damit wäre ein Bersten der Windschutzscheibe und damit eine Verletzung der Klägerin verhindert worden.
Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von S 142.483,10 s.A. zu und gab ihrem Feststellungsbegehren vollinhaltlich statt; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 115.708,09 s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren der Klägerin wies es ab.
Das Erstgericht stellte, soweit für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen von Bedeutung, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Zu dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall kam es dadurch, daß Josef S*** von der Angertalstraße kommend ohne Beachtung des Vorranges der Klägerin in die B 167 hinter einem in einer Haltestelle befindlichen Postautobus einfuhr. Der Radfahrer wurde vom PKW der Klägerin erfaßt, durch die Windschutzscheibe in das Innere des PKW geschleudert und blieb tödlich verletzt am Boden vor dem Beifahrersitz liegen. Die Fahrbahn war zur Unfallszeit trocken und hatte einen Asphaltbelag. Die Klägerin hielt, bevor sie bei Ansichtigwerden des Radfahrers eine Vollbremsung einleitete, eine Geschwindigkeit von ca. 85 km/h ein; die Kollisionsgeschwindigkeit betrug ca. 63 km/h. Am PKW der Klägerin war der rückwärtige Bremskreis ausgefallen, sodaß nur die Vorderräder abgebremst werden konnten. Bei einer Bremsverzögerung von 7 m/sec2 entfallen bei einwandfrei funktionierenden Bremsen ca. 4,2 m/sec2 an erreichbarer Verzögerung auf die Vorderräder, bei 7,5 m/sec2 4,5 m/sec2. Bei voll funktionierenden Bremsen hätte die Klägerin ihre Geschwindigkeit anstatt auf ca. 63 km/h auf knapp unter 40 km/h verringern können. Auch bei einwandfrei funktionierenden Bremsen kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein Durchschlagen der Windschutzscheibe durch den Radfahrer nicht stattgefunden hätte und daher die Verletzungen der Klägerin nicht eingetreten wären.
Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug am 2. Dezember 1980 einer Begutachtung gemäß § 57 a Abs. 4 KFG unterzogen, wobei keine Mängel der Bremsen festgestellt wurden. Bis zum Unfall legte sie dann ca. 2000 km zurück, ohne daß ihr an den Bremsen ein Mangel auffiel. Nach dem Unfall ergab die Überprüfung, daß die gesamte Bremsflüssigkeit des Bremskreises für die Hinterräder ausgelaufen war. Dieser Defekt ist nicht plötzlich aufgetreten, sondern ebenso wie die festgestellte Abnützung der Bremsbeläge der Hinterräder unter die Mindestgrenze als Abnützungserscheinung anzusehen. Diese Abnützung mußte bei ständiger Benützung des Fahrzeuges nicht bemerkt werden. Der gänzliche Austritt der Bremsflüssigkeit und das nach dem Unfall festgestellte nahezu gänzliche Durchtreten des Bremspedales kann auch eine Folge der langen Notbremsung vor dem Zusammenstoß sein.
Die Klägerin erlitt bei diesem Unfall eine durchbohrende Verletzung des Augapfels links mit Austritt von Augeninhalt, Schnittwunden im Bereich des Oberlides, die sich über den Nasenrücken und nach außen bis zum äußeren Orbitalrand erstreckten, ferner eine Wunde am äußeren Rand der Augenhöhle mit Verletzung des knöchernen Orbitalrandes. Das linke Auge mußte operativ entfernt und eine Augenprothese eingesetzt werden.
Die Klägerin wurde am 11. Mai 1981 aus der stationären Behandlung entlassen.
Am linken Auge finden sich im Bereich des Nasenrückens, des Oberlides und des äußeren Lidwinkels blande Narben nach der seinerzeitigen Verletzung. Das Auge kann geöffnet werden; die Lidspalte ist jedoch gegenüber der anderen Seite verkleinert. Bei Blickbewegungen bleibt die Prothese zurück und die linke Augenregion wirkt trotz der Prothese eingesunken. Es besteht also eine kosmetische Entstellung. Es tritt eine Gewöhnung an die Einäugigkeit ein.
Die zur Unfallszeit 37 Jahre alte Klägerin erlitt infolge der Unfallverletzungen bis zur Begutachtung im Februar 1985 2 Tage starke, 10 Tage mittelstarke und 6 Wochen leichte Schmerzen. Die Prothese wird von der Klägerin grundsätzlich beschwerdefrei vertragen; lediglich bei Witterungsumschwüngen beginnt das Auge ein paar Tage zuvor zu rinnen und es friert bei kalter Witterung ein, da der Glaskörper sich an die Temperatur nicht so angleicht, wodurch es zu Schmerzen in der Augenhöhle kommt. Diese Beschwerden sind in der vom Sachverständigen getroffenen Einschätzung der Schmerzperioden nicht enthalten.
Die Klägerin hat einen Haushalt mit einem Mann und acht Kindern im Alter zwischen einem Jahr und achtzehn Jahren zu versorgen. Während ihres Krankenhausaufenthaltes blieb der Ehemann der Klägerin von seiner Arbeit als Mineur zu Hause und nahm sich Urlaub. Die Klägerin hat mit ihrem Mann nur allgemein besprochen, daß er für den Verbrauch dieser Urlaubstage eine Entschädigung von ihr bekommt, falls die Versicherung des getöteten Radfahrers Ersatzleistungen erbringt, ohne daß die Höhe fixiert wurde.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß wohl den getöteten Radfahrer, nicht aber die Klägerin ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Das Klagebegehren sei daher dem Grunde nach berechtigt. Der Klägerin gebühre ein angemessenes Schmerzengeld von S 120.000,--. Da die Klägerin keine Ersatzkraft gegen Entgelt zur Verrichtung ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter eingesetzt und auch ihr Ehemann nicht unbezahlten Urlaub genommen habe, seien durch seinen Einsatz keine gesonderten Kosten entstanden, sodaß ihr Begehren auf Zahlung von "Aushilfskosten" von S 15.000,-- nicht zu Recht bestehe. Der der Klägerin vom Erstgericht zugesprochene Betrag von S 142.483,10 setzt sich wie folgt zusammen:
Schmerzengeld S 120.000,--
Verunstaltungsentschädigung S 50.000,--
Fahrzeugschaden S 20.792,19
Besuchskosten S 552,--
S 191.344,19
abzüglich der geleisteten Zahlung von S 48.861,--
S 142.483,19
(Zugesprochen wurde ein Betrag von S 142.483,10).
Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung
bekämpft.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Klägerin nicht, der der Beklagten teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes (unter Einbeziehung seines unangefochten gebliebenen Teiles und des Teilanerkenntnisurteiles vom 3. Oktober 1984 ON 5) dahin ab, daß es der Klägerin einen Betrag von S 62.035,12 s.A. zusprach und ihrem Feststellungsbegehren in Ansehung von zwei Dritteln ihrer künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall stattgab, das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 181.156,07 s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren aber abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung abweichend vom Erstgericht fest, daß Josef S*** beim Zusammenstoß mit dem PKW der Klägerin die Windschutzscheibe möglicherweise nicht durchschlagen hätte, wäre der Zusammenstoß mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h oder knapp darunter erfolgt. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß eine solche Kollisionsgeschwindigkeit an den Verletzungen der Klägerin nichts geändert hätte. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes. Rechtlich führte es im wesentlichen aus, gemäß § 7 Abs. 1 EKHG sei § 1304 ABGB anzuwenden, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt habe. Auch die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges führe zu einer Belastung des Geschädigten, wenn sie auf seiner Seite wirksam werde. Dies gelte unabhängig davon, ob auf Seiten des Schädigers eine Gefährdungshaftung oder Verschuldenshaftung vorliege. Demnach müsse sich der geschädigte Halter die mitwirkende Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges auf seinen Schaden anrechnen lassen. Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges wirke schon dann bei der Entstehung eines Schadens mit, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Unfall beim Betrieb dieses Kraftfahrzeuges und dem Schaden bestehe. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis, daß eine vom PKW der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr an deren Verletzung beteiligt gewesen sei, schon damit erbracht, daß sich die Klägerin ihre Verletzungen durch einen Unfall beim Betrieb ihres PKW zugezogen habe.
Um eine Kürzung ihrer Schadenersatzansprüche gemäß § 7 Abs. 1 EKHG in Verbindung mit § 1304 ABGB abzuwenden, hätte also die Klägerin gemäß § 9 EKHG den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses führen müssen. Das Versagen der Bremsen falle jedoch gemäß § 9 Abs. 1 EKHG von vornherein nicht unter diesen Haftungsbefreiungsgrund. Inwieweit sich die Klägerin durch den Nachweis, daß sie auch bei einwandfrei funktionierenden Bremsen verletzt worden wäre, von der eigenen Halterhaftung befreien könne, sei nicht zu untersuchen, weil ein solcher Nachweis nach der konkreten Sachlage nicht erbracht worden sei. Es sei nicht erwiesen, daß die Windschutzscheibe ihres PKW auch bei einer Geschwindigkeit von weniger als 40 km/h zerbrochen wäre und daß sie bei einer geringeren Anstoßgeschwindigkeit dieselben Verletzungen erlitten hätte.
Demnach stünden sich bei der Abwägung der Haftungskriterien eine grobe Vorrangverletzung des getöteten Josef S*** und die vom PKW der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr gegenüber. Zu berücksichtigen sei, daß ein auch nur teilweises Versagen der Bremsen die Betriebsgefahr eines PKW deutlich erhöhe. Die Schadensteilung habe auch diesen Umstand zu berücksichtigen. Eine Vernachlässigung der vom PKW der Klägerin ausgehenden Betriebsgefahr komme daher nicht in Betracht. Es erscheine vielmehr gerechtfertigt, die Schadenersatzansprüche der Klägerin wegen der von ihr zu verantwortenden Betriebsgefahr ihres PKW um ein Drittel zu kürzen. Die Verletzung der Klägerin sei zwar schwer und mit bleibenden psychischen Belastungen verbunden, habe aber andererseits zu keinen besonders starken oder lang andauernden physischen Schmerzempfindungen geführt. Der zugegebenermaßen beträchtlichen psychischen Belastung der Klägerin sei daher mit einem globalen Schmerzengeld von S 120.000,-- zutreffend Rechnung getragen. Was die Arbeitsleistungen des Ehegatten der Klägerin bei der Führung des Haushaltes betreffe, komme dessen Entlohnung gleich einer fremden Hilfskraft nicht in Frage. Als Rechtsgrund dieses Entlohnungsanspruches habe die Klägerin angegeben, daß ihre Ehemann durch die notwendige Mithilfe im Haushalt einen Verdienstentgang erlitten habe, den sie ihm vereinbarungsgemäß ersetzen müsse. Tatsächlich könnte der fragliche Schadenersatzanspruch nur auf die eigene Erwerbsminderung und den damit verbundenen Verdienstentgang der Klägerin gestützt werden. Er wäre nach Art und Umfang ihrer Hausfrauentätigkeit und den (fiktiven) Kosten einer Ersatzkraft zu bemessen. Dafür reichten die Behauptungen der Klägerin und die Feststellungen des Erstgerichtes nicht aus. Ebensowenig erwiesen sei eine Entlohnungsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Mann. Im übrigen gebe der Verdienstentgang des Mannes keinen Maßstab für den Schadenersatzanspruch der verletzten Hausfrau, die in der Führung des Haushalts und in der Pflege der Kinder beeinträchtigt sei. Dem Mann selbst stehe kein Entschädigungsanspruch zu. Daß eine fremde Haushaltshilfe täglich S 400,-- zuzüglich Verpflegung gekostet hätte, sei eine in der Berufung vorgebrachte Neuerung, da sich die Klägerin bisher immer nur darauf gestützt habe, für einen Verdienstentgang ihres Mannes aufkommen zu müssen. Auch wenn es als gerichtsbekannt vorauszusetzen wäre, daß eine fremde Haushaltshilfe derartige Kosten verursacht, habe daher die rechtliche Beurteilung des Streitfalles bei der Feststellung über den angeblichen Verdienstentgang des Ehemannes der Klägerin und deren angeblicher Ersatzpflicht anzusetzen. Diese tatsächliche und rechtliche Festlegung sei eindeutig und für das Gericht bindend gewesen.
Der der Klägerin vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag von S 62.035,12 setzt sich wie folgt zusammen:
Schmerzengeld S 120.000,--
Verunstaltungsentschädigung S 25.000,--
Fahrzeugschaden S 20.792,19
Besuchskosten S 552,--
S 166.344,19
davon zwei Drittel S 110.896,12
abzüglich der geleisteten Zahlung von S 48.861,--
S 62.035,12.
Die Abweisung eines Leistungsmehrbegehrens von S 181.156,07 s.A. durch das Berufungsgericht erfaßt ziffernmäßig nicht das gesamte nach Abzug dieses Zuspruches noch offene Leistungsbegehren (S 258.191,19 - S 62.035,12 = S 196.156,07); dies wurde aber im Rechtsmittel der Klägerin nicht gerügt.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft es aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß unter Zugrundelegung ihres Alleinverschuldens die beklagte Partei schuldig sei, der Klägerin aus dem Titel des Schmerzengeldes einen weiteren Betrag von S 100.000,--, aus dem Titel des Verdienstentganges S 15.000,--, aus dem Titel des Fahrzeugschadens weitere S 6.930,73 und aus dem Titel der Besuchskosten weitere S 184,--, sohin insgesamt S 122.114,73 samt 4 % Zinsen seit 10. Februar 1982 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen" und daß ihrem Feststellungsbegehren in Ansehung aller künftiger Schäden aus diesem Verkehrsunfall stattgegeben werde.
Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig und auch sachlich teilweise berechtigt. Vorwegzunehmen ist, daß die Klägerin bei der Formulierung ihres ihr Leistungsbegehren betreffenden Abänderungsantrages einem offensichtlichen Rechenfehler unterlegen ist. Aus ihren Revisionsausführungen in ihrem Zusammenhang ergibt sich eindeutig, was sie mit ihrer Revision erreichen will, nämlich, abgesehen von der vollinhaltlichen Stattgebung ihres Feststellungsbegehrens, den Zuspruch folgender Beträge:
Schmerzengeld S 180.000,--
Verunstaltungsentschädigung (unbe-
kämpft) S 25.000,--
Fahrzeugschäden S 20.792,19
Besuchskosten S 552,--
Entschädigung für Behinderung in der
Haushaltsführung S 15.000,--
S 241.344,19
abzüglich der geleisteten Zahlung von S 48.861,--
S 192.483,19
Zieht man davon den Zuspruch des Berufungsgerichtes von
S 62.035,12 ab, verbleibt eine Differenz von S 130.448,07. Daß die
Klägerin mit ihrer Revision den Mehrzuspruch dieses Betrages
erreichen will, ergibt sich aus ihren Rechtsmittelausführungen mit
voller Deutlichkeit. Es konnte daher trotz des ziffernmäßig
unrichtigen Abänderungsantrages über dieses Rechtsmittel meritorisch
abgesprochen werden, ohne daß es eines Verbessungersverfahrens
bedurfte.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, was
nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).
In ihrer Rechtsrüge gesteht die Klägerin die Richtigkeit der der
Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden (ZVR 1985/32 mwN) Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu, daß sich der geschädigte Halter grundsätzlich die mitwirkende Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges auf seinen Schaden anrechnen lassen muß. Sie gesteht auch ausdrücklich zu, daß sie einen Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 EKHG nicht erbracht hat. Diesbezüglich genügt somit der Hinweis auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes. Die Klägerin versucht in ihrer Rechtsrüge nur darzutun, daß die Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeuges gegenüber dem groben Verschulden des getöteten Radfahrers zu vernachlässigen sei. Dem ist nicht zu folgen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß bei der Abwägung beiderseitigen Verschuldens ein leichtes Verschulden gegenüber besonders grober Fahrlässigkeit derart zurücktritt, daß derjenige, den das größere Verschulden trifft, unter Umständen den ganzen Schaden allein zu tragen hat. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn einem schweren Verschulden eines Beteiligten nur eine Haftung des anderen Verkehrsteilnehmers nach den Bestimmungen des EKHG für eine geringe Betriebsgefahr gegenübersteht (ZVR 1985/32 mwN).
Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen näherte sich die Klägerin mit ihrem PKW der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h. Die Betriebsgefahr eines mit einer solchen Geschwindigkeit fahrenden PKW kann schon an sich nicht als besonders gering eingeschätzt werden. Dazu kommt noch die mangelhafte Wirkung der Bremsen am PKW der Klägerin, die zweifellos eine weitgehende Erhöhung der Betriebsgefahr dieses Fahrzeuges mit sich brachte
(ZVR 1978/231 ua.). Die von der Klägerin zu vertretende Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeuges ist unter diesen Umständen jedenfalls als so groß einzustufen, daß sie gegenüber dem Verschulden des Getöteten (Vorrangverletzung) keinesfalls vernachlässigt werden kann, sondern im Sinne der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichtes eine Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten der Klägerin durchaus rechtfertigt. Mit Recht wendet sich die Klägerin allerdings gegen die Schmerzengeldbemessung der Vorinstanzen.
Nach ständiger Rechtsprechung (E MGA ABGB32 § 1325/209 uva.) ist das Schmerzengeld die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge der Verletzung zu ertragen hat; es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ausgleich für seine Leiden und statt der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Für seine Bemessung sind die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach deren Gesamtbild, die Schwere der Verletzung sowie die Schwere der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes maßgebend (ZVR 1983/125 uva.). Auf seelische Schmerzen ist in angemessener Weise Bedacht zu nehmen, wenn nach der Lage des Falles mit solchen zu rechnen ist (ZVR 1980/102 uva.).
Im vorliegenden Fall stehen nicht so sehr die der Klägerin zugefügten körperlichen Schmerzen im Vordergrund; von erheblich höherem Gewicht ist der Umstand, daß sie das linke Auge verloren hat und gezwungen ist, an seiner Stelle eine Augenprothese zu tragen. Dadurch und durch die zurückgebliebenen Narben ist die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht nur erheblich entstellt; sie muß auch fernerhin mit den mit dem Tragen der Augenprothese verbundenen Beschwerden rechnen und auch die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Sehkraft des ihr verbliebenen Auges in Betracht ziehen. Gerade diese seelische Belastung der Klägerin durch die Unfallsfolgen läßt das ihr durch die Vorinstanzen zuerkannte Schmerzengeld von (ungekürzt) S 120.000,-- nicht als hinreichend erscheinen, um damit die Folgen der ihr zugefügten Körperverletzung im Sinne obiger Rechtsausführungen in angemessener Weise abzugelten. Der von der Klägerin in ihrer Revision verlangte Betrag von S 180.000,-- (ungekürzt) erscheint vielmehr nach Ansicht des erkennenden Senates zur Abgeltung ihrer Verletzungsfolgen durchaus angemessen.
Der Revision der Klägerin kann auch insofern nicht Berechtigung abgesprochen werden, als sie sich gegen die Abweisung ihres Begehrens auf Zuspruch von "Aushilfskosten" wendet. In ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird im Fall der Verletzung einer haushaltsführenden Ehefrau dieser ein Ersatzanspruch für die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit zuerkannt. Es handelt sich hier um keine abstrakte Rente, sondern um eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang. Ein derartiger Ersatzanspruch ist auch dann zu bejahen, wenn eine verletzte Hausfrau sich tatsächlich keiner bezahlten Hilfskraft bedient, sondern ihre Behinderung durch einen Mehraufwand von Zeit und Mühe überwindet oder in anderer Weise Abhilfe schafft (ZVR 1984/322 mwN). Einen derartigen Ersatzanspruch machte die Klägerin im Verfahren erster Instanz offensichtlich geltend, wenn sie für die Zeit vom Unfall bis 31. Mai 1981 unter Hinweis auf ihre behauptete Beeinträchtigung in der Führung des ehelichen Haushaltes während dieses Zeitraumes den Zuspruch eines Betrages von S 15.000,-- begehrte.
Ausschlaggebend für die Höhe dieses Ersatzanspruches ist allerdings nicht der Entgang, den der Ehemann durch die Übernahme der Pflichten der verletzten Hausfrau in seinem Erwerb erleidet, sondern die Art und das Ausmaß der von der Ehefrau im Haushalt und für die Pflege ihrer Kinder erbrachten Leistungen, an deren Erbringung sie durch den Unfall gehindert war, sowie die Kosten einer erlangbaren Ersatzkraft (ZVR 1977/111 ua.).
Wenn daher die Klägerin zur Begründung der Höhe ihres diesbezüglichen Ersatzanspruches im Verfahren erster Instanz Behauptungen über einen angeblichen Verdienstentgang ihres Gatten und eine von ihr übernommene Verpflichtung, ihm diesen Verdienstentgang zu ersetzen, aufstellte, handelte es sich in Wahrheit um ein Vorbringen, daß mit der Höhe des ihr zustehenden Ersatzanspruches nichts zu tun hatte. Dies berechtigte aber die Vorinstanzen nicht zur sofortigen Abweisung des diesbezüglichen Klagebegehrens; das Erstgericht hätte vielmehr im Sinne des § 182 ZPO die Klägerin zur sachgemäßen Ergänzung ihres Vorbringens anleiten müssen. Erst wenn nach Erfüllung dieser Prozeßleitungspflicht das Vorbringen der Klägerin nicht ausgereicht hätte, um den geltend gemachten Anspruch zu begründen, hätte das diesbezügliche Klagebegehren abgwiesen werden dürfen (vgl. SZ 52/122; EvBl. 1986/141 ua.).
Im umfang der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 10.000,-- s.A. (zwei Drittel des von der Klägerin verlangten Betrages von S 15.000,-- für ihre Behinderung in der Haushaltsführung) erweist sich daher das Verfahren als ergänzungsbedürftig. In diesem Umfang waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, das im fortgesetzten Verfahren die für die Beurteilung dieses Ersatzanspruches der Klägerin im Sinne obiger Ausführungen maßgeblichen Umstände nach Erörterung mit den Parteien näher zu klären und auf einer solcherart ergänzten Grundlage - allenfalls unter Heranziehung des § 273 ZPO - die Höhe dieses Anspruches der Klägerin zu bestimmen haben wird.
Zusammenfassend ergibt sich:
Der Klägerin können bereits jetzt folgende Beträge zugesprochen
werden:
Schmerzengeld S 180.000,--
Verunstaltungsentschädigung (unbe-
kämpft) S 25.000,--
Besuchskosten S 552,--
Reparaturkosten S 20.792,19
S 226.344,19
davon zwei Drittel S 150.896,12
abzüglich der geleisteten Zahlung von S 48.861,--
S 102.035,12
Hinsichtlich eines Betrages von S 10.000,-- (zwei Drittel des von der Klägerin für ihre Behinderung in der Haushaltsführung verlangten Betrages von S 15.000,--) ist die Rechtssache noch nicht spruchreif.
Das übrige Leistungsbegehren der Klägerin (soweit darüber vom Berufungsgericht entschieden wurde) ist abzuweisen. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über das Feststellungsbegehren ist zu bestätigen.
Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision der Klägerin wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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