OGH 11Os124/87

OGH11Os124/8720.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl K*** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. Juli 1987, GZ 11 Vr 1.272/87-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die Schuld wird zurückgewiesen.

Mit seiner Strafberufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.September 1965 geborene Ballettschüler Karl K*** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, Anfang 1987 in Graz das entblößte Glied des 15jährigen Daniel Mario F*** mit einer Hand ergriffen und daran onaniert zu haben, während er sich selbst mit der anderen Hand befriedigte.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Schuldberufung und im Strafausspruch mit "Strafberufung" bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt, soweit sie Begründungsmängel releviert, Berechtigung zu.

Im vorliegenden Fall wurden die Feststellungen zum Tatvorwurf allein auf die Aussage des Daniel Mario F*** gestützt und dementsprechend die Einlassungen des Angeklagten, der leugnete, die Tat begangen zu haben, für widerlegt erachtet (S 66 dA). Das Schöffengericht ging dabei von der Annahme aus, daß der genannte Zeuge im wesentlichen stets gleichlautende Angaben machte und daß er "vor allem auch ... den Angeklagten, von dem er nur den Vornamen wußte, bei seiner polizeilichen Einvernahme genauestens beschreiben, identifizieren und sich an die Äußerung des Angeklagten: 'Mein Vater pflegte schon zu sagen, etwas bi schadet nie!' erinnern konnte" (S 66 dA).

Zwar wird auf die offenkundige Schwäche dieser Begründung, die sich aus der Tatsache ergibt, daß der Zeuge den Angeklagten auch schon vor der Tat und damit auch vor seiner polizeilichen Vernehmung aus persönlichen Begegnungen und Gesprächen kannte (vgl. S 54 und 55 dA) und daß die erwähnte Äußerung des Angeklagten nur vom Zeugen selbst bekundet, vom Angeklagten aber in Abrede gestellt wird (vgl. S 11 ff und S 54 dA), in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingegangen, sie sei daher nur am Rande vermerkt.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer aber eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend, wenn er behauptet, das Erstgericht habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, daß Daniel Mario F*** in einem mit einem unbeteiligten (etwa 2 Jahre jüngeren) Knaben (Georg R***) über homosexuelle Handlungen geführten Gespräch das den Gegenstand des Schuldspruches bildende Verhalten verneinte. Das Erstgericht erwähnt wohl diesen Umstand und führt ihn auf jugendliches Schamgefühl zurück, "zumal Daniel Mario F*** ein derartiges gleichgeschlechtliches Erlebnis noch nie hatte und zum Ausdruck brachte, den Vorfall vergessen zu wollen" (S 66 dA). Diese Erwägungen stehen aber mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ohne weiteres in Einklang, wenn berücksichtigt wird, daß - nach der Darstellung des Zeugen Georg R*** - Daniel Mario F*** selbst es war, der den Vorfall ins Gespräch brachte (S 59 dA). Um dem Vorwurf einer Scheinbegründung zu entgehen, hätte das Erstgericht daher darlegen müssen, wie es im gegebenen Zusammenhang über das zuletzt erwähnte Verfahrensergebnis hinwegkam.

Ebenso ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, wenn er bemängelt, es sei im Urteil unerörtert geblieben, daß der Zeuge Daniel Mario F*** seiner Mutter den "Vorfall mit dem Angeklagten ... ausführlich erzählt" haben will (S 56 dA), die Mutter, Maria F***, indes ausdrücklich bekundete, ihr Sohn habe ihr von homosexuellen Handlungen nichts berichtet, sondern nur erwähnt, am Knie angegriffen worden zu sein (S 57 dA). Auch dieses Ergebnis des Beweisverfahrens wäre nämlich an sich unter Umständen geeignet, den Angeklagten zu entlasten.

Daraus folgt, daß die in der Beschwerdeschrift gerügten Fehler bei der Urteilsabfassung einen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO abgeben und damit die Nichtigkeit des Urteiles bewirken.

Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei auf das übrigen Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden brauchte. Da der österreichischen Strafprozeßordnung eine Schuldberufung gegen Urteile von Schöffengerichten fremd ist, war dieses Rechtsmittel zugleich zurückzuweisen.

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten und durch die Urteilsaufhebung gegenstandlos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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