Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 1. Mai 1954 vor dem Standesamt Zwentendorf ihre beiderseits erste Ehe geschlossen. Der Ehe entstammt eine volljährige Tochter; ein Sohn ist verstorben. Die Streitteile begehrten die Scheidung der Ehe jeweils aus dem Verschulden des anderen Teiles. Die Klägerin und Widerbeklagte (kurz Klägerin) warf dem Beklagten und Widerkläger (kurz Beklagten) grundloses Verlassen, Ehebruch und Unterhaltsverletzung vor. Der Beklagte behauptete, die Klägerin sei lieblos, verweigere ihm seit seiner Erblindung den gebotenen Beistand, beschimpfe ihn und unterhalte Beziehungen zu einem anderen Mann. Der Beklagte sei nur wegen der infolge seiner Erblindung erforderlichen Pflegebedürftigkeit zu Theresia S*** gezogen.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten und stellte fest:
Die von Anfang an ausgetragenen Streitigkeiten verliefen wegen des cholerischen Wesens des Beklagten laut und heftig. Der Beklagte warf der Klägerin hiebei vor, sie kümmere sich nicht um den Haushalt, sie sei faul, obwohl die Klägerin sogar auswärts Hilfsarbeiten verrichtete und bei Bauern auf dem Feld arbeitete. Die Klägerin reagierte auf die cholerischen Ausfälle des Beklagten zumeist mit Schweigen, verstand es aber auch, ihn noch mehr zu reizen. Sie nahm es mit der Versorgung der Wäsche und der Essenszubereitung zwar "nicht immer pünktlich und genau", doch hat sie den Haushalt nicht vernachlässigt. Nach einem Kuraufenthalt im Jahre 1971 wandte sich der Beklagte immer mehr anderen Frauen zu und unterhielt auch ehebrecherische Beziehungen. 1974 verbrachte der Beklagte seinen Urlaub allein in Jugoslawien. Dort lernte er Theresia S*** kennen, mit der er sich in der Folge immer häufiger traf; 1975 kam es erstmals zum Geschlechtsverkehr. Seither unterhalten die Beiden geschlechtliche Beziehungen. Infolge dieser außerehelichen Beziehung schritt die Zerrüttung der Ehe immer mehr fort. Um das Jahr 1976 beendeten die Streitteile ihre geschlechtlichen Beziehungen. Der Beklagte versuchte zunächst, sein ehebrecherisches Verhältnis geheimzuhalten, durch Zufall gelangte es jedoch der Tochter der Streitteile und - wesentlich später - auch der Klägerin, die zunächst nur auf Vermutungen angewiesen war, zur Kenntnis. Infolge der Zerrüttung vernachlässigte die Klägerin die häusliche Obsorge für den Beklagten, während dieser der Klägerin immer weniger Unterhalt leistete.
Seit 1979/80 leidet der Beklagte an grünem Star, der zu seiner völligen Erblindung führte. 1983 versuchte die Klägerin mit Hilfe ihrer Tochter, eine Versöhnung herbeizuführen, der Beklagte lehnte aber mit dem Hinweis ab, er wolle nicht zwischen zwei Sesseln sitzen. Im Herbst 1984 zog der Beklagte schließlich aus der ehelichen Gemeinschaft aus und wohnt seither in Lebensgemeinschaft mit Theresia S***. Die Klägerin hat 1979 einmal mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt. Ein ehebrecherisches Verhältnis mit Franz M*** ist nicht erwiesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der fortdauernde Ehebruch des Beklagten und seine Abwendung von der Klägerin hätten die Zerrüttung der Ehe ausgelöst. Auch der Ehebruch der Klägerin stelle aber eine schwere Eheverfehlung dar. Bedenke man jedoch, daß die Klägerin immerhin die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft versucht habe, müsse das Verschulden des Beklagten als überwiegend beurteilt werden.
Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Beklagten lediglich wegen unrichtiger und unvollständiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung und im Kostenpunkt erhobenen Berufung nicht Folge, übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen mit Ausnahme jener, daß die Klägerin bei Versorgung der Wäsche und der Essenszubereitung "nicht immer pünktlich und genau" gewesen sei, und führte ferner aus, daß auch die vom Beklagten begehrten Feststellungen keinen für ihn günstigeren Verschuldensausspruch zeitigen könnten. Der einmalige Ehebruch der Klägerin stehe zu der langdauernden ehebrecherischen Beziehung des Beklagten zu Theresia S***, die zur Beendigung der ehelichen Beziehungen und zum Auszug des Beklagten geführt, das lieb- und interesselose Verhalten der Klägerin ausgelöst und die Ehe schließlich zum Scheitern gebracht habe, in keinem Verhältnis. Der Beklagte könne sich durch den erstinstanzlichen Verschuldensspruch nicht beschwert erachten. Eine Auseinandersetzung "damit" habe aber mangels gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge zu entfallen.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 50/152; RZ 1977/65 u.v.a.) kann der Revisionswerber, hat er seine Berufung nicht auch auf den Anfechungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt, die von ihm versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachtragen. Dies gilt auch für das Eheverfahren (EvBl. 1967/64). Die vom Beklagten in seiner Revision zitierte Entscheidung (SpR 37 neu = SZ 26/312) hatte eine andere verfahrensrechtliche Frage zum Gegenstand.
Der Beklagte hat allerdings in seiner Berufung neben unrichtiger Beweiswürdigung nicht bloß unrichtige, sondern auch unvollständige Tatsachenfeststellung geltend gemacht. Das könnte im vorliegenden Fall von Bedeutung sein, weil die Rüge von Feststellungsmängeln als Bekämpfung der Sachbeurteilung aufzufassen ist, so daß der Revisionswerber, hat er - etwa in der Beweisrüge - Feststellungsmängel infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht geltend gemacht, auch noch die berufungsgerichtliche Sachbeurteilung bekämpfen kann (5 Ob 13/83). Der Beklagte verlangte in seiner Berufung unter diesem Gesichtspunkt aufgrund der Aussage der gemeinsamen Tochter der Streitteile zusätzliche Feststellungen, durch die seinen Behauptungen zufolge die Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens zu seinen Gunsten verändert werden würde. Diese Rüge war jedoch nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Aussage der Zeugin in diesem Umfang keine Wahrnehmung über streiterhebliche Tatsachen, sodern lediglich rechtliche Wertungen beinhaltete, zu welchen Zeugen jedoch nicht berufen sind. Wurde die Rechtsrüge an die Vorinstanz jedoch nicht gesetzmäßig ausgeführt, so ist dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung des berufungsgerichtlichen Urteiles in rechtlicher Hinsicht ebenso verwehrt, wie wenn der Revisionswerber in der Berufung eine Rechtsrüge überhaupt nicht ausgeführt hätte (EvBl. 1967/64 u.v.a.).
An diesem Ergebnis kann auch der Umstand, daß das Berufungsgericht trotzdem in sein Urteil Rechtsausführungen aufgenommen hat (ON 25, S.9), nichts ändern (EvBl. 1954/345 u.v.a.). Der Revision war schon deshalb ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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