OGH 11Os108/87

OGH11Os108/876.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer in der Strafsache gegen Erhard N*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 (zweiter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Februar 1987, GZ 12 f Vr 8.633/85-73, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten Erhard N*** und des Verteidigers Dr. Fried zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Zusatzstrafe

auf

20 (zwanzig) Monate

herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.September 1949 geborene Erhard N*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt, weil er in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Auftreten als rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Darlehensnehmer, bzw. als zahlungsfähiger und zahlungswilliger Mieter unter Verschweigen seiner finanziellen Situation (A) in der Zeit vom 29. November 1977 bis 21.Februar 1978 Angestellte der G*** Real- und Personalkreditbank AG zur Gewährung mehrerer Darlehen in der Höhe zwischen 18.000 S und 300.000 S, insgesamt von 1,747.000 S, und (B) am 3.Dezember 1979 Angestellte der EBV-Autoleasing GesmbH & Co KG zur Vermietung und Ausfolgung eines PKWs BMW 320 im Wert von 135.700 S zu einem monatlichen Mietzins von 4.259 S gegen Leistung einer Kaution von 8.518 S verleitet hatte, wodurch die genannten Unternehmen einen 100.000 S übersteigenden Vermögensschaden erlitten. Erhard N*** bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Keiner dieser Nichtigkeitsgründe liegt jedoch vor.

§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO

Die im Urteil zum Schuldspruch A/ getroffene Feststellung, daß der Angeklagte bereits vor der ersten Kreditaufnahme schwer verschuldet gewesen war, entspricht seiner Verantwortung, derzufolge er nach seiner Haftentlassung am 2.September 1977 (also nicht ganz drei Monate vor der ersten Darlehensaufnahme) Schulden in der Höhe von 1 Million Schilling hatte und schon im Februar 1978 den Konkurs hätte anmelden sollen (Band I/ ON 5, S 241, 244; Band II/ ON 72, S 93, 99 d.A). Deshalb und weil zwischen der Fälligkeit von Schulden und ihrer exekutiven Eintreibung naturgemäß eine nicht geringe Zeitspanne verstreicht - dem Inhalt der Exekutionsakten und der Verantwortung des Angeklagten (Band II/ ON 72 S 96 d.A) nach wurden einige der Exekutionstitel sogar Jahre zuvor begründet -, ist es hier irrelevant, ob der Angeklagte (nach der erwähnten Entlassung aus der Haft) schon bei Aufnahme der ersten drei Darlehen von 75.000 S, 160.000 S und 49.000 S am 29.November und 15.Dezember 1977 bzw. 20.Jänner 1978 oder erst später, nämlich ab 25.Jänner 1978, von Exekutionen bedrängt wurde (vgl Band I/ ON 14 d.A, wonach die Exekutionsführungen am 25.Jänner 1978 !wieder einsetzten). Ebensowenig entscheidend ist es, ob die mängelfrei festgestellte schlechte finanzielle Situation des Angeklagten durch das Unvermögen, den Mietzins für das Geschäftslokal des von ihm betriebenen Fliesenhandels und die Kosten von Professionistenarbeiten zu zahlen, auch schon vor oder erst ab November 1977 verstärkt zu Tage trat, sowie ob und inwieweit der Angeklagte frühere Kredite, die er noch vor seiner Haft bei der G*** GesmbH aufgenommen hatte, in der Zeit danach zurückzahlte. Das Wissen des Angeklagten um die Säumigkeit mit den Mietzinszahlungen und den Zahlungen an die Handwerker stellte das Erstgericht ohnedies nur in bezug auf die letzte Darlehensaufnahme vom 21.Februar 1978 fest (Band II/ S 110 d.A). Allerdings fällt das Unterbleiben der Mietzinszahlungen (November 1977 bis einschließlich Jänner 1978) gerade in den (Delikts-)Zeitraum der inkriminierten Darlehensaufnahmen (vgl auch die Akten 4 C 144/78 des Bezirksgerichtes Döbling).

Der - formal verfehlt in einer der Rechtsrügen (Z 9 lit a) aufscheinende - Beschwerdeeinwand, eine Täuschung der G*** GesmbH über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten sei ausgeschlossen, weil die Vorkredite bekannt waren, ist nicht zielführend, wenn, wie der Angeklagte behauptet (vgl auch die Aussagen des Zeugen Dr.P***, Band II/ ON 55, S 34 d.A), der Zahlungsverpflichtung aus diesen früheren Krediten nachgekommen wurde.

Auch die in der Beschwerde als mit den Beweisergebnissen im Widerspruch stehend gerügte Urteilsannahme, der Angeklagte habe durch Verwendung der Firmennamen "N***, Ingrid E*** GesmbH" und "K***, Ingrid E*** GesmbH" verschiedene Kreditnehmer vorgetäuscht (vgl Band II/ S 108 d.A), betrifft keine entscheidende Tatsache, weil dem Angeklagten ja schuldspruchmäßig jeweils die Vortäuschung seiner (eigenen) Zahlungsfähigkeit und seines (eigenen) Zahlungswillens zur Last liegt.

Die Feststellung zum Schuldspruch B/, wonach der Angeklagte N*** bei Vertragsabschluß nicht beabsichtigte, die Leasing-Raten - außer der ersten Rate und der Kaution für weitere zwei Raten - zu bezahlen, sondern sich mit dem PKW ins Ausland begeben wollte, leitet das Erstgericht - was die Beschwerde übergeht - ersichtlich nicht bloß aus dem seit 13.Juli 1979 drohenden Vollzug einer über ihn wegen schweren Betruges verhängten Freiheitsstrafe von neun Monaten, sondern auch aus dem Fehlschlagen von Versuchen zur Beseitigung seines hohen Schuldenstandes sowie daraus ab, daß er sich tatsächlich ins Ausland absetzte (Band II/ S 110, 118 f d.A). Diese - denkrichtige und

lebensnahe - Schlußfolgerung ist der Beschwerdeauffassung zuwider durch die Verfahrensergebnisse gedeckt. Eine Erörterung der Angaben des Zeugen R*** über die Höhe des Monatseinkommens des Angeklagten zur Zeit der Mietung des PKWs (Band I/ ON 8, S 274, Band II/ ON 72 S 99 d.A) war - entgegen dem in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen, sachlich als Vorwurf eines Begründungsmangels (Z 5) aufzufassenden Beschwerdeeinwand - entbehrlich, zumal der Angeklagte seinen Einlassungen zufolge seine Zahlungsunfähigkeit spätestens im Dezember 1979, also zur Zeit der Mietung des PKW, erkannt hatte (Band I/ ON 5, S 245, S 121 in ON 10, Band II/ON 72 S 93, 99 d.A). Die Mängelrüge ist somit teils unbegründet und teils, soweit sie nach Art einer - im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässigen - Schuldberufung darauf abzielt, darzutun, daß das Erstgericht aus den Verfahrensergebnissen auch andere Schlüsse ziehen hätte können, nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a und 10 StPO

Gleiches gilt für die Rechtsrüge, insofern damit die Tatbeurteilung als Vergehen der fahrlässigen Krida

(§ 159 StGB) - statt als Betrug -, zumindest aber der Wegfall der Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung des schweren Betruges (§ 148, 2. Fall, StGB) angestrebt wird. Das bezügliche Vorbringen negiert nämlich die gegenteiligen Feststellungen des Schöffengerichtes, denen zufolge der Angeklagte mit Irreführungs- und Schädigungsvorsatz sowie in der Absicht (§ 70 StGB) handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (siehe insbes Bd II/ S 107 und 119 d.A). Angesichts dieser Urteilsfeststellungen verschlägt es nichts, wenn an einigen Stellen des Urteils der Betrugsvorsatz des Beschwerdeführers mit der Beifügung des "Wissen-müssens" (zB Band II/ S 111, 115, 117 d.A) bedacht wurde. Im Hinblick darauf, daß im übrigen der zur Tatbegehung nötige Vorsatz eindeutig festgestellt ist, kann diese Ausdrucksweise nur als Bekräftigung der entsprechenden Überlegungen des Erstgerichtes verstanden werden. Entgegen dem - unrichtig in der Mängelrüge (Z 5)

erhobenen - Einwand von Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) enthält das Ersturteil ohnehin die vom Beschwerdeführer vermißten Konstatierungen über die sogenannte "Besicherung" einzelner Darlehen durch Übergabe der Typenscheine von Kraftfahrzeugen, welche auch in die erstgerichtlichen Erwägungen zur subjektiven Tatseite des Betruges miteinbezogen wurden (Band II/ S 106 ff d.A).Davon abgesehen verkennt der Beschwerdeführer, daß die bloße Übergabe eines Typenscheines (oder sonstiger sogenannter Fahrzeugpapiere) nicht nur kein gültiges Pfandrecht (im Sinn des § 452 ABGB - siehe die ENr 21 ff hiezu MGA 1985) begründet, sondern daß durch die Belassung des entsprechenden Kraftfahrzeuges in der tatsächlichen Verfügungsmacht des Schuldners oder eines Dritten - wie dies vorliegend zutraf - bei Säumnis des Schuldners für den Gläubiger keine vom Willen eines anderen unabhängige Realisierung der Darlehensforderung gewährleistet ist und es demnach von vornherein an den Voraussetzungen einer die Schädigung ausschließenden sogenannten unmittelbaren Schadenskompensation (wie etwa durch Pfandrecht, Kaution oder Bürgschaft, falls diese Sicherheiten zur Deckung ausreichen - vgl Kienapfel BT II RN 160, 162, 170 zu § 146 StGB ua) mangelt.

Der weitere Einwand von Feststellungsmängeln zur Schadenshöhe im Schuldspruch B/ schließlich hält erneut nicht am Urteilssachverhalt fest, demzufolge dem Angeklagten als Schade die - wenngleich ziffernmäßig nicht ausgeworfenen - Mietzinse für den PKW (und nicht dessen Wert) angelastet werden (S 119/II. Bd). Das Unterbleiben einer Feststellung der ziffernmäßigen Höhe der - jedenfalls für mehrere Monate - aushaftenden Mietzinse schadet nicht, weil dieser Betrag ohne Einfluß auf die rechtliche Qualifikation der vom Angeklagten begangenen mehreren Taten (§ 29 StGB: Zusammenrechnungsprinzip) als Verbrechen des schweren Betruges nach dem § 147 Abs. 3 StGB ist. Der - übrigens sehr

verspäteten - Rückstellung des Fahrzeugs kommt nur noch der Charakter einer für die Lösung der Rechtsfrage nicht mehr bedeutsamen nachträglichen Schadensminderung zu.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 147 Abs. 3 StGB unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.9.1985, AZ 9 b Vr 1514/85, Hv 4963/85, und des Jugendgerichtshofes Wien vom 22.5.1985, AZ 23 U 80/85, eine Zusatzstrafe in der Dauer von 32 Monaten. Es wertete dabei als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die doppelte Verbrechensqualifikation, berücksichtigte in dieser Hinsicht aber auch die Schadenshöhe und die Ausnützung der (schuldlosen) Lebensgefährtin, die auf Grund von Mithaftungserklärungen nun zur Rückzahlung der Kredite herangezogen wird. Als mildernd wurde dem Angeklagten nur sein Wohlverhalten während der letzten sieben Jahre zugute gehalten.

Die Berufung zielt auf eine Herabsetzung der Zusatzstrafe ab. Dieses Begehren ist berechtigt.

Neben dem bereits vom Erstgericht in Rechnung gestellten längeren Wohlverhalten kommt dem Angeklagten nämlich noch eine teilweise Schadensgutmachung im Urteilsfaktum B und das leichtfertige Entgegenkommen der Geschädigten bei Gewährung der Darlehen zustatten, das auch die vom Erstgericht herangezogenen generalpräventiven Bedenken weitgehend in den Hintergrund rückt. Da nach Lage des Falles zudem ausreichende Grundlagen fehlen, um von einem (bösartigen) Ausnützen der Lebensgefährtin durch den Angeklagten im Sinn eines ihm gesondert zuzurechnenden erschwerenden Umstandes sprechen zu können, war eine Herabsetzung der Zusatzstrafe auf 20 Monate geboten.

Die Kostenentscheidung findet in der angeführten Gesetzesstelle ihre Begründung.

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