Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses vorläufig, die beklagte Partei die Kosten des Rekurses und der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
In einem 16 Seiten starken Prospekt, der Anfang Mai 1987 als Haushaltspostwurfsendung in Graz verteilt wurde, kündigte die Beklagte für den 11. Mai 1987 die Eröffnung des "H***-Hauses in Graz" an. In der linken oberen Ecke der Seite 5 befand sich folgendes Angebot:
"Olympus OM 707 Autofocus-
Spiegelreflexkamera
mit Programmautomatik, manuelle
Scharfeinstellmöglichkeit, Belichtungsmeßsystem,
Blitzsteuerung, Filmeinlege-, Filmtransport- und
Filmrückspulautomatik, komplett mit Zoom-
Objektiv 35 bis 70 mm
statt zusammen 10.980
im Set nur 5.980,-"
Auf derselben Seite fanden sich noch andere Werbeankündigungen,
bei denen der Angabe des großgeschriebenen aktuellen Preises teils
die Worte "statt .... nur ....", teils die Worte "statt zusammen
.... im Set nur ...." vorangestellt waren. Links unten sind
kleingedruckt: "Stattpreise sind die
H***-Normal-Verkaufspreise. ..."
Schon am 29. März 1987 hatte die Beklagte in der "Neuen
Kronen-Zeitung" angekündigt:
"Radikaler Preissturz
ab 1. April '87!
.......
H***
Olympus OM 707
Autofocus-Spiegelreflexkamera,
komplett mit Zoom-Objektiv
35 bis 70 mm
statt 14.180,-
nur 7.980,-
Sie sparen 6.200,- ......"
Weiter unterhalb dieses Textes stand kleingedruckt:
"Stattpreise sind die zuletzt gültigen H***-Normalverkaufspreise. Angebote gültig vom 1. April bis 2. Mai".
Mit der Behauptung, die Werbeankündigung vom Mai 1987 sei wahrheitswidrig, weil die Beklagte den Preis der Kamera schon seit 1. April 1987 auf 7.980 S herabgesetzt habe, begehrt der klagende Schutzverband zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, beim Handel mit fotografischem Bedarf "in einem Filialeröffnungsprospekt Waren unter Preisgegenüberstellungswerbung zwischen einem höheren 'H***-Normal-Verkaufspreis' und einem niedrigeren (Eröffnungs-)Verkaufspreis als aktuelle Preisermäßigung anzukündigen, wenn der höhere mit 'statt' bezeichnete oder sonst wie immer entwertete Normalverkaufspreis schon mehr als zwei Wochen vor dieser Ankündigung tatsächlich geringer war als der 'Statt-Preis' in der Preisgegenüberstellung des Filialeröffnungsangebotes". Für den Fall, daß die Beklagte vor der Verteilung ihres Prospektes den Verkaufspreis der Olympus OM 707 kurzfristig wieder erhöht haben sollte, läge dennoch ein Verstoß gegen § 2 UWG, allenfalls - wegen "Preisschaukelei" - auch gegen § 1 UWG vor. Der Kläger stellte deshalb den Eventualantrag, der Beklagten zu verbieten, "den Kaufpreis von Waren, insbesondere von Fotokameras, willkürlich herab- und kurzfristig wieder hinaufzusetzen, um dann mit Preisgegenüberstellungswerbung den Eindruck besonderer Preisvorteile zu erwecken".
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Das Publikum betrachte Flugblätter wie den vorliegenden Prospekt mit größerer Aufmerksamkeit als Zeitungsinserate. Habe jedoch ein Leser die ganze Seite 5 angesehen, dann sei ihm klar gewesen, daß überall dort, wo vor einem Gesamtpreis die Worte "statt zusammen" aufschienen, die "Summe der Sets" gemeint gewesen sei. Die Erläuterung des Begriffes der Stattpreise habe sich, für jeden Interessenten voll klar erkennbar, nur auf solche Preise bezogen, bei denen nicht "statt zusammen", sondern nur "statt" gestanden sei. Auch die beanstandete Werbeaussage habe von den angesprochenen Verkehrskreisen nur dahin verstanden werden können, daß es sich bei dem Betrag von 10.980 S wie bei allen anderen hier angekündigten Sets um die Summe der Einzelpreise und nicht etwa um einen früheren Preis gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der "Bewerbung" des Flugblattes habe die Summe der Einzelpreise des Kameragehäuses und des Zoom-Objektivs tatsächlich 10.980 S ergeben. Auch der Vorwurf einer "Preisschaukelei" sei unberechtigt, weil die Beklagte keineswegs den Verkaufspreis der Olympus OM 707 vor dem Verteilen des Kataloges hinaufgesetzt habe.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Den eingangs wiedergegebenen, unbestritten gebliebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich wie folgt:
Obwohl die Textierung im Eröffnungsprospekt der Beklagten tatsächlich eindeutig erkennen lasse, daß sich der Stattpreis auf den sonst für die Einzelteile verlangten Preis beziehe, sei diese Form der Gegenüberstellung im konkreten Fall dennoch irreführend, werde doch damit suggeriert, daß die Kamera mit dem Zoom-Objektiv bisher nur um einen Gesamtpreis von 10.980 S erhältlich gewesen sei, während sie tatsächlich schon seit mehr als einem Monat um nur 7.980 S verkauft worden sei. Der Umstand, daß die Kamera mit Objektiv in der "Kronen-Zeitung" als Einheit, im Eröffnungsprospekt hingegen als "Set" bezeichnet worden sei - ohne daß hier allerdings Gehäuse und Objektiv getrennt angeführt und bewertet worden wären, wie dies bei den anderen auf derselben Seite als Set angebotenen Kameras geschehen sei - ändere nichts daran, daß es sich in beiden Fällen um einen völlig identischen Artikel handle. Da die Beklagte selbst behaupte, sie habe den Preis der Olympus OM 707 vor der Verteilung des Prospektes nicht hinaufgesetzt, sei davon auszugehen, daß die Kamera in der im Eröffnungsprospekt angebotenen Form schon vorher um 7.980 S verkauft worden sei. Die Beklagte habe demnach gegen § 2 UWG verstoßen.
Das Rekursgericht wies den Sicherungshaupt- und -eventualantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes "60.000" - und damit auch 15.000 S (§ 500 Abs 2 Z 1, § 526 Abs 3, § 527 Abs 1, letzter Satz, ZPO) - nicht aber 300.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe übersehen, daß die Anzeige in der "Kronen-Zeitung" eine generelle Preisherabsetzung der Kombination (Olympus OM 707 komplett mit Zoom-Objektiv) angekündigt habe, in der Postwurfsendung hingegen das Additionsergebnis der Preise der Teile mit dem nunmehrigen Setpreis von 5.980 S verglichen worden sei. Daß in der Fußnote "Statt-preise" als bisherige "H***-Normal-Verkaufspreise" definiert würden, sei "nicht besonders inkriminiert" worden und könne für sich allein einer Information über ein Kopplungsangebot noch nicht den Anschein einer Preisherabsetzung geben. Preisschaukelei komme ebensowenig zum Tragen. Im Verfahren erster Instanz sei nicht behauptet worden, daß das Zoom-Objektiv das einzige Objektiv des Gerätes oder zumindest dessen notwendiger Bestandteil wäre.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, erweckt die
umstrittene Werbeankündigung im Eröffnungsprospekt der
Beklagten - zumindest bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der
angesprochenen Verkehrskreise - den Eindruck, das "Set", bestehend
aus Kamera und Objektiv, das jetzt nur noch 5.980 S koste, habe
bisher 10.980 S gekostet. Daß dies objektiv unrichtig ist, ergibt
sich aus der Anzeige der Beklagten in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom
29. März 1987, in der dasselbe Set - nämlich die gleiche Kamera mit
dem gleichen Objektiv - um 7.980 S angeboten wurde. Die Beklagte hat
nicht behauptet, daß sie - im Gegensatz zum Wortlaut dieses
Inserates - in Wahrheit einen höheren Preis verlangt habe; sie
stellt vielmehr im Gegenteil eine Anhebung des Preises nach dem
29. März 1987 ausdrücklich in Abrede. Ihr Vorbringen, im Zeitpunkt
der "Bewerbung des Flugblattes" habe die Summe der Einzelpreise des
Kameragehäuses und des Objektivs tatsächlich 10.980 S betragen, kann
demnach nur dahin verstanden werden, daß sich diese Preissumme bei
getrenntem Kauf beider Artikel ergeben hätte. Selbst wenn dies
zutreffen sollte, wäre daraus für die Beklagte nichts zu gewinnen,
weil sie dies in ihrer Werbung nicht mit der nötigen Deutlichkeit
zum Ausdruck gebracht hat. Soweit die Beklagte meint, daß bei
genauer Analyse sämtlicher Werbetexte auf derselben Seite des
Prospektes der Unterschied zwischen der Bedeutung des Wörtchens
"statt" und der Worte "statt zusammen" hätte auffallen müssen,
übersieht sie wesentliche Grundsätze des Wettbewerbsrechtes. Danach
kann immer nur jene Bedeutung einer Angabe entscheidend sein, die
sich beim flüchtigen Lesen ergibt; dem Publikum kann nicht zugemutet
werden, besondere Überlegungen oder Nachforschungen anzustellen, um
Sinn und Bedeutung einer geschäftlichen Ankündigung aufzuklären
(Hohenecker-Friedl 24; ÖBl. 1977, 37 uva). Auch von Prospekten, die
jedem Haushalt in einem bestimmten Gebiet zugestellt werden, kann
nicht erwartet werden, daß sie aufmerksam und genau gelesen werden.
Für den Tatbestand des § 2 UWG genügt es, daß durch die Ankündigung
ein nicht ganz unerheblicher Teil des in Frage kommenden
Interessentenkreises zu einer Auffassung kommt, die dem wahren
Sachverhalt nicht entspricht. Bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung muß der Ankündigende immer auch die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (Hohenecker-Friedl 23 f; ÖBl. 1986, 159 mwN).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten, sie habe den in der "Kronen-Zeitung" vom 29. März 1987 - obgleich nur für die Zeit bis 2. Mai 1987 angekündigten - Preis vor der Versendung des Eröffnungsprospektes nicht erhöht, ist auf die Frage, wie die Werbeankündigung wettbewerbsrechtlich zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte einige Tage hindurch tatsächlich den Preis von 10.980 S verlangt hätte, hier nicht einzugehen.
Die Beklagte hat somit durch die beanstandete Werbebehauptung eine zur Irreführung über ihre geschäftlichen Verhältnisse, u.zw. über die Preisbemessung einzelner Waren, geeignete Angabe gemacht (§ 2 UWG).
Demgemäß war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Ausspruch über die Kosten des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 40, 50 ZPO.
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