OGH 4Ob370/87

OGH4Ob370/8729.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U***

W***, 1040 Wien, Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Dr. Friedrich Prunbauer und Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H*** Handelsgesellschaft mbH, 4403 Steyr, Taschelried 20, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 200.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 29. Juli 1987, GZ 6 R 191/87-8, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 26. Juni 1987, GZ 2 b Cg 82/87-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses vorläufig, die beklagte Partei die Kosten des Rekurses und der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

In einem 16 Seiten starken Prospekt, der Anfang Mai 1987 als Haushaltspostwurfsendung in Graz verteilt wurde, kündigte die Beklagte für den 11. Mai 1987 die Eröffnung des "H***-Hauses in Graz" an. In der linken oberen Ecke der Seite 5 befand sich folgendes Angebot:

"Olympus OM 707 Autofocus-

Spiegelreflexkamera

mit Programmautomatik, manuelle

Scharfeinstellmöglichkeit, Belichtungsmeßsystem,

Blitzsteuerung, Filmeinlege-, Filmtransport- und

Filmrückspulautomatik, komplett mit Zoom-

Objektiv 35 bis 70 mm

statt zusammen 10.980

im Set nur 5.980,-"

Auf derselben Seite fanden sich noch andere Werbeankündigungen,

bei denen der Angabe des großgeschriebenen aktuellen Preises teils

die Worte "statt .... nur ....", teils die Worte "statt zusammen

.... im Set nur ...." vorangestellt waren. Links unten sind

kleingedruckt: "Stattpreise sind die

H***-Normal-Verkaufspreise. ..."

Schon am 29. März 1987 hatte die Beklagte in der "Neuen

Kronen-Zeitung" angekündigt:

"Radikaler Preissturz

ab 1. April '87!

.......

H***

Olympus OM 707

Autofocus-Spiegelreflexkamera,

komplett mit Zoom-Objektiv

35 bis 70 mm

statt 14.180,-

nur 7.980,-

Sie sparen 6.200,- ......"

Weiter unterhalb dieses Textes stand kleingedruckt:

"Stattpreise sind die zuletzt gültigen H***-Normalverkaufspreise. Angebote gültig vom 1. April bis 2. Mai".

Mit der Behauptung, die Werbeankündigung vom Mai 1987 sei wahrheitswidrig, weil die Beklagte den Preis der Kamera schon seit 1. April 1987 auf 7.980 S herabgesetzt habe, begehrt der klagende Schutzverband zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, beim Handel mit fotografischem Bedarf "in einem Filialeröffnungsprospekt Waren unter Preisgegenüberstellungswerbung zwischen einem höheren 'H***-Normal-Verkaufspreis' und einem niedrigeren (Eröffnungs-)Verkaufspreis als aktuelle Preisermäßigung anzukündigen, wenn der höhere mit 'statt' bezeichnete oder sonst wie immer entwertete Normalverkaufspreis schon mehr als zwei Wochen vor dieser Ankündigung tatsächlich geringer war als der 'Statt-Preis' in der Preisgegenüberstellung des Filialeröffnungsangebotes". Für den Fall, daß die Beklagte vor der Verteilung ihres Prospektes den Verkaufspreis der Olympus OM 707 kurzfristig wieder erhöht haben sollte, läge dennoch ein Verstoß gegen § 2 UWG, allenfalls - wegen "Preisschaukelei" - auch gegen § 1 UWG vor. Der Kläger stellte deshalb den Eventualantrag, der Beklagten zu verbieten, "den Kaufpreis von Waren, insbesondere von Fotokameras, willkürlich herab- und kurzfristig wieder hinaufzusetzen, um dann mit Preisgegenüberstellungswerbung den Eindruck besonderer Preisvorteile zu erwecken".

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Das Publikum betrachte Flugblätter wie den vorliegenden Prospekt mit größerer Aufmerksamkeit als Zeitungsinserate. Habe jedoch ein Leser die ganze Seite 5 angesehen, dann sei ihm klar gewesen, daß überall dort, wo vor einem Gesamtpreis die Worte "statt zusammen" aufschienen, die "Summe der Sets" gemeint gewesen sei. Die Erläuterung des Begriffes der Stattpreise habe sich, für jeden Interessenten voll klar erkennbar, nur auf solche Preise bezogen, bei denen nicht "statt zusammen", sondern nur "statt" gestanden sei. Auch die beanstandete Werbeaussage habe von den angesprochenen Verkehrskreisen nur dahin verstanden werden können, daß es sich bei dem Betrag von 10.980 S wie bei allen anderen hier angekündigten Sets um die Summe der Einzelpreise und nicht etwa um einen früheren Preis gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der "Bewerbung" des Flugblattes habe die Summe der Einzelpreise des Kameragehäuses und des Zoom-Objektivs tatsächlich 10.980 S ergeben. Auch der Vorwurf einer "Preisschaukelei" sei unberechtigt, weil die Beklagte keineswegs den Verkaufspreis der Olympus OM 707 vor dem Verteilen des Kataloges hinaufgesetzt habe.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Den eingangs wiedergegebenen, unbestritten gebliebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich wie folgt:

Obwohl die Textierung im Eröffnungsprospekt der Beklagten tatsächlich eindeutig erkennen lasse, daß sich der Stattpreis auf den sonst für die Einzelteile verlangten Preis beziehe, sei diese Form der Gegenüberstellung im konkreten Fall dennoch irreführend, werde doch damit suggeriert, daß die Kamera mit dem Zoom-Objektiv bisher nur um einen Gesamtpreis von 10.980 S erhältlich gewesen sei, während sie tatsächlich schon seit mehr als einem Monat um nur 7.980 S verkauft worden sei. Der Umstand, daß die Kamera mit Objektiv in der "Kronen-Zeitung" als Einheit, im Eröffnungsprospekt hingegen als "Set" bezeichnet worden sei - ohne daß hier allerdings Gehäuse und Objektiv getrennt angeführt und bewertet worden wären, wie dies bei den anderen auf derselben Seite als Set angebotenen Kameras geschehen sei - ändere nichts daran, daß es sich in beiden Fällen um einen völlig identischen Artikel handle. Da die Beklagte selbst behaupte, sie habe den Preis der Olympus OM 707 vor der Verteilung des Prospektes nicht hinaufgesetzt, sei davon auszugehen, daß die Kamera in der im Eröffnungsprospekt angebotenen Form schon vorher um 7.980 S verkauft worden sei. Die Beklagte habe demnach gegen § 2 UWG verstoßen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungshaupt- und -eventualantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes "60.000" - und damit auch 15.000 S (§ 500 Abs 2 Z 1, § 526 Abs 3, § 527 Abs 1, letzter Satz, ZPO) - nicht aber 300.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe übersehen, daß die Anzeige in der "Kronen-Zeitung" eine generelle Preisherabsetzung der Kombination (Olympus OM 707 komplett mit Zoom-Objektiv) angekündigt habe, in der Postwurfsendung hingegen das Additionsergebnis der Preise der Teile mit dem nunmehrigen Setpreis von 5.980 S verglichen worden sei. Daß in der Fußnote "Statt-preise" als bisherige "H***-Normal-Verkaufspreise" definiert würden, sei "nicht besonders inkriminiert" worden und könne für sich allein einer Information über ein Kopplungsangebot noch nicht den Anschein einer Preisherabsetzung geben. Preisschaukelei komme ebensowenig zum Tragen. Im Verfahren erster Instanz sei nicht behauptet worden, daß das Zoom-Objektiv das einzige Objektiv des Gerätes oder zumindest dessen notwendiger Bestandteil wäre.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, erweckt die

umstrittene Werbeankündigung im Eröffnungsprospekt der

Beklagten - zumindest bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der

angesprochenen Verkehrskreise - den Eindruck, das "Set", bestehend

aus Kamera und Objektiv, das jetzt nur noch 5.980 S koste, habe

bisher 10.980 S gekostet. Daß dies objektiv unrichtig ist, ergibt

sich aus der Anzeige der Beklagten in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom

29. März 1987, in der dasselbe Set - nämlich die gleiche Kamera mit

dem gleichen Objektiv - um 7.980 S angeboten wurde. Die Beklagte hat

nicht behauptet, daß sie - im Gegensatz zum Wortlaut dieses

Inserates - in Wahrheit einen höheren Preis verlangt habe; sie

stellt vielmehr im Gegenteil eine Anhebung des Preises nach dem

29. März 1987 ausdrücklich in Abrede. Ihr Vorbringen, im Zeitpunkt

der "Bewerbung des Flugblattes" habe die Summe der Einzelpreise des

Kameragehäuses und des Objektivs tatsächlich 10.980 S betragen, kann

demnach nur dahin verstanden werden, daß sich diese Preissumme bei

getrenntem Kauf beider Artikel ergeben hätte. Selbst wenn dies

zutreffen sollte, wäre daraus für die Beklagte nichts zu gewinnen,

weil sie dies in ihrer Werbung nicht mit der nötigen Deutlichkeit

zum Ausdruck gebracht hat. Soweit die Beklagte meint, daß bei

genauer Analyse sämtlicher Werbetexte auf derselben Seite des

Prospektes der Unterschied zwischen der Bedeutung des Wörtchens

"statt" und der Worte "statt zusammen" hätte auffallen müssen,

übersieht sie wesentliche Grundsätze des Wettbewerbsrechtes. Danach

kann immer nur jene Bedeutung einer Angabe entscheidend sein, die

sich beim flüchtigen Lesen ergibt; dem Publikum kann nicht zugemutet

werden, besondere Überlegungen oder Nachforschungen anzustellen, um

Sinn und Bedeutung einer geschäftlichen Ankündigung aufzuklären

(Hohenecker-Friedl 24; ÖBl. 1977, 37 uva). Auch von Prospekten, die

jedem Haushalt in einem bestimmten Gebiet zugestellt werden, kann

nicht erwartet werden, daß sie aufmerksam und genau gelesen werden.

Für den Tatbestand des § 2 UWG genügt es, daß durch die Ankündigung

ein nicht ganz unerheblicher Teil des in Frage kommenden

Interessentenkreises zu einer Auffassung kommt, die dem wahren

Sachverhalt nicht entspricht. Bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung muß der Ankündigende immer auch die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (Hohenecker-Friedl 23 f; ÖBl. 1986, 159 mwN).

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten, sie habe den in der "Kronen-Zeitung" vom 29. März 1987 - obgleich nur für die Zeit bis 2. Mai 1987 angekündigten - Preis vor der Versendung des Eröffnungsprospektes nicht erhöht, ist auf die Frage, wie die Werbeankündigung wettbewerbsrechtlich zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte einige Tage hindurch tatsächlich den Preis von 10.980 S verlangt hätte, hier nicht einzugehen.

Die Beklagte hat somit durch die beanstandete Werbebehauptung eine zur Irreführung über ihre geschäftlichen Verhältnisse, u.zw. über die Preisbemessung einzelner Waren, geeignete Angabe gemacht (§ 2 UWG).

Demgemäß war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Ausspruch über die Kosten des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 40, 50 ZPO.

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