OGH 2Ob47/87

OGH2Ob47/8729.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

P*** DER A***,

Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Anton F***, Angestellter, Achtal 11, 5222 Munderfing, 2) Firma AUTO-P*** Gesellschaft mbH, Schallmooser Hauptstraße 52, 5020 Salzburg, 3) W*** A*** Versicherungs AG, Rainerstraße 27, 5020 Salzburg, alle vertreten durch Dr. Robert Kundmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 417.423 sA und Feststellung, infolge Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1987, GZ 2 R 105/87-25, womit infolge Berufung der klagenden sowie der zweit- und drittbeklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. November 1986, GZ 14 a Cg 154/82-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Entscheidungsvorbehalt richtet (Punkt III. des Ersturteils) zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweit- und drittbeklagten Parteien haben zur ungeteilten Hand der klagenden Partei die mit S 4.072,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 282,97 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22. November 1979 wurde Martin Leitner, der von der Klägerin eine Alterspension bezog, als Fußgänger auf der Bundesstraße 1 in Henndorf von dem vom Erstbeklagten gelenkten, von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Kombinationskraftwagen erfaßt und tödlich verletzt. Die Klägerin brachte vor, sie habe der Witwe nach dem Getöteten eine Witwenpension zu leisten, den Erstbeklagten treffe ein Mitverschulden von 2/3. Die Klägerin begehrt gemäß § 332 Abs 1 ASVG die Zahlung eines Betrages von S 417.423 sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die Leistungen, die die Klägerin in Zukunft an die Witwe zu erbringen habe, bis zur Höhe der Schadenersatzansprüche der Witwe, hinsichtlich der Drittbeklagten überdies eingeschränkt auf die Versicherungssumme.

Die Beklagten wendeten ein, für den Erstbeklagten sei der vom Fußgänger allein verschuldete Unfall nicht vermeidbar gewesen. Mit Teilurteil wies das Erstgericht das Klagebegehren gegenüber dem Erstbeklagten ab und erkannte hinsichtlich der zweit- und drittbeklagten Parteien dahin im Sinne des Feststellungsbegehrens, daß von einem Mitverschulden des Getöteten von 2/3 auszugehen sei. Im Punkt III. seines Urteiles sprach das Erstgericht aus, daß gegenüber der zweit- und drittbeklagten Partei die Entscheidung in Ansehung des Leistungsbegehrens sowie die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten werde. Aus den vom Erstgericht getroffenen, im Urteil des Berufungsgerichtes auf den Seiten 5 bis 7 (AS 153 ff) im wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Unfallsbereich beträgt 70 km/h. Zur Unfallszeit herrschte Dunkelheit. Der Erstbeklagte hielt eine Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h ein. Wegen eines ihm entgegenkommenden, nach links einbiegenden Lieferwagens lenkte er etwas nach links. Nach dem Zurücklenken auf die rechte Fahrbahnhälfte nahm er auf der Fahrbahn einen auf ihn zukommenden "Schatten" wahr, bremste und erfaßte den Fußgänger. Die Anstoßgeschwindigkeit lag zwischen 45 und 50 km/h. Ob die Bremsung noch wirksam geworden war, ist nicht feststellbar. Die Geschwindigkeit, mit der der Fußgänger - in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen von links nach rechts - die Fahrbahn überquerte, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Falls die Ausgangsgeschwindigkeit des vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeuges 60 km/h und die Anstoßgeschwindigkeit 45 km/h betrug und der Fußgänger gelaufen sein sollte, hätte der Erstbeklagte unverzüglich mit einer starken Bremsung reagiert. Betrug die Ausgangs- und Anstoßgeschwindigkeit je 50 km/h und hielt der Fußgänger eine normale Gehgeschwindigkeit ein, dann wäre dieser für den Erstbeklagten über eine Zeitspanne von 4 Sekunden auffällig gewesen, dem Erstbeklagten wäre eine Reaktionsverspätung von 3 Sekunden anzulasten. Zwischen diesen beiden Extremen ist eine Vielzahl von weiteren Varianten des Unfallsablaufes möglich, aus denen sich ein mehr oder weniger großer Reaktionsverzug des Erstbeklagten ergeben würde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, den Fußgänger treffe ein Verschulden, weil er entgegen der Vorschrift des § 76 StVO auf die Fahrbahn getreten sei. Ein Mitverschulden des Erstbeklagten sei nicht erweislich gewesen, weshalb das Klagebegehren hinsichtlich dieses Beklagten abzuweisen gewesen sei. Der zweit- und drittbeklagten Partei sei jedoch kein Entlastungsbeweis gelungen, da ein Reaktionsverzug nicht auszuschließen sei. Es sei eine Teilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Fußgängers vorzunehmen, wobei zu berücksichtigen sei, daß der Fahrzeuglenker durch die schlechten Sicht- und Lichtverhältnisse wesentlich stärker beeinträchtigt gewesen sei als der Fußgänger, der ein Herannahen des Fahrzeuges an den Lichtern leicht erkennen könne, während für den Autofahrer ein bei Dunkelheit die Fahrbahn überquerenden Fußgänger jedenfalls ein überraschendes Hindernis darstelle, umsomehr, wenn der Beginn des Überquerens hinter einem Fahrzeug des Gegenverkehrs erfolge, welches vor der Begegnung nach links einbiege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und jener der Zweit- und Drittbeklagten nur insofern, als die Haftung auf die Haftungshöchstbeträge des § 15 EKHG beschränkt wurde. Das Gericht zweiter Instanz, das aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige, teilte die Ansicht des Erstgerichtes, den Zweit- und Drittbeklagten sei ein Entlastungsbeweis nicht gelungen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der zweit- und der drittbeklagten Partei, in welcher der Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht und der Antrag gestellt wird, das Klagebegehren auch hinsichtlich der zweit- und der drittbeklagten Partei zur Gänze abzuweisen (in der Revision wird ausdrücklich der Punkt III. des Ersturteiles angefochten).

Rechtliche Beurteilung

Hilfsweise stellen die Revisionswerber einen Aufhebungsantrag. Das Erstgericht hat ein Teilurteil gefällt und die Entscheidung über das Leistungsbegehren hinsichtlich der zweit- und der drittbeklagten Partei vorbehalten. Gegen diesen Entscheidungsvorbehalt ist ein Rechtsmittel nicht zulässig, weshalb die Revision insofern zurückgewiesen werden mußte.

Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Die Revisionswerber führen aus, es stehe fest, daß der Fußgänger durch den herannahenden Lieferwagen verdeckt gewesen und für den Erstbeklagten daher erst in Fahrbahnmitte sichtbar gewesen sei. Damit sei ein Reaktionsverzug des Erstbeklagten ausgeschlossen. Diese Ausführungen sind insofern aktenwidrig, als nicht feststeht, daß der Fußgänger durch das nach links einbiegende Fahrzeug verdeckt war und für den Erstbeklagten erst in Fahrbahnmitte wahrnehmbar wurde. Der Sachverständige hat die Möglichkeit angeführt, daß die Sicht des Erstbeklagten auf den Fußgänger durch das einbiegende Fahrzeug zunächst verhindert wurde, daß dies tatsächlich der Fall war, konnte er aber nicht angeben und auch die Vorinstanzen haben dies nicht festgestellt. Es handelt sich auch hier um einen unaufgeklärten Umstand, der zu Lasten der zweit- und der drittbeklagten Partei geht, die den Entlastungsbeweis hätte erbringen müssen. Der Vollständigkeit halber sei überdies darauf hingewiesen, daß der Erstbeklagte den "Schatten" erst wahrnahm, nachdem er sein Fahrzeug nach dem wegen des einbiegenden Lieferwagens vorgenommenen Linkslenken wieder nach rechts gelenkt hatte. Bei Beginn des Nach-rechts-Lenkens konnte der Fußgänger durch den einbiegenden Lieferwagen aber nicht mehr verdeckt sein. Eine verspätete Reaktion des Erstbeklagten kann daher nicht ausgeschlossen werden, weshalb die Vorinstanzen zutreffend davon ausgingen, daß der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen ist. Obwohl dem getöteten Fußgänger ein schwerwiegendes Verschulden anzulasten ist, trifft auch den Fahrzeughalter eine Mithaftung, die mit einem Drittel nicht zu hoch bemessen wurde.

Zutreffend sprachen die Vorinstanzen daher aus, daß die zweit- und die drittbeklagte Partei in diesem Ausmaß - unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 332 ASVG und der Haftungshöchstbeträge des EKHG - für künftige Leistungen der Klägerin Ersatz zu leisten haben, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Sozialversicherungsträger auch dann Ersatz fordern kann, wenn bei Tötung eines Pensionisten an die Witwe eine Witwenpension zu leisten ist (JBl 1980, 592).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Bei der Kostenentscheidung war davon auszugehen, daß Gegenstand des Revisionsverfahrens nur das Feststellungsbegehren, über das das Erstgericht mit Teilurteil entschieden hat, sein konnte. Die Klägerin bewertete dieses Begehren, mit welchem die Feststellung der Haftung für 2/3 der Sozialversicherungsleistungen begehrt wurde, mit S 61.000,--. Dieser Betrag, und nicht der im Ausspruch des Berufungsgerichtes genannte Wert des Streitgegenstandes, war bei der Kostenentscheidung zugrunde zu legen. Da im Revisionsverfahren nur mehr die Haftung für ein Drittel der Sozialversicherungsleistung umstritten ist, beträgt das Revisionsinteresse S 30.500,--. Nur auf dieser Basis waren für die Revisionsbeantwortung Kosten zuzusprechen. Die zweit- und die drittbeklagte Partei haben mit der Revision zwar auch den Entscheidungsvorbehalt hinsichtlich des Leistungsbegehrens bekämpft, doch stehen der Klägerin schon deshalb nur Kosten auf der Basis von S 30.500,-- zu, weil sie auf die teilweise Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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