OGH 2Ob642/87

OGH2Ob642/8729.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropftisch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann W***, geboren am 23.August 1911 in Karansebes, Bezirk Severin, Rumänien, Pensionist, 8020 Graz, Wiener Straße 91, vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Paula W***, geborene K***, geschiedene P***, geboren am 25. Juni 1920 in Graz, Hausfrau, 8020 Graz, Wienerstraße 91, vertreten durch Dr. Peter Primus, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.Juni 1987, GZ 6 R 101/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20.Dezember 1986, GZ 25 Cg 77/86-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit die Revision die Verpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten zum Ersatz der im § 64 Abs.1 Z 1 ZPO genannten Beträge, von deren Entrichtung die Beklagte infolge der ihr bewilligten Verfahrenshilfe einstweilen befreit wurde, bekämpft, wird sie zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.397,35 (darin keine Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist am 23.8.1911 in Karansebes, Bezirk Severin, Rumänien geboren, Österreicher, röm.-kath. und von Beruf Pensionist. Die Beklagte ist am 25.6.1920 in Graz geboren, Österreicherin, röm.-kath. und von Beruf Hausfrau. Die Streitteile haben am 9.12.1950 vor dem Standesamt Graz die Ehe geschlossen, es war beiderseits die zweite Ehe, nachdem die jeweils erste Ehe geschieden worden war. Ehepakte wurden anläßlich der Eheschließung nicht errichtet, die Ehe ist kinderlos geblieben. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war Graz.

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs.3 EheG unter Hinweis auf die nach seiner Auffassung bereits länger als sechs Jahre dauernde Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten.

Die Beklagte beantragte in erster Linie die Abweisung dieses Begehrens, weil in Teilbereichen nach wie vor die häusliche Gemeinschaft nicht aufgehoben sei. Hilfsweise beantragte sie den Ausspruch des alleinigen Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung, weil er streitsüchtig sei, laufend Drohungen gegen die Beklagte ausstoße udn ihr überhaupt das Leben in der Ehewohnung erschwere. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Als die Streitteile am 9.12.1950 heirateten, brachte die Beklagte ihren im Jahre 1939 geborenen Sohn aus erster Ehe in die Ehe mit dem Kläger mit. Der Kläger arbeitete als Antiquitätentischler in einer auch auf solche Arbeiten spezialisierten Tischlerei. Der Kläger war ein ausgesprochen tüchtiger Mitarbeiter und hatte mit seinem Chef ein geradezu freundschaftliches Verhältnis. Der Kläger kaufte 1977 eine aus Küche, Wohn- und Schlafzimmer samt Nebenräumlichkeiten bestehende im Hause Graz, Wiener-Straße 91, gelegene Eigentumswohnung. Es belastete die Ehe auch nicht, als der Kläger im Jahre 1965 impotent wurde, obwohl die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt erst 45 Jahre alt war. Die Beklagte - sie war nur vorübergehend berufstätig - nähte für andere Frauen und hatte daraus auch ein Einkommen. Die Beklagte verwaltete das gemeinsame Einkommen der Streitteile. Bis zum Jahre 1972 führten die Parteien eine geradezu mustergültig harmonische Ehe. Im Jahre 1972 mußte der Kläger eines Tages, als er in der Frühe in die Tischlerwerkstätte kam, die Beobachtung machen, daß sich sein Chef in der Werkstätte erhängt hatte. Dieses Ereignis und die dadurch notwendige Pensionierung veränderten den Kläger in seinem Wesen grundlegend. Er zeigte sich nunmehr mißtrauisch und streitsüchtig und begann so zu trinken, daß er nahezu an jedem Abend - manchmal auch schwer - betrunken war. Dadurch litt das Eheleben der Streitteile auch schwer. Da der Kläger in der Pension "Pfuscharbeiten" verrichtete, war sein Einkommen auch nach seiner Pensionierung "günstig". Die Beklagte hatte im Laufe der Jahre auf einem Sparbuch der Bauernkasse (später Raiffeisenkasse) und einem der Volksbank so gespart, daß sich auf diesen Büchern zum 20.1.1974 Einlagestände von S 14.736,69 und S 10.730,23 ergaben. Bei einem gemeinsamen Besuch der Streitteile beim Sohn der Beklagten in der Schweiz hat der Kläger in Gegenwart der Schwiegertochter der Beklagten ausdrücklich erklärt, daß er diese beiden Sparbücher der Beklagten schenke. Diese Schenkung hat der Kläger später auch zu Hause bestätigt. Als die Beklagte im Jänner 1974 ihre Zähne sanieren lassen mußte, hob sie von den beiden Spabüchern S 14.000,-- und S 9.000,-- ab. Als der Kläger kurze Zeit später einem Plakat entnahm, daß eine Werbefahrt nach München zum Fahrpreis von S 90,-- angeboten werde, forderte er die Beklagte auf, von den Sparbüchern S 3.000,-- abzuheben. Als die Beklagte ihm eröffnete, daß der Einlagestand der beiden Sparbücher nicht mehr so hoch sei, um eine solche Abhebung tätigen zu können, versetzte dies den Kläger in Zorn. Den Erklärungen der Beklagten war der Kläger absolut nicht zugänglich. Im Laufe des Jahres 1974 erzählte der Kläger der mit beiden Streitteilen gut bekannten Erika M***, daß ihm die Beklagte einen Bargeldbetrag von S 6.000,-- aus der Geldkassette genommen habe. Dies war der Zeugin deswegen unangenehm, weil sie den Reserveschlüssel der ehelichen Wohnung anvertraut bekommen hatte. In der Folge stellte sich aber heraus, daß dem Kläger der von ihm zunächst vermißte Geldbetrag gar nicht abhanden gekommen war. Durch solche Vorkommnisse war die Harmonie in der Ehe der Streitteile verloren gegangen. Als der Sohn der Beklagten diese wegen einer schweren Krankheit seiner Frau dringend zu sich in die Schweiz rief, teilte die Beklagte dem Kläger ihre Abreise gar nicht mündlich, sondern nur auf einem Zettel, den sie in die Küche legte, schriftlich mit. Den Reserveschlüssel zur ehelichen Wohnung hatte nach wie vor die im Nachbarhaus wohnende Erika M***. Die Beklagte bat diese Frau auch, dem Kläger zu helfen, wenn er in der Abwesenheit der Beklagten Hilfe brauche. Während der Abwesenheit der Beklagten trank der Kläger an einem Abend zusammen mit einem ihm von früher her bekannten Tischler eine solche Menge Wein, daß er sich schwer betrunken auf eine Parkbank legte. Er wurde von der Polizei nach Hause geführt, die Beamten holten den Wohnungsschlüssel für die eheliche Wohnung bei Erika M***. Noch während der bis Ostern 1975 dauernden Abwesenheit der Beklagten kam der Kläger an einem Abend im Schlafrock in die Wohnung der Erika M***. Er erklärte, daß er krank sei, und machte Erika M*** Vorwürfe, daß sie sich um ihn nicht kümmere. Als sich der Kläger wiederum verabschiedet hatte, ging ihm Erika M*** nach, weil sie um den Kläger besorgt war. In seiner Wohnung machte der Kläger aber einen durchaus gesunden Eindruck, für die Zeugin auffällig war ein starker Alkoholgeruch in der Wohnung. Im Sommer 1975 hat eine andere Bekannte der Streitteile, Caroline M***, zu einem Zeitpunkt, da sie wegfahren mußte, Marillen bekommen. Sie brachte diese Marillen der Beklagten und bat sie, diese für sie einzukochen. Es war vereinbart, daß sich die Beklagte dafür einen Anteil Marmelade behalten könne. Als sich die Beklagte nun an das Einkochen machte, begann der Kläger zu schimpfen und erklärte, es sei schade um den Strom, denn die Beklagte koche ja ohnehin nur für ihre Enkelkinder ein. Als Caroline M*** die Marmelade abholte und der Kläger wiederum mit der Beklagten schimpfte, daß sie den Strom ohnehin nur für ihre Enkelkinder verbraucht habe, machte ihm Caroline M*** Vorhaltungen. Daraufhin geriet der Kläger in Zorn, meinte, daß die Frauen ohnehin alle zusammenhielten, und wollte die Beklagte packen und aus der Wohnung drängen. Als sich die Beklagte nun aber wehrte, stieß der Beklagte sie gegen eine Bank. Dadurch zog sich die Beklagte eine Beckenverletzung zu. Wegen dieses Vorfalles wurde der Kläger vom Bezirksgericht für Strafsachen Graz verurteilt. Im Jahre 1976 erhob der Kläger erstmals gegen die Beklagte die Scheidungsklage. Er machte grundlos geltend, daß ihn die Beklagte unter Anspielung auf seinen Geburtsort als "Ausländisches Schwein" beschimpft habe und ihm ständig seine Impotenz vorhalte. Als der Kläger aber zu Ende des Jahres 1976 für längere Zeit im Krankenhaus war und sich einer Gallenoperation unterziehen mußte, zog er, zumal ihn die Beklagte im Krankenhaus regelmäßig besucht hatte, die Ehescheidungsklage wieder zurück. In der Folge verhielt sich der Kläger der Beklagten gegenüber einwandfrei, er trank auch weniger Alkohol. Er kaufte der Beklagten auch einen Pelzmantel. Ostern 1977 verbrachten die Streitteile mit einer bekannten Familie am Weißensee in Kärnten. Als die Streitteile mit dieser Familie bei einem Spaziergang am Abend an einem zum See hin steil abfallenden Geländebereich vorbeikamen, forderte der Kläger die Beklagte in einem schimpfenden Tonfall auf, aufzupassen. Als die Beklagte einwendete "Wenn ich hier hinunterfalle, dann kann mir niemand mehr helfen", veranlaßte dies den Kläger, die Beklagte gröblichst zu beschimpfen. Es fiel der Ausdruck, man müsse der Beklagten den "Schädel auseinanderhauen". Auch das bekannte Ehepaar der Streitteile war über dieses Verhalten des Klägers bestürzt. Im Jahre 1978 schlossen die Parteien vor dem Bezirksgericht für ZRS Graz einen Unterhaltsvergleich, in dem sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.500,-- an die Beklagte verpflichtete. Derzeit leistet er der Beklagten einen monatlichen Unterhalt von S 3.300,--. Im Jahre 1978 erhielt der Kläger Vorladungen zu den Grazer Verkehrsbetrieben und zur Post. Es bestand der Verdacht, daß der Kläger Freifahrscheine der GVB und die Befreiung von der Rundfunkgebühr ungerechtfertigterweise in Anspruch nahm. Die Beklagte hat den Kläger diesbezüglich aber nicht angezeigt. Die schon im ersten Scheidungsverfahren behaupteten Eheverfehlungen und die Behauptung, die Beklagte habe ihn bei den GVB und bei der Postverwaltung grundlos angezeigt, machte der Kläger 1979 in einer neuerlichen Scheidungsklage geltend. Der Kläger hat diese Ehescheidungsklage aber wiederum zurückgezogen. Seit Juni 1979 beansprucht der Kläger das Wohnzimmer für sich allein, er schläft dort auch. Daraus hat sich ergeben, daß der Beklagten das Schlafzimmer zur alleinigen Benützung verblieben ist. Als der Kläger das Wohnzimmer abschloß, tat dies die Beklagte auch bei ihrem Schlafzimmer. Der Kläger erklärte im Juni 1979 des weiteren, daß er sich das Essen in Zukunft selbst zubereiten werde. Tatsächlich bereiten die Streitteile das Essen jeder für sich seit diesem Zeitpunkt zu. In aller Regel betreten sie die Küche erst dann, wenn der andere Teil diesen Raum wiederum verlassen hat. Allerdings hat die Beklagte bis 12.5.1986 dem Kläger die Wäsche gewaschen und seine Kleidung versorgt. In der Regel sprechen die Streitteile nichts miteinander. Allerdings hat der Kläger die Beklagte immer wieder beschimpft und sie aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, denn diese gehöre ja ihm. Der Kläger hat seine Trinkgewohnheiten seit dem Jahre 1978 über ärztliches Anraten gebessert; seit Herbst 1985 trinkt er kaum noch Alkohol. Der persönliche Kontakt der Streitteile ist aber nicht ständig unterbrochen. Alle zwei bis drei Monate kommt es dazu, daß der Kläger mit der Beklagten "so wie früher" wiederum das persönliche Gespräch sucht. Der Kläger ist dann wie verwandelt; die Beklagte geht auf dieses freundliche Verhalten des Klägers immer wieder ein. Nach etwa zwei Wochen bricht der Kläger den persönlichen Kontakt dann aber wiederum ab. Als der Kläger im Herbst 1985 einen verstorbenen Nachbarn beerbte, haben die Streitteile die Erbschaft gemeinsam geordnet und haben gemeinsam eine Flasche Wein getrunken. Als die Beklagte im Frühjahr 1986 die Wäsche wusch, kochte der Kläger und lud die Beklagte dazu ein. Als das Enkelkind der Beklagten ebenfalls im Frühjahr 1986 für zwei Tage zu besuch war, aß der Kläger mit der Beklagten und deren Enkelkind gemeinsam. Es wurden ganz normale, freundliche Gespräche geführt. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, angesichts der Versorgung der Wäsche des Klägers durch die Beklagte und wegen der festgestellten Phasen, in denen es immer wieder zu persönlichen Kontakten der Streitteile komme, könne von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft - jedenfalls bis Mai 1986 - nicht gesprochen werden.

Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die Ehe der Streitteile gemäß § 55 Abs.3 EheG geschieden und das Alleinverschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe ausgesprochen wurde. Überdies verpflichtete das Berufungsgericht den Kläger gegenüber der Beklagten zum Ersatz der im § 64 Abs.1 Z 1 ZPO genannten Beträge, von deren Entrichtung die Beklagte infolge der ihr bewilligten Verfahrenshilfe einstweilen befreit worden war. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Die häusliche Gemeinschaft der Streitteile sei seit Juni 1979, somit seit mehr als sechs Jahren aufgehoben, wodurch auch die tiefgreifende unheilbare Zerrüttung der Ehe feststehe. Allerdings sei der von der Beklagten für den Fall einer Scheidung der Ehe nach § 55 Abs.3 EheG angestrebte Ausspruch des Alleinverschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe (§ 61 Abs.3 EheG) gerechtfertigt. Das Berufungsgericht führte aus, zur Begründung eines Zerrüttungsverschuldens nach § 61 Abs.3 EheG könnten nicht nur solche Tatsachen herangezogen werden, die die Beklagte berechtigt hätten, die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers zu beantragen, sondern auch verfristete, ja sogar verziehene Eheverfehlungen des Klägers, sofern sie nur geeignet waren, entweder die Zerrüttung der Ehe herbeizuführen oder sie zu begünstigen. Es sei somit in einem solchen Falle das gesamte Verhalten beider Ehegatten während der ganzen Ehedauer heranzuziehen. Zur Annahme eines Zerrüttungsverschuldens genüge auch ein verhältnismäßig geringerer Verschuldensgrad, das heißt, es komme nicht darauf an, ob durch den Kläger ein Scheidungstatbestand verwirklicht wurde, sondern nur, ob ihm eine - wenn auch geringere - Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei. Prüfe man jedoch den vom Erstgericht festgestellten und vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhalt in dieser Richtung, so könne nicht zweifelhaft sein, daß den Kläger das alleinige Zerrüttungsverschulden im Sinne des § 61 Abs.3 EheG treffe. So stehe fest, daß er im Jahre 1974 die Beklagte zu Unrecht verdächtigte, sie habe ihm 6.000 S aus der Geldkassette genommen, wobei er diesen Verdacht gegenüber einer dritten unbeteiligten Person (Erika M***) äußerte. Im Sommer 1974 habe er der Beklagten eine Verletzung zugefügt, weswegen er auch strafgerichtlich verurteilt worden sei. In den Scheidungsklagen der Jahre 1976 und 1979 habe er die Beklagte grundlos beschuldigt, ihn als "ausländisches Schwein" beschimpft und ihm ständig seine Impotenz vorgehalten zu haben. Außerdem habe sie ihn bei den Grazer Verkehrsbetrieben und bei der Post angezeigt. Zu Ostern 1977 habe der Kläger die Beklagte in Gegenwart einer bekannten Familie gröblichst beschimpft, insbesonders dahin, man müsse der Beklagten den "Schädel auseinanderhauen". Überhaupt habe der Kläger die Beklagte immer wieder beschimpft und sie aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, denn diese gehöre ja ihm. Schließlich sei der Kläger schon seit dem Jahre 1972 gegenüber der Beklagten mißtrauisch und streitsüchtig geworden und habe damals so sehr dem Alkohol zuzusprechen begonnen, daß er nahezu an jedem Abend - manchmal auch schwer - betrunken gewesen sei. Seine Trinkgewohnheiten habe er erst über ärztliches Anraten seit dem Jahre 1978 geändert, wobei er seit Herbst 1985 kaum noch Alkohol zu sich nehme. Diese dem Kläger anzulastenden Verhaltensweisen, welche von Beschimpfungen der Beklagten bis zu deren Mißhandlung, von unberechtigten Verdächtigungen bis zur Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, reichten, stellten zweifellos sowohl für sich allein, insbesonders aber in ihrer Gesamtheit, mögen sie auch teilweise schon längere Zeit zurückliegen, Eheverfehlungen dar, die ohne Zweifel geeignet waren, die Ehe der Streitteile zu zerrütten. Es sei demnach über Antrag der Beklagten auch das alleinige Zerrüttungsverschulden des Klägers auszusprechen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit darin das Alleinverschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe und die Auferlegung der im § 64 Abs.1 Z 1 ZPO genannten Beträge an den Kläger ausgesprochen wurde, wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Ausspruches des gleichteiligen Verschuldens der Streitteile an der Zerrüttung der Ehe und Auferlegung der im § 64 Abs.1 Z 1 ZPO genannten Kosten an die Beklagte.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Zu 1.:

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Revision die Verpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten zum Ersatz der im § 64 Abs.1 Z 1 ZPO genannten Beträge, von deren Entrichtung die Beklagte infolge der ihr bewilligten Verfahrenshilfe einstweilen befreit wurde, bekämpft, ist das insofern als Rekurs zu beurteilende Rechtsmittel gemäß § 528 Abs.1 Z 3 ZPO unzulässig und war in diesem Umfang zurückzuweisen. Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Der Kläger führt aus, bis zur Zurückziehung seiner Scheidungsklage im Jahre 1976 könne er allenfalls Scheidungsgründe gesetzt haben, jedoch sei es nach den Feststellungen des Erstgerichtes nachher wieder zu einer Versöhnung der Streitteile und damit zu einer Verzeihung allfälliger vorher begangener, Scheidungsgründe darstellender Eheverfehlungen gekommen. Nachher habe der Kläger aber keine Scheidungsgründe mehr gesetzt. Er habe freiwillig der Beklagten einen höheren Unterhaltsbeitrag bezahlt, als seiner Verpflichtung aus dem Unterhaltsvergleich entsprochen habe. Nach dem Jahre 1979 hätten beide Streitteile in getrennten Räumen geschlafen und jeder für sich das Essen zubereitet. Zum Scheitern der Ehe hätten somit beide Streitteile in gleicher Weise beigetragen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 61 Abs.3 EheG ist im Fall der Scheidung nach § 55 EheG auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen, ob der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat. Bei der Beurteilung, ob der die Scheidung nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat, ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe einschließlich verziehener oder verfristeter Eheverfehlungen zu berücksichtigen (EFSlg.41.288, 41.291, 43.690; 8 Ob 570/86 ua). Maßgebend ist, welcher der Ehegatten den entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde (EFSlg.41.294, 41.288 ua). Für den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs.3 EheG genügt unter Umständen auch ein geringgradiges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe (EFSlg.43.698 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist der Kläger zunächst darauf zu verweisen, daß selbst eine allfällige Verzeihung von Eheverfehlungen deren Berücksichtigung bei der Beurteilung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nicht entgegensteht, da, wie dargelegt, auf das Gesamtverhalten beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe einschließlich verziehener oder verfristeter Eheverfehlungen Bedacht zu nehmen ist. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes verdächtigte der Kläger im Jahre 1974 die Beklagte zu Unrecht, sie habe ihm 6.000,-- S aus der Geldkassette genommen, wobei er diesen Verdacht gegenüber einer dritten unbeteiligten Person äußerte. Im Sommer 1974 mißhandelte er die Beklagte und wurde deshalb strafgerichtlich verurteilt. Zu Ostern 1977 beschimpfte der Kläger neuerlich die Beklagte gröblich in Gegenwart einer bekannten Familie und äußerte, man müsse der Beklagten den "Schädel auseinanderhauen". Auch sonst kam es immer wieder zu Beschimpfungen der Beklagten durch den Kläger, der sie auch aufforderte, die Ehewohnung, die ja ihm gehöre, zu verlassen. Schon seit dem Jahre 1972 war der Kläger der Beklagten gegenüber mißtrauisch und streitsüchtig und trank bis zum Jahre 1976 so viel Alkohol, daß er nahezu an jedem Abend betrunken war. Aufgrund der festgestellten Eheverfehlungen des Klägers, denen nach den Feststellungen des Erstgerichtes keine Eheverfehlungen der Beklagten gegenüberstanden, kann aber in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß den Kläger das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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