OGH 13Os111/87

OGH13Os111/8717.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Kießwetter, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl K*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 f. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24.April 1987, GZ. 20 i Vr 6837/86-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mayer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Strafe auf

5 (fünf) Jahre herabgesetzt.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 28.März 1949 geborene beschäftigungslose Karl K*** ist auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die bezügliche Hauptfrage stimmeneinhellig bejaht hatten, des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB schuldig erkannt worden. Darnach hat er am 23.Mai 1986 in Wien durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe Christine K*** 1.500 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich unrechtmäßig zu bereichern, indem er, mit einer als solche nicht erkennbaren Schreckschußpistole und mit einem Hammer bewaffnet, ihre Wohnung betrat, die Pistole gegen sie richtete und sie aufforderte, sich mit ihrem Kind ins Bett zu legen, während er die Wohnung nach Bargeld durchsuchte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit seiner auf § 345 Abs 1 Z. 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, daß keine Eventualfrage nach § 142 Abs 1 StGB gestellt worden sei, obwohl seine Verantwortung indiziert habe, daß er Maske, Schreckschußpistole und Hammer nicht zum Zweck eines Raubüberfalls verwendet habe, sondern bei der Ausführung seines Vorhabens, Unzuchtshandlungen zu setzen und zu filmen, bzw um sich zu wehren einsetzen wollte. Nach der Rechtsprechung (LSK. 1982/164 u.v.a.) war der Schwurgerichtshof indes nicht verpflichtet, die Frage nach dem Tatbestand des Raubes von jener nach der Qualifikation des § 143, erster Fall, StGB zu trennen. Ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage aufgenommen oder zum Gegenstand einer besonderen Frage, und zwar einer sogenannten uneigentlichen Zusatzfrage nach § 316 StPO (nicht einer Eventualfrage) gemacht wird, ist dem Ermessen des Schwurgerichtshofs anheimgestellt. Wird ein Erschwerungsumstand, der nach dem Gesetz die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt, in die Hauptfrage aufgenommen, müssen die Geschwornen nur in der Rechtsbelehrung auf die im § 330 Abs 2 StPO vorgesehene Möglichkeit einer teilweisen Bejahung unter Beifügung von Beschränkungen hingewiesen werden; dieser Verpflichtung ist im vorliegenden Fall schon durch die allgemeine Rechtsbelehrung der Geschwornen entsprochen worden (Beilage B zum Hauptverhandlungsprotokoll, Band II ON. 59). Einen den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z. 8 StPO verwirklichenden Mangel der Rechtsbelehrung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß diese keinen Hinweis enthalte, welche rechtliche Beurteilung zu treffen wäre, wenn der Täter die Waffe nicht zum Zweck der Wegnahme oder Abnötigung einer fremden beweglichen Sache, sondern zu einem anderen Zweck mitführt und die Waffe zur Gewaltanwendung oder Drohung in keinem funktionstypischen Zusammenhang steht. Daß die Waffe im Sinn des § 143 StGB nur dann "verwendet" wird, wenn sie bei der Gewaltausübung gegen eine Person oder bei der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum Einsatz gelangt, mithin Mittel der Gewalt oder Drohung sein muß (Leukauf-Steininger2, RN 8 zu § 143 StGB; Zipf im WK, RN 9 zu § 143 StGB), wird aber in der Rechtsbelehrung ohnehin ausdrücklich gesagt (S. 4 der Rechtsbelehrung). Diese hat demnach den Geschwornen keinen Anlaß zu einem Mißverständnis dahingehend geboten, zur Annahme des schweren Raubs genüge schon das bloße Mitführen einer Waffe oder deren Verwendung für eine andere, außerhalb des Raubüberfalls gelegene Zielsetzung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3.März 1987, GZ. 5 a Vr 14.315/86-51 (Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, Zwang zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB, Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB, Hausfriedensbruch nach § 109 Abs 3 Z. 1 StGB und Diebstahl nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 und 15 StGB: acht Jahre Freiheitsstrafe), nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine zusätzliche Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Erschwerend waren die einschlägigen Vorstrafen, die heimtückische Vorgangsweise wegen des besonderen Schuldgehalts, der Rückfall innerhalb der Probezeit und der Umstand, daß wenig Vorsicht gegen die Tat gebraucht werden konnte; mildernd war nur das Geständnis. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte das Absehen von einer Zusatzstrafe, allenfalls deren Herabsetzung an und reklamiert "jedenfalls" die Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Gewiß fällt die Schadensgutmachung noch zusätzlich mildernd ins Gewicht. Da es sich um kein Unzuchtsdelikt handelt, kann die Tat im Ergebnis aber nicht im Licht der psychischen Abartigkeit des Angeklagten, die zu den zu 5 a Vr 14.315/86 des Landesgerichts für Strafsachen Wien abgeurteilten Sexualdelikten geführt hat, gesehen werden. Entschieden ist der Berufung entgegenzutreten, wenn sie die heimtückische Vorgangsweise des Angeklagten, der sein Opfer durch Herausschrauben der im Stiegenhaus angebrachten Stromsicherungen aus der Wohnung gelockt hat, bestreitet. Denn anders als der dazu von der Berufung ins Spiel gebrachte Vertrauensbruch setzt Heimtücke keineswegs eine besondere, mit einer oft verständlichen Fehleinschätzung der Täterpersönlichkeit verbundene Beziehung des Opfers zum Täter voraus. Mit vollem Recht wurde daher auch gesagt, daß gegen die raffiniert ins Werk gesetzte Tatausführung seitens der völlig verschreckten Frau und ihres neunjährigen Kindes wenig d.h. praktisch überhaupt keine Vorsicht gebraucht werden konnte: Nämlich gegen die Herauslockung der Frau aus dem geschützten Bereich ihrer Wohnung, ohne die es zum Überfall durch einen maskierten Mann, der mit einer Pistole und einem Gummihammer bewaffnet war, gar nicht gekommen wäre (daß es sich um eine Schreckschußpistole handelte, war, wie bereits gesagt, nicht erkennbar).

Was hier allerdings zu Gunsten des Berufungswerbers ins Gewicht fällt, ist, daß nur eine Zusatzstrafe zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe zu verhängen ist. Wären alle den im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen zugrundeliegenden Straftaten gemeinsam abgeurteilt worden, wäre nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren angemessen gewesen. Das führt zu einer Herabsetzung der Zusatzstrafe auf fünf Jahre (§ 40 StGB). Von einer solchen abzusehen, wäre keinesfalls vertretbar.

Wie schon vorher erwähnt, läßt der gegenständliche Raubüberfall seinem Wesen nach nicht jene typische charakterliche Abartigkeit des Täters erkennen, die im Verfahren 5 a Vr 14.315/86 des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher geführt hat. Darüber hinaus ist die eine solche Maßnahme reklamierende Berufung, weil das Unterbleiben einer Anstaltseinweisung dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, von diesem nicht bekämpfbar: Wird das Rechtsmittel doch insoweit nicht zu seinem Vorteil ausgeführt (13 Os 79/84, 11 Os 33/85 u.a.m.) und war deshalb im selben Umfang zurückzuweisen.

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