OGH 4Ob361/87

OGH4Ob361/8715.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U***

W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "K***" Möbel-Handelsgesellschaft m.b.H., St. Pölten, Anton-Scheiblin-Gasse 1, vertreten durch Dr. Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 21. Mai 1987, GZ 5 R 107/87-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. April 1987, GZ 30 Cg 164/87-2, abgeändert wurde, beschlossen:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er zu lauten hat:

"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei wider die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Ankündigungen wird der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Möbeln und Artikeln der Raumausstattung verboten, vor Eröffnung von Filialen unter Erwähnung unbestimmter Vorteile anzukündigen: "Kaufen Sie jetzt keine Möbel".

Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung des zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreites."

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei betreibt in mehreren Filialen den Möbelhandel. Sie warb in den "Unterkärntner Nachrichten" vom 20. Februar 1987 mit folgendem ganzseitigen Inserat:

"Wenn K*** nach Wolfsberg kommt, wird alles ganz anders. Kaufen Sie jetzt keine Möbel;

Wenn K*** nach Wolfsberg kommt, gehen die Lichter an, gehen die Uhren anders, geht das Einrichten nach Plan und das Geld nie aus. Die Wohnzimmer werden zu Salons, die Schlafzimmer erleben einen neuen Frühling, und in den Küchen geht s hoch her. Das größte Einrichtungshaus im Land kommt nach Wolfsberg. Richten Sie sich darauf ein: im April.

K*** kommt!

K***"

Zwischen den einzelnen Worten des drucktechnischen stark hervorgehobenen Slogans "Kaufen Sie jetzt keine Möbel" waren verschiedene Möbel (Sitzmöbel, Sessel, Kästchen, Couch), wie sie allgemein angeboten werden, durchgestrichen abgebildet. Von der für Mai 1987 vorgesehenen Filialeröffnung der beklagten Partei in Wolfsberg sind 16 in diesem Raum ansässige Konkurrenzbetriebe (Möbelhändler, Raumausstatter) betroffen. Der klagende Schutzverband (§ 14 UWG) behauptet, die beklagte Partei fordere mit diesem Slogan die Konsumenten auf, nicht bei Mitbewerbern zu kaufen, sondern die Eröffnung der Filiale der beklagten Partei abzuwarten. Sie behindere damit Mitbewerber zu einer Zeit, zu der das Publikum noch keine Möglichkeit eines Preis- und Qualitätsvergleiches habe, und versuche unter Ankündigung außerordentlicher Vorteile zum Konsumverzicht bis zur Eröffnung ihrer eigenen Filiale aufzufordern. Dies sei Behinderungswettbewerb, der infolge Fehlens jeder Vergleichsmöglichkeit auch grob irreführend sei.

Der klagende Verband begehrt mit dem inhaltsgleichen Klage- und Sicherungsbegehren, der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Möbeln und Artikeln der Raumausstattung zu verbieten, vor der Eröffnung von Filialen anzukündigen: "Kaufen Sie jetzt keine Möbel".

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung der beklagten Partei im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Angaben der beklagten Partei nicht irreführend seien. Der durchschnittliche Konsument werde sich von der Werbeankündigung der beklagten Partei keine "Wunderdinge" erwarten, zumal ihr Angebot ebenso wie das der Konkurrenzunternehmen dem Publikum bekannt sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, erließ das beantragte Verbot und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,-- aber nicht S 300.000,-- übersteige und der Rekurs gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Rekursgericht sah in der beanstandeten Ankündigung eine ernst zu nehmende sachbezogene Angabe, die aber mangels entsprechender Fassung des Sicherungsantrages weder auf Irreführungseignung (§ 2 UWG) noch auf das Vorliegen sittenwidriger vergleichender Werbung (§ 1 UWG) zu überprüfen sei. Der allein beanstandete Slogan "Kaufen Sie jetzt keine Möbel" sei jedoch unlauter, weil die beklagte Partei damit bis zur angekündigten Filialeröffnung die Kaufkraft des Einzugsgebietes unter Beeinträchtigung der Mitbewerber für sich aufsparen wolle, ohne daß das Publikum die Möglichkeit habe, Qualitäts- und Preisvergleiche anzustellen. Die beklagte Partei betreibe daher mit der beanstandeten Aufforderung, keine Möbel zu kaufen, sittenwidrigen Behinderungswettbewerb, weil sie ohne eigener Leistung allein durch die Behinderung von Mitbewerbern dem künftigen eigenen Absatz freie Bahn schaffen wolle; sie bezwecke damit nur die Schädigung ihrer Mitbewerber.

Die beklagte Partei erhebt Revisionsrekurs und beantragt, das Sicherungsbegehren der klagenden Partei in Abänderung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Frage, ob die im Hinblick auf eine künftige Geschäftseröffnung an das Publikum gerichtete Aufforderung des Werbenden, "jetzt bestimmte Waren nicht zu kaufen", wettbewerbswidrig ist, über den Einzelfall hinaus von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist. Der Revisionsrekurs ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt. Gegenstand des Sicherungsbegehrens ist nur das Verbot, vor der Eröffnung von Filialen mit der Ankündigung "Kaufen Sie jetzt keine Möbel" zu werben. Dem Klagevorbringen ist jedoch zu entnehmen, daß die klagende Partei diese Ankündigung deshalb als sittenwidrigen Behinderungswettbewerb beanstandet, weil die beklagte Partei die Aufforderung, keine Möbel zu kaufen, mit der Ankündigung unbestimmter Vorteile verbunden habe, so daß der Konsument keinen Preis- und Qualitätsvergleich anstellen könne. Aus dem Klagevorbringen ist daher einwandfrei und bestimmt erkennbar, daß sich das beantragte Verbot auf den Fall des Ankündigens unbestimmter Vorteile bezieht, so daß dem Spruch (ohne Abweisung eines Mehrbegehrens) eine klarere und deutlichere Fassung zu geben war (ÖBl 1972, 17 und 152; ÖBl 1973, 56; ÖBl 1975, 33 und 110; ÖBl 1981, 159 uva; Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch Rz 1448, 668). Ist damit die blickfangartig hervorgehobene Aufforderung "Kaufen Sie jetzt keine Möbel" und die Ankündigung in bestimmter Vorteile anläßlich der Filialeröffnung der beklagten Partei in Wolfsberg als zusammenhängende Werbebehauptung anzusehen, so ist zunächst zu prüfen, ob nicht insgesamt eine vom Publikum nicht ernst genommene "marktschreierische Anpreisung" vorliegt. Eine solche ist dann gegeben, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liegt (ÖBl 1984, 97 mwN; ÖBl 1987, 49 uva). Für einige der von der beklagten Partei gebrauchten Wendungen trifft das zweifellos zu (vgl. etwa die Worte "Wenn K*** nach Wolfsberg kommt, gehen die Lichter an ..... Die Wohnzimmer werden zu Salons, die Schlafzimmer erleben einen neuen Frühling und in den Küchen gehts hoch her ...."). Eine solche Qualifizierung schließt aber nicht aus, daß die betreffende Ankündigung in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen werden kann. Auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibung verstanden werden, lassen sich nach Abzug dieses Übermaßes häufig doch noch auf einen sachlich nachweisbaren "Tatsachenkern" - etwa auf die Behauptung erstklassiger Qualität oder besonders günstiger Preise - zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird (ÖBl 1984, 97 mwN; ÖBl 1987, 49 uva).

Im Sinne dieser Grundsätze wird das Publikum die Ankündigung der beklagten Partei zwar nicht als ernst gemeinte Aufforderung, bis zur Filialeröffnung keine Möbel zu kaufen, auffassen, ihr aber den Tatsachenkern entnehmen, daß bei der künftigen Filialeröffnung der beklagten Partei besonders günstige Kaufgelegenheiten bestehen würden, so daß jeder vorher vorgenommene Möbelkauf nachteilig sein könnte. Der sachliche Inhalt der marktschreierisch übertriebenen Ankündigung der beklagten Partei liegt somit darin, daß sie von der angekündigten Filialeröffnung an die günstigsten Möbelpreise in Wolfsberg haben werde (vgl. die Worte: "Wenn K*** nach Wolfsberg kommt, wird alles ganz anders ... geht das Geld nie aus"). Die Aufforderung, keine Möbel zu kaufen, steht mit dieser Ankündigung in unmittelbarem Zusammenhang. Nun ist zwar das Ankündigen besonders günstiger Preise ein typisches Mittel des Leistungswettbewerbs; in einem solchen Fall ist die Verdrängung von Mitbewerbern vom Markt eine unvermeidliche begriffswesentliche Folge des Wettbewerbes. Mit Rücksicht auf den teilweise marktschreierischen Charakter der Werbung der beklagten Partei liegt in der Verwendung der Worte "Kaufen Sie jetzt keine Möbel" nach Ansicht des erkennenden Senates noch kein Fall sittenwidrigen Behinderungswettbewerbes. Dennoch verstößt die beantstandete Ankündigung gegen § 1 UWG. Die beklagte Partei nimmt damit in bezug auf die künftige Preisgünstigkeit ihres Angebotes erkennbar eine Spitzenstellung im Raume Wolfsberg in Anspruch, sie verstößt aber damit, daß sie unbestimmte Vorteile ankündigt, gegen den Grundsatz, daß derjenige, der zu Werbezwecke Vergleiche zieht, dem angesprochenen Publikum alle wesentliche Umstände mitteilen muß, die es in die Lage versetzen, sich selbst ein objektives Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistung gegenüber denen der Mitbewerber zu bilden (ÖBl 1984, 5 mwN). Dieser Vorwurf muß der beklagten Partei gemacht werden: Auch wenn sie in ihrer Werbung auf keinen bestimmten Konkurrenzbetrieb Bezug genommen hat, brachte sie jedoch deutlich zum Ausdruck, daß mit der angekündigten Filialeröffnung in Wolfsberg "alles ganz anders werden" würde, ohne den Adressaten dieser Werbung durch Anführen irgendwelcher konkreten Informationen auch nur die Möglichkeit einer sachlichen Prüfung der in Anspruch genommenen Spitzenstellung zu geben.

Wenn die Revisionsrekurswerberin dem entgegnet, der Erstrichter habe "festgestellt", daß das Angebot der beklagten Partei den interessierten Konsumenten ohnehin bekannt gewesen sei, so übersieht sie, daß der Erstrichter nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung seine allgemeine Lebenserfahrung verwertet hat (vgl. dazu ÖBl 1985, 105), aber eine Tatsachenfeststellung, daß das mit dem beanstandeten Inserat angesprochene Publikum - von nicht erheblichen Teilen der betroffenen Verkehrskreise abgesehen - das reguläre Möbelprogramm der beklagten Partei kennt, nicht getroffen wurde. Zudem konnte sich die Ankündigung der beklagten Partei auch auf besondere Eröffnungsangebote beziehen, mit denen dem Publikum erfahrungsgemäß besondere Kaufvorteile geboten werden, die noch günstiger als das reguläre Angebot sind.

Das Rekursgericht hat daher den weiteren Gebrauch der beanstandeten Werbeankündigung im Ergebnis zutreffend verboten. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78, 393, 402 EO, 40, 50 ZPO.

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