OGH 3Ob522/87

OGH3Ob522/879.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache für die Kinder 1) Thomas K***, geboren 7. Juli 1976, und 2) Angelika K***, geboren 24.Juni 1980, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Christoph K***, Univ.Dozent, Axams, Innsbrucker Straße 40, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 6.März 1987, GZ 2 b R 16,17/87-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. November 1986, GZ 3 P 254/84-64, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, ihm für die beiden ehelichen Kinder Thomas, geboren 1976, und Angelika, geboren 1980, ein Besuchsrecht einzuräumen, ab.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß. Die Vorinstanzen gingen kurz zusammengefaßt von folgenden Feststellungen aus:

Von Jänner 1985 (Ehescheidung) bis September 1985 übte der Vater das Besuchsrecht im Einvernehmen mit der Mutter etwa alle 14 Tage aus, ohne daß es zu besonderen Schwierigkeiten gekommen wäre. Seit September 1985 fanden keine Besuche mehr statt, weil die Mutter weitere Besuche ablehnte. Ursache dieser Verhaltensänderung waren vor allem die Erstattung einer Strafanzeige des Vaters gegen die Mutter und ihren früheren Lebensgefährten und jetzigen Ehemann und die Einbringung einer Klage auf Bestreitung der ehelichen Geburt von Angelika. Der Vater setzte bei einem Besuch auch den jetzigen Ehegatten der Mutter herab. Dadurch sind die Kinder einem unüberwindlichen Loyalitätskonflikt ausgesetzt, der es ihnen psychisch unmöglich macht, mit dem Vater eine Beziehung zu pflegen, ohne das Bewußtsein zu haben, dadurch die Mutter zu verraten. Auf Grund dieses Sachverhaltes nahmen die Vorinstanzen an, daß die Einräumung eines Besuchsrechtes das Wohl der Kinder gefährden würde.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsrekurs des Vaters wird keiner der gemäß § 16 Abs.1 AußStrG allein zulässigen Rekursgründe aufgezeigt:

1. Zur geltend gemachten Aktenwidrigkeit:

Eine Aktenwidrigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung nur gegeben, wenn das Gericht zweiter Instanz in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und so ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hat (EFSlg.50.005). Eine solche Aktenwidrigkeit wird im Revisionsrekurs nicht dargestellt.

Die ersten Angaben des Vaters über den Aufenthalt seiner Lebensgefährtin (ON 10) sind durch seine späteren Äußerungen (ON 57 und 66) überholt. Die Annahme einer Beeinflussung der Kinder durch die Umwelt ist in den Angaben der Mutter bei der Sachverständigen gedeckt (ON 49 S.3). Die rechtliche Wertung des nicht strittigen Umstandes der Einbringung einer Klage auf Bestreitung der ehelichen Geburt Angelikas kann gleichfalls keine Aktenwidrigkeit begründen. Der Aussage von Thomas bei der Sachverständigen, er habe früher beim Vater schlafen wollen (ON 17 S 4), steht die spätere Aussage vor Gericht gegenüber, daß er jetzt eigentlich nicht mehr den Wunsch habe, seinen Vater zu sehen (ON 57). Es gibt daher nicht nur Beweismittel, die für eine auch jetzt noch vorhandene Affinität zum Vater sprechen. Die den früheren Aussagen von Thomas etwas widersprechende Ansicht der Mutter (ON 16) führte nicht zu einer Feststellung, so daß auch in diesem Zusammenhang keine Aktenwidrigkeit gegeben sein kann.

2. Zur geltend gemachten Nichtigkeit:

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht erkennbar. Dem Vater war wiederholt Gelegenheit gegeben, sich zum Standpunkt der Mutter, des Jugendamtes und der Sachverständigen zu äußern, daß derzeit alles gegen die Bewilligung eines Besuchsrechts spreche. Nur wenn dem Vater die Möglichkeit genommen worden wäre, zu neuen und besonders bedeutungsvollen Verfahrensergebnissen nicht mehr Stellung zu nehmen, könnte im Sinne der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung EvBl.1982/120 ein Nichtigkeitsgrund vorliegen. Dies trifft aber für das kurze ergänzende Gutachten der Sachverständigen in ON 62 nicht zu. In einem solchen Fall wird das rechtliche Gehör nicht dadurch verletzt, daß ein Beteiligter nicht schon in erster Instanz zu einzelnen Beweisergebnissen gehört wurde (EFSlg.49.987 ua, insbesondere auch die im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen EvBl.1966/14 und EFSlg.37.151).

Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens wie das Kindeswohl verletzt würden (EFSlg.49.998). Die bloße Ablehnung von Beweisanträgen begründet selbst dann, wenn ein Verfahrensmangel vorliegen würde, keine Nichtigkeit (EFSlg.47.244). Die Verwertung des Gutachtens eines erfolglos abgelehnten Sachverständigen kann gleichfalls keinen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit bilden (EFSlg.47.247). Nur deshalb, weil die Entscheidung gegen den Wunsch des Vaters ausfiel, kann den Vorinstanzen nicht "Einseitigkeit", "Willkür" oder gar "Perversion der Rechtsordnung" unterstellt werden.

3. Zur offenbaren Gesetzwidrigkeit:

Eine mit dem ausdrücklichen und klaren Inhalt eines Gesetzes im Widerspruch stehende Gesetzwidrigkeit (EFSlg.49.930), ein Verstoß gegen Grundprinzipien des Rechts (EFSlg.49.931) oder eine gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohles (EFSlg.49.932) liegen nicht vor. Im Gesetz wird nicht näher gesagt, wann die Voraussetzungen für einen vorläufigen Entzug des Besuchsrechtes erfüllt sind. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt in diesem Zusammenhang schon begrifflich in der Regel nicht vor (EFSlg.49.952). Auf das Wohl der Kinder haben die Vorinstanzen in vielfacher Weise Bedacht genommen und sind nach Abwägung aller Umstände zum Ergebnis gelangt, daß den Kindern derzeit der bei Ausübung des Besuchsrechtes unvermeidliche Loyalitätskonflikt erspart bleiben solle.

Richtig ist freilich, daß das Recht eines Elternteils auf persönlichen Verkehr mit seinem Kind ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung darstellt (EFSlg.43.216, 45.716) und daß eine gänzliche Versagung des persönlichen Verkehrs nur aus besonders schwerwiegenden Gründen in Betracht kommt (EFSlg.45.770). Die seelischen Irritationen, die als natürliche Folge der Zerreißung des bisherigen Familienbandes durch die Trennung der Eltern entstehen, würden für sich allein noch nicht ausreichen, um ein Besuchsrecht abzulehnen (EFSlg.48.345). Im vorliegenden Fall geht aber der von den Vorinstanzen festgestellte Loyalitätskonflikt nicht unmittelbar auf die Trennung der Eltern zurück, sondern nach der Scheidung funktionierte zunächst das Besuchsrecht. Daß Thomas in der Wohnung des Vaters mit dessen Lebensgefährtin zusammentraf, spielte dabei - wie der Revisionsrekurs zutreffend ausführt - keine besondere Rolle. Selbst der Umstand, daß der Vater den damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann der Mutter herabsetzte, fiel kaum besonders ins Gewicht. Entscheidend wurde vielmehr die Entwicklung im Sommer 1985. Wohl hat ein Staatsbürger das Recht, eine Strafanzeige zu erstatten. Es trifft auch zu, daß die Sympathie nicht dem Anzeiger, sondern dem Täter zu entziehen ist. Das ändert aber nichts daran, daß die Vorfälle im Sommer 1985 eine äußerst unerquickliche Situation für die beiden Kinder geschaffen haben. Auf ein "Verschulden" des Vaters kommt es dabei nicht an. Aus der Sicht der Kinder war der Vater derjenige, der die Mutter - ob zu Recht oder nicht, spielt keine besondere Rolle - vorübergehend ins Gefängnis brachte und der Schritte unternommen hat, die deren Existenz bedrohen. Die daraus entstehende besondere psychische Situation ist ein erheblicher Umstand, der auch zum völligen Entzug eines Besuchsrechtes führen kann, so daß auch in dieser Richtung keine offenbare Gesetzwidrigkeit aufgezeigt wurde.

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