OGH 11Os92/87

OGH11Os92/878.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter F*** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach dem § 217 Abs 1 StGB und anderen strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 13. Mai 1987, GZ 13 Vr 2190/86-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek und des Verteidigers Dr. Leuthner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.März 1946 geborene Peter F*** des Verbrechens des Menschenhandels nach dem § 217 Abs 1 StGB (I) , des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 StGB (II) und des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 Z 2 WaffenG (III) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last,

I. von Herbst 1981 bis April 1982 in Bad Wurzach-Truschwende (BRD) die österreichische Staatsangehörige Rosalia S*** in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, dadurch der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt zu haben, daß er sie von Österreich nach Bad Wurzach-Truschwende brachte und ihr dort im Lokal "TILBURY" eine Stelle als Prostituierte verschaffte;

II. am 22.August 1986 in Villach den Helmut M*** durch Versetzen eines Stiches mit einem Springmesser in die rechte Oberbauchgegend eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Öffnung des Bauches, einen Durchstich der Leber und der Gallenblase und eine Verletzung des Lebergallenganges absichtlich zugefügt zu haben und III. von Anfang August 1986 bis 22.August 1986 in Villach eine verbotene Waffe (§ 11 WaffenG), nämlich ein Springmesser, besessen zu haben.

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch I bringt der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge (Z 5) vor, dem Urteil hafte ein Begründungsmangel an, weil es Animieren (lediglich dazu will er seiner Verantwortung nach die Zeugin Rosalia S*** tatsächlich unterstützt haben - S 51 b bis 51 d, 298, 357) mit Prostitution gleichsetze. Die Feststellung seiner Absicht, die Zeugin, die er doch heiraten habe wollen, der Prostitution zuzuführen, sei unrichtig. Damit bekämpft die Beschwerde jedoch lediglich in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Weise die Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse, bei der die Tatrichter sich auch auf die eigene Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren und auf die dezidierte und tatsachengerecht beurteilte Aussage der Zeugin S*** vor dem Untersuchungsrichter stützten. Mit den Gründen, aus denen die Zeugin S*** diese im Vorverfahren abgelegte (den Angeklagten belastende) Aussage in der Hauptverhandlung abschwächte, setzte sich das Erstgericht unter Berücksichtigung der Zeugenaussage der Untersuchungsrichterin ausführlich und den Denkgesetzen entsprechend auseinander. Soweit der Angeklagte in seinem eigenhändig verfaßten Schriftsatz, der vom Verteidiger "ebenfalls zum Inhalt der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben" wurde (S 395), gegen diese Beweiswürdigung polemisiert, leistet er ebenfalls keinen Beitrag zu einer gesetzmäßigen Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde. Die in der Urteilsbegründung tatsächlich nicht erörterte Verantwortungslinie des Angeklagten, er habe zum Tatzeitpunkt die Zeugin S*** ehelichen wollen, betrifft keine entscheidungswesentliche, weil den Schlußfolgerungen des Gerichts nicht entgegenstehende Tatsache. Nach der forensischen Erfahrung steht eine allenfalls geplante (oder vorgespiegelte) Eheschließung zwischen Zuhälter und Prostituierter keineswegs dem Vorsatz entgegen, die Frau der gewerbsmäßigen Unzucht zuzuführen. Im übrigen deponierten in der Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch die Zeugin S***, die bei ihrer polizeilichen Vernehmung in der BRD von einem Verlöbnis (S 87 in ON 16) und beim Untersuchungsrichter davon gesprochen hatte, daß sie sich in Peter F*** verliebt habe (S 173), daß sie eine Ehe eingehen wollten. Auch die Mutter der Zeugin, Ursula W***, wußte von Heiratsabsicht nichts (S 361); die Mutter des Angeklagten berichtete lediglich von Vorbereitungen für eine Eheschließung (S 363).

Wenn der Beschwerdeführer seine Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf abstellt, daß Rosalia S*** als seine Braut mit ihm nach Deutschland gegangen sei und er niemals die Absicht verfolgt habe, sie dort der Prostitution zuzuführen, weicht er - was bei Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unzulässig ist - von den ausdrücklichen Urteilsfeststellungen ab. Darnach bewog er Rosalia S***, mit ihm nach Deutschland zu kommen, weil er wollte, daß sie dort der Prostitution nachgehe, was sie dann auch tat (S 373). Das Rechtsmittel ist daher auch insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Zum Schuldspruch II reklamiert der Angeklagte aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO den Rechtfertigungsgrund der Notwehr.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß bei Beurteilung des Sachverhalts von der gesamten Situation auszugehen sei, doch hat auch die Beschwerde alle (Urteils-) Feststellungen zu beachten: Das Schöffengericht stellte - zusammengefaßt - fest, daß dem Angeklagten die Zeugen M*** und M*** (sowie zwei Begleiterinnen) nach Verlassen des Lokals, in dem es bereits zu einer wörtlichen Auseinandersetzung (bei welcher der Angeklagte ebenfalls sein Springmesser drohend gezückt hatte) gekommen war, durch die Bahnhofsstraße folgten und ihn schließlich einholten, wobei sie ihm wegen seines Verhaltens im Lokal Vorhaltungen machen wollten. Daraufhin zückte der Angeklagte abermals sein Springmesser und bedrohte den Zeugen M***, worauf der Bedrohte und M*** - da sie einen unmittelbar bevorstehenden Angriff befürchteten - erfolglos versuchten, ihm durch Fußtritte gegen die Hand, in der er das Messer hielt, aber auch durch Schläge die Waffe aus der Hand zu schlagen. Sie konnten den Angeklagten aber nicht treffen, der daher nicht verletzt wurde (S 373-376).

Der Angeklagte weist in seiner - inhaltlich ausschließlich der Bekämpfung der Beweiswürdigung zum Schuldspruch II

gewidmeten - Eingabe, die "unter Beilage 2 der Nichtigkeitsbeschwerde beigelegt" wurde (S 396), auf den von seiner eigenen Verantwortung (S 299) abweichenden Befund des Polizeiarztes (S 23) hin, jedoch ist dieser - ohnehin nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte - Schriftsatz schon deshalb unbeachtlich, weil es nur eine Rechtsmittelausführung gibt und auch selbstgefertigte Beilagen (des Angeklagten) unzulässig sind (EvBl 1980/82).

Nach den Urteilsannahmen lag sohin zwar ein gegenwärtiger und wohl auch rechtswidriger Angriff (LSK 1978/37, 1979/21) der Zeugen M*** (der selbst angibt, er wollte mit dem Angeklagten raufen; S 301) und M*** auf den Angeklagten vor. (Dem Angeklagten wurde jedenfalls der erste von ihm geführte Stich gegen die Brust des Zeugen M***, der eine Verletzung bewirkte, die heute noch durch eine Narbe kenntlich ist S 375, nicht angelastet.) Die rechtliche Konklusion des Erstgerichts aus dem festgestellten Sachverhalt, daß bei der als Verbrechen nach dem § 87 Abs 1 StGB erfaßten Tat eine Notwehrsituation nicht vorlag (S 375, 382), fußt ersichtlich darauf, daß sich Helmut M*** in diesem Augenblick wegen des eben erwähnten Stichs in die Brust schon vom Angeklagten abgewendet hatte und sein Angriff beendet war, als der Angeklagte den zweiten Stich in der Absicht, schwer zu verletzen, führte (S 376). Nach Überzeugung des Gerichts spricht die Art der Stichführung gegen eine bloße Abwehrhandlung, weil der Angeklagte kräftig von unten nach oben gegen den Bauch des Helmut M*** stieß, als sich das Opfer bereits abgewendet hatte (S 380, 381).

Die vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen

Beurteilung - eventualiter - aufgeworfene Frage der Unangemessenheit der Verteidigung (S 383) kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil bei der gegebenen Sachverhaltskonstatierung, auf die allein die rechtliche Beurteilung und Überprüfung abzustellen hat, eine Notwehrsituation zum Tatzeitpunkt nicht vorlag, was aber Voraussetzung dafür wäre, eine Notwehrüberschreitung zu erörtern (Leukauf-Steininger2 RN 86 zu § 3 StGB). Nicht weil ein Notwehrexzeß vorgelegen wäre, ist der Angeklagte schuldig, sondern weil er ausschließlich mit Verletzungsabsicht und nicht in Notwehr handelte. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Peter F*** nach dem § 87 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe und wertete die über die Rückfallsvoraussetzungen des § 39 StGB hinausgehenden einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall (ein Monat nach vorzeitiger Entlassung aus einer über vierjährigen Strafhaft wegen Totschlags) und das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen als erschwerend. Als mildernd wurde nur das Geständnis zum verbotenen Waffenbesitz und der Umstand gewertet, daß die tätliche Auseinandersetzung durch Helmut M*** provoziert wurde. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Strafherabsetzung neuerlich unter Hinweis darauf an, daß er die Zeugin S*** heiraten wollte und M*** als Angreifer zu sehen ist, wenn ihm auch eine Notwehrsituation nicht zugebilligt werde.

Diesem Vorbringen bleibt vor allem entgegenzuhalten, daß es sich beim Berufungswerber um einen typischen Vertreter jenes Milieus handelt, in dem häufig arbeitsscheues und asoziales Grundverhalten mit Gewalttätigkeiten und rücksichtsloser Ausnützung von Frauen gepaart ist: Der hohe Schuldgehalt der Taten (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) muß zusammen mit den aufgezählten Erschwerungsumständen, zu denen noch die zweifache Qualifikation der Verletzung des Helmut M*** zur schweren und lebensgefährlichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität kommt, zu einer entsprechend strengen Sanktion führen, die ersichtlich bloß deshalb nur mit drei Jahren ausgemessen wurde, weil das Verletzungsopfer selbst ein gerüttelt Maß an Mitverschulden trifft. Zu einer Strafmilderung besteht jedenfalls kein Anlaß.

Es war daher auch der Berufung der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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